Und deren Fähigkeit unter Feuerschuß bezweifle ich, offen gestanden.«
»Könnten Sie mir Näheres über die Polizei erzählen?«
»Ich weiß nichts darüber. Ich habe mich nie in meinem Leben um nichtmilitärische Angelegenheiten gekümmert.«
»Aber es wäre doch denkbar, daß die Polizei jetzt die Funktion einer Armee übernommen hat, nicht wahr?«
»Das ist schon möglich. Alles ist möglich.«
(Bürger Moertin Honners, Alter ) i, Beruf: Wortformer. Ein schlanker, schwächlicher Mann mit ernstem, jungenhaftem Gesicht und weichem strohgelbem Haar.) »Sie sind ein
Wortformer, Bürger Honners?«
»Ja, Sir. Allerdings trifft>Autor<wohl besser zu, wenn Sie nichts dagegen haben.« - »Aber selbstverständlich nicht. Bürger Honners, schreiben Sie zur Zeit für irgendeine der Zeitschriften, die in den Verkaufsständen ausliegen?«
»Aber nein! Die werden von diesen phantasielosen Schreiberlingen für die zweifelhaften Schriften verfaßt, wie sie die untere Mittelklasse bevorzugt. Die Stories, falls Sie das nicht wissen sollten, werden Zeile um Zeile aus den Werken der verschiedensten bekannten Schriftsteller des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts zusammengebastelt. Die Leute, die diese Arbeit verrichten, setzen lediglich Adjektive und Adverbien ein.
Gelegentlich soll sich ein mutiger Schreiberling sogar daran wagen, ein Verb oder ein Substantiv auszuwechseln, habe ich gehört.
Aber das kommt nicht oft vor.«
»Und Sie selbst beschäftigen sich nicht mit diesen Dingen?«
»Ganz und gar nicht! Meine Arbeit dient nicht kommerziellen Zwecken. Ich bin ein schöpferischer Conrad-Spezialist.«
»Können Sie mir bitte erklären, was das ist, Bürger Honners?«
»Gern. Meine besonderen Bemühungen befassen sich mit der Neuschöpfung der Arbeiten von Joseph Conrad, einem Autor, der in der voratomaren Zeit lebte.«
»Und wie gestalten Sie diese Neuschöpfung der Werke?«
»Nun, im Augenblick beschäftige ich mich mit der fünften Neufassung von Lord Jim. Um das zu tun, vertiefe ich mich so sorgfältig als möglich in die Originalarbeit. Dann mache ich mich daran, sie so umzudichten, wie Conrad es getan hätte, wenn er heute noch lebte. Es ist eine Beschäftigung, die viel Fleiß und ein höchstes Maß an künstlerischem
Einfühlungsvermögen verlangt. Ein einziger Fehler kann die ganze Neufassung verderben. Wie Sie sich vorstellen können, bedarf das einer meisterhaften Beherrschung von Conrads Vokabular, Themenstellung, Aufbau, Charakteren, Ausdruck und so weiter. All dies wird mit verarbeitet, und doch darf das Buch nicht einer sklavischen Wiederholung gleichen. Es muß etwas Neues aussagen, gerade so, wie Conrad es ausgesagt haben würde.«
»Und haben Sie damit Erfolg gehabt?«
»Die Kritiker haben sich sehr wohlwollend ausgedrückt, und mein Verleger ermutigt mich stets von neuem.«
»Wenn Sie Ihre fünfte Neuschöpfung von Lord Jim fertig verfaßt haben - was beabsichtigen Sie dann zu tun?«
»Zuerst werde ich mich einmal gut erholen und lange Ferien machen. Dann werde ich eines von Conrads weniger großen Werken neu schöpfen. Der Pflanzer von Malata vielleicht.«
»Aha. Ist die Neuschöpfung bei allen Kunstarten üblich?«
»Es ist das Ziel eines jeden ehrgeizigen Künstlers, ganz gleich, welches Medium er verwendet. Die Kunst ist eine grausame Geliebte, fürchte ich.«
(Bürger Willis Ouerka, Alter 8, Beruf: Schüler. Ein fröhlicher sonnengebräunter Junge mit schwarzem Haar.) »Es tut mir leid, Herr Meinungsforscher, aber meine Eltern sind gerade nicht zu Hause.«
»Das macht nichts, Willis. Macht es dir was aus, wenn ich dir ein paar Fragen stelle?«
»Nein. Was haben Sie da unter der Jacke, Mister? Sie beult sich ja aus.«
»Ich werde hier die Fragen stellen, Willis, ja?... Nun, als erstes, gehst du gern in die Schule?«
»Man muß eben.«
»Welche Fächer hast du?« »Lesen, schreiben und Klassenbewußtsein. Und dann noch Stunden in Musik, Kunst, Architektur, Literatur, Ballett- und Theaterwissenschaft. Das übliche Zeug.«
»Ich verstehe. Das sind die offenen Klassen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Besuchst du auch die geheimen Klassen?«
»Natürlich. Jeden Tag. «
»Würdest du mir auch darüber etwas erzählen?«
»Gern. Ist diese Ausbeulung eine Pistole? Ich kenne sie. Vor ein paar Tagen haben ein paar von den großen Jungens beim Mittagessen Bilder von Pistolen herumgereicht, da habe ich sie mir genau angesehen. Ist das eine Pistole?«
»Nein. Mein Anzug sitzt nicht gut, weiter nichts. Aber
würdest du erzählen, was in den geheimen Klassen vor sich geht?«
»Gern.«
»Na - was geschieht da?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Na, na, Willis.«
»Wirklich, ich weiß es nicht. Wir gehen alle in die
Klassenzimmer, und nach einer Stunde kommen wir wieder heraus und haben Pause. Das ist alles. An mehr erinnere ich
mich nicht. Ich habe mit den anderen Jungens darüber
gesprochen. Niemand weiß, was wirklich los ist.«
»Seltsam...«
»Nein, das finde ich nicht. Wenn wir uns daran erinnern sollten, dann wäre es doch nicht geheim.«
»Vielleicht hast du recht. Kannst du mir wenigstens sagen, wie das Klassenzimmer aussieht oder wer euer Lehrer in den geheimen Klassen ist?«
»Nein. Ich erinnere mich wirklich an gar nichts.«
»Ich danke dir, Willis.«
(Bürger Cuchulain Dent, Alter 37, Beruf: Erfinder. Ein früh gealterter Mann mit einer Glatze und ironisch blickenden, mit schweren Lidern verhangenen Augen.) »Jawohl, stimmt genau. Ich bin ein Erfinder von Spielen. Ich habe zum Beispiel das >Triangulieren< herausgebracht und >Was noch<! Das war im letzten Jahr. Es ist ziemlich beliebt. Haben Sie es schon gesehen?«
»Leider nicht.«
»Eine nette Sache! Man simuliert Verirrtsein im Raum. Die Spieler erhalten unvollständige Daten für ihre MiniaturAutomaten, und wenn sie gewinnen, zusätzliche Informationen
Raumhazard als Strafe. Eine Menge Blitze und dergleichen. Ein wirklicher Verkaufsschlager.«
»Erfinden Sie auch noch andere Dinge, Bürger Dent?«
»Als Kind habe ich einmal eine verbesserte Sä- und ErnteMaschine gebaut. Sie war so konstruiert, daß sie ungefähr dreimal so gut arbeitete wie das gegenwärtige Modell. Und denken Sie sich nur - ich glaubte wirklich, sie verkaufen zu können!«
»Und - haben Sie sie verkauft?«
»Natürlich nicht. Damals wußte ich noch nicht, daß das Patentamt auf immer geschlossen war - außer jenes der Spielabteilung.«
»Haben Sie sich darüber geärgert?«
»Ein bißchen schon - im ersten Moment. Aber bald kam ich darauf, daß die Modelle, die wir zur Zeit benutzen, ausreichen
Es besteht kein Bedarf an noch leistungsstärkeren und besseren Erfindungen. Die Leute begnügen sich heutzutage mit dem, was sie haben. Außerdem würden neue Erfindungen der Menschheit keinen großen Dienst erweisen. Die Geburten- und Sterbequote der Erde ist stabil, und für jeden ist gesorgt. Um eine neue Erfindung zu produzieren, müßte man eine völlig neue Industrie aufziehen. Das ist beinahe unmöglich, da heute alle Fabriken automatisch arbeiten und sich selbst reparieren. Aus diesem Grund sind Erfindungen überflüssig, außer auf dem ewig jungen Gebiet der Spiele.«
»Und was denken Sie darüber?«
»Was sollte ich schon darüber denken? So liegen die Dinge nun einmal.«
»Würden Sie es gern sehen, wenn das anders wäre?«
»Vielleicht. Aber wegen meines Berufs als Erfinder klassifiziert man mich sowieso schon als einen potentiell labilen Charakter.«
(Bürger Barn Threnten, Alter 41, Beruf: Atomwissenschaftler, spezieller Raumfahrzeuge. Ein nervöser, intelligent aussehender Mann mit traurigen braunen Augen.) »Sie wollen wissen, was ich arbeite? Diese Frage beantworte ich nicht gern, Bürger, denn ich beschäftige mich mit nichts anderem, als in der Fabrik herumzulaufen. Die Union schreibt für jeden Roboter oder jede automatisierte Operation die Gegenwart eines Menschen vor. Der bin ich. Ich stehe daneben und schaue zu.« - »Sie scheinen unzufrieden zu sein, Bürger Threnten.«