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Und dann ist da noch das Navigationsproblem, wenn das Schiff aus dem Hyperraum taucht.«

»Was ist denn der Hyperraum?« fragte Ronny.

»In Wirklichkeit ist es einfach ein andersartiger Teil des normalen Raums. Aber das kannst du ja alles in deiner Enzyklopädie nachlesen.«

»Das ist völlig richtig, Ronny«, stimmte der Vater zu. »Wir dürfen jetzt den Piloten nicht noch länger aufhalten. Sicherlich hat er viele wichtige Dinge zu erledigen.«

»Ich habe es ziemlich eilig«, sagte Barrent. »Sehen Sie sich nur alles in Ruhe an. Viel Glück für deine Dissertation, Ronny.«

Barrent ging hundert Meter mit einem kitzligen Gefühl im Rücken, jeden Moment erwartete er den Schuß einer Nadelstrahlwaffe oder das Zischen eines Gewehrs. Aber als er sich dann umdrehte, wandten ihm die beiden den Rücken zu und musterten voller Interesse das Raumschiff. Barrent zögerte einen Moment; er machte sich Sorgen. Bis jetzt war alles viel zu glatt verlaufen. Verdächtig glatt. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, als weiterzugehen.

Die Straße führte vom Raumhafen weg an einer Reihe von Lagerschuppen vorbei auf einen Wald zu. Barrent ging weiter, bis er außer Sichtweite der beiden war. Dann verließ er die

Straße und schlug sich seitwärts in den Wald. Für seinen ersten Tag auf der Erde hatte er genug Kontakt mit Menschen gehabt. Er wollte sein Glück nicht herausfordern. Er wollte sich die Dinge erst einmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen, die Nacht im Wald schlafen und am nächsten Morgen eine Stadt aufsuchen.

Er zwängte sich durch dichtes Unterholz. Bald aber lichteten sich die Büsche, und er konnte unter den kühlen Schatten mächtiger Eichen bequem dahinschreiten. Um ihn herum zirpten und zwitscherten unsichtbare Vögel und Insekten. Ein Stückchen vor ihm war ein großes weißes Schild an einen Baum genagelt. Als Barrent näher kam, las er: WALDTALER NATIONALPARK. PICKNICKEN UND CAMPING GESTATTET!

Barrent war ein bißchen enttäuscht, obgleich er sich darüber im klaren war, daß er so nahe einem Raumhafen keine unberührte Wildnis erwarten durfte. Außerdem gab es auf einem Planeten, der alt und weit entwickelt war wie die Erde, wahrscheinlich überhaupt kein unberührtes Land mehr, außer den Nationalparks.

Die Sonne stand schon tief am Horizont, und am Boden breitete sich die abendliche Kühle aus. Barrent fand ein bequemes Fleckchen unter einer gigantischen Eiche, rückte sich ein paar Stauden zurecht und legte sich darauf nieder. Er hatte eine Menge nachzudenken. Warum, beispielsweise, hatte man an dem wichtigsten Kontaktpunkt der Erde, einem interstellaren Raumhafen, keine Wachtposten aufgestellt? Begannen die Sicherheitsmaßnahmen erst später, in den Ortschaften und Städten?

Oder unterlag er bereits einer Art Überwachung, einem unmerklichen, heimtückischen Geheimsystem, das jede seiner Bewegungen wahrnahm und nur auf einen geeigneten Augenblick wartete, ihn festzunehmen? Oder war das zu phantastisch gedacht? Könnte es sein, daß -?

»Guten Abend«, ertönte eine Stimme, direkt neben seinem rechten Ohr. Mit einer entsetzten Bewegung sprang Barrent zur Seite, seine Hand zuckte zur Waffe.

»Und einen sehr angenehmen Abend noch dazu«, fuhr die Stimme fort, »den Sie hier im Waldtaler Nationalpark erleben.

Die Temperatur beträgt 78,2 Grad Fahrenheit, Feuchtigkeit 23 Prozent, Barometerstand beständig auf neunundzwanzig Punkt neun. Alte Campierer erkennen mich sicher an der Stimme. Den neuen Naturfreunden unter Ihnen will ich mich aber vorstellen.

Ich bin Eichi, Ihr Freund, der Eichbaum. Ich begrüße Sie alle aufs herzlichste, alt und jung, und heiße Sie in Ihrem Nationalpark willkommen.« Aufrecht sitzend, starrte Barrent in die zunehmende Dunkelheit. Er fragte sich, was für ein Streich ihm hier gespielt wurde. Die Stimme schien wahrhaftig aus der großen Eiche zu kommen. »Die Freude der Natur«, fuhr Eichi fort, »ist nun jedem leicht und bequem zugänglich. Sie können sich völliger Abgeschlossenheit erfreuen und sind doch nicht weiter als zehn Minuten zu Fuß von den öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt.

Für diejenigen, die nicht allein sein wollen, haben wir Exkursionen zu geringen Preisen arrangiert, die durch die alten Täler führen.

Vergessen Sie nicht, Ihren Freunden von Ihrem Nationalpark zu erzählen. Alle Möglichkeiten dieses Parks warten auf die Freunde der herrlichen Naturschönheiten.«

Ein Spalt tat sich am Baum auf. Heraus glitten ein Schlafsack, eine Thermosflasche und ein Tablett mit Abendessen.

»Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend«, sagte Eichi.

»Genießen Sie die Pracht der Naturwunder. Und jetzt spielt Ihnen das nationale Symphonie-Orchester unter der Leitung von Otter Krug >Die Bergtäler< von Ernesto Nestrichalam, aufgenommen    von    der    nordamerikanischen

Rundfunkgesellschaft. Ihr ergebener Eichbaum wünscht Ihnen eine gute Nacht.«

Aus mehreren versteckten Lautsprechern ertönte Musik. Barrent kratzte sich am Kopf; dann entschloß er sich, die Dinge hin zunehmen, wie sie sich ihm darboten, und aß die Speisen, trank den Kaffee aus der Thermosflasche, rollte den Schlafsack auseinander und legte sich bequem darin zurecht.

Schlaftrunken sann er über den Sinn eines Waldes nach, der mit Drähten ausgestattet war, um Musik erklingen zu lassen, der Nahrung und Getränke verabreichte - und das alles nicht weiter als zehn Minuten von dem nächsten öffentlichen Verkehrsmittel entfernt. Die Erde hatte ihren Bewohnern wirklich allerhand zu bieten. Vermutlich gefielen ihnen diese Dinge. Oder vielleicht doch nicht? Könnte dies eine tückische Falle sein, die ihm die Behörden gelegt hatten? Unruhig wälzte er sich eine Zeitlang von einer Seite auf die andere und versuchte, sich an die Musik zu gewöhnen. Bald verschmolz sie mit dem Rascheln der Blätter und dem Knacken der Zweige. Barrent schlief fest ein.

Am nächsten Morgen servierte ihm die freundliche Eiche das Frühstück und einen Rasierapparat. Barrent aß, wusch und rasierte sich. Danach machte er sich auf den Weg zur nächsten Stadt. Er hatte einen festen Plan gefaßt, nach dem er vorgehen wollte. Zuerst mußte er sich eine narrensichere Verkleidung schaffen und dann mit einer Widerstandsbewegung Kontakt aufzunehmen versuchen. Wenn das gelungen war, mußte er so viel wie möglich über die Geheimpolizei der Erde herausfinden, über die Militärkräfte und dergleichen.

Gruppe Zwei hatte ihm genaue Anweisungen dafür gegeben

Als Barrent die Außenbezirke der Stadt erreicht hatte, wünschte er noch einmal inbrünstig, daß die Methode von Gruppe Zwei funktionieren möge. Bis jetzt hatte die Erde wenig Ähnlichkeit mit dem gezeigt, was die Gruppe Zwei rekonstruiert hatte.

Er wanderte endlos lange Straßen entlang, zu deren Seiten kleine weiße Häuser standen. Zuerst glaubte er, alle Häuser sähen gleich aus. Dann aber bemerkte er, daß jedes geringfügige architektonische Abweichungen aufwies. Aber anstatt den Häusern eine individuelle Note zu geben, hatten diese kleinen Unterschiede höchstens den Effekt, die monotone Gleichheit der Häuser noch zu unterstreichen. Da waren Hunderte dieser Häuser, sie erstreckten sich so weit vor ihm, wie er sehen konnte. Ihre Einheitlichkeit deprimierte ihn. Ganz unerwartet vermißte er den lächerlichen, groben Wirrwarr der Gebäude auf Omega.

Er gelangte zu einem Geschäftszentrum. Auch die Läden waren einander ähnlich, genau wie die Häuser. Sie waren niedrig, unauffällig und alle von gleicher Bauart. Erst bei näherer Besichtigung der Schaufenster konnte man Unterschiede zwischen Lebensmittel-, Bekleidungs- und Sportgeschäften erkennen. Er kam an einem kleinen Gebäude vorbei, das die Aufschrift trug:

ROBOTER-BEICHTSTUHL, 24 STUNDEN TÄGLICH GEÖFFNET. Es schien eine Art Kirche zu sein.

Die Methode, die Gruppe Zwei für Barrent ausgearbeitet hatte, eine Untergrundbewegung zu finden, war einfach und direkt. Revolutionäre, so hatten sie argumentiert, findet man in großen Mengen in den unterdrücktesten und niedrigsten Ständen einer Zivilisation. Armut zeugt Unzufriedenheit; die nichts haben, wollen etwas vom Besitz der Begüterten. Deshalb ist es logisch, in den Slums nach ihnen zu suchen.