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Was war mit Jürgens geschehen? Wohin war er gegangen, wo mochte er jetzt sein? Er, Lansing, hatte auch in diesem Punkt versagt, hatte nicht beobachtet, wohin sein Freund verschwunden war, hatte ihm diesen letzten Freundschaftsdienst verweigert! Er war damals zu emsig darauf bedacht gewesen, sein eigenes Leben zu retten. Und doch, er hätte verfolgen sollen, was mit dem Roboter geschah. Es schien, als sollte die Schuld niemals enden, dachte Lansing bitter. Wie ein Mensch sich auch verhalten mochte, er lud doch immer Schuld auf sich.

Die Vermutung lag nahe, daß Jürgens keine Möglichkeit gehabt hatte, seinen Sturz zu bremsen oder abzufangen. Er war also den Abhang hinuntergerutscht bis zu dem Punkt, wo der Sand in den donnernden schwarzen Vorhang von Chaos mündete (was immer Chaos auch sein mochte). Und was war danach geschehen? Wie lauteten Jürgens' letzte Worte? Das Ende aller Dinge. Dort versinkt das Universum, von der Schwärze verschlungen. Hatte Jürgens etwas gewußt, oder hatte er nur so dahergeredet? Lansing würde es niemals erfahren.

Es war schon sonderbar, dachte Lansing, auf welche Weise die einzelnen Gruppenmitglieder verschwunden waren. Der Pastor war durch eine Tür gegangen. Der General war von der Apparatur, die leise vor sich hin sang, übernommen (mitgenommen?) worden. Sandra war von dem singenden Turm ausgesaugt worden. Jürgens war ins Chaos gerutscht. Und Mary - Mary war fortgegangen. Aber bis jetzt war Mary noch nicht verschwunden, jedenfalls nicht auf die Weise wie die anderen. Für Mary gab es immer noch Hoffnung.

»Lansing, was ist mit Ihnen los?« fragte Jorgenson unvermittelt. »Sie wirken so gedankenverloren.« »Ich habe darüber nachgedacht, was wir morgen unternehmen sollen«, sagte Lansing.

Das war zwar gelogen, aber eine Antwort, die Jorgenson zufriedenstellen würde.

»Ich dachte, wir gehen zur Stadt zurück«, sagte Jorgenson, »das haben Sie doch selbst vorgeschlagen.«

»Sie wollen mich begleiten?« fragte Lansing.

»Ich will nicht in die Stadt«, schrie Melissa. »Ich bin schon einmal dort gewesen und.«

»Sie wollen nicht in die Stadt, und Sie wollen nicht nach Norden«, sagte Jorgenson. »Langsam bleiben Ihnen kaum noch Möglichkeiten zur Auswahl. Wenn Sie noch lange so weitermachen, dann ziehe ich ohne Sie weiter, bei Gott, das verspreche ich Ihnen. Ständig jammern und zetern Sie herum.« »Ich glaube, wir könnten Zeit sparen, wenn wir querfeldein marschieren«, sagte Lansing. »Was meinen Sie mit querfeldein?«

»Schauen Sie«, sagte Lansing. Er setzte die Kaffeetasse ab und glättete mit der Hand den Boden. Dann begann er, mit dem Zeigefinger eine Landkarte zu zeichnen. »Als wir die Stadt verlassen haben, sind wir dem Pfad durch die Badlands gefolgt. Wir sind im großen und ganzen nach Norden gezogen, ein paar Grad West vielleicht. Danach aber, vom Gasthaus zum Turm, sind wir direkt nach Westen gewandert. Es kommt mir so vor, als müßte es einen kürzeren Weg geben.«

Lansing hatte eine Linie gezeichnet, die den Weg durch die Badlands darstellen sollte, und eine zweite, fast im rechten Winkel dazu, die die Strecke vom Gasthaus zum Turm wiedergab. Jetzt verband er Turm und Stadt durch eine dritte. »Wenn wir so gehen«, sagte er, »haben wir eine kürzere Strecke zurückzulegen. Ein Dreieck, sehen Sie? Anstatt an den Schenkeln entlangzuwandern, sollten wir lieber der Basis folgen. Direkt nach Südosten.« »Aber dann müssen wir durch unbekanntes Gebiet gehen«, protestierte Jorgenson. Wir könnten uns in den Badlands verirren.

»Die Himmelsrichtung können wir mit dem Kompaß bestimmen«, erwiderte Lansing. »Außerdem ist es gut möglich, daß wir gar nicht durch die Badlands kommen. Vielleicht erstrecken sie sich nicht so weit nach Westen. Es wäre der kürzere Weg!«

»Ich weiß nicht«, sagte Jorgenson.

»Aber ich. Es ist der Weg, den ich nehmen werde. Wollen Sie mitkommen?«

Jorgenson zögerte lange, ehe er antwortete: »Ja, wir kommen mit.«

In aller Frühe brachen sie am nächsten Morgen auf. Nach ungefähr einer Stunde überquerten sie den Fluß, der sich zwei oder drei Kilometer stromabwärts mit dem Badlands-Fluß vereinigte. Sie fanden eine seichte Furt, so daß sie kaum naß wurden. Der Charakter der Landschaft änderte sich allmählich. Vom Fluß aus stieg das Land sanft an. Langgezogene Hügelketten erstreckten sich parallel zum Fluß, und jede Hügelkette war höher als die vorausgegangene. Nach und nach verlor die Landschaft den kargen, wüstenartigen Charakter, die Sandstriche wurden seltener, Grasstreifen häufiger. Bäume tauchten auf, und nach jedem Höhenzug wurden sie größer und zahlreicher. In manchen Tälern bahnten sich winzige Bächlein mit klarem, sprudelndem Wasser ihren Weg durch das Geröll. Gegen Ende des Tages erklommen sie einen Höhenzug, der deutlich höher war als alle vorhergehenden. Vor den Wanderern erstreckte sich ein Tal, viel größer und saftiger als die anderen, die sie durchquert hatten. Es war eine grüne Senke mit üppigem Baumbestand, und tief unten sahen sie einen Fluß von respektabler Größe. In einiger Entfernung, gegen Westen hin, kräuselten sich dünne Rauchfahnen zum Himmel empor. »Menschen!« rief Jorgenson. »Da unten müssen Menschen sein.«

Er wollte vorauseilen, aber Lansing hielt ihn fest.

»Was ist los?« fragte Jorgenson.

»Wir werden nicht losrennen.«

»Aber ich sage Ihnen, dort sind Menschen.«

»Das glaube ich auch. Trotzdem werden wir nicht losrennen. Und anschleichen werden wir uns auch nicht. Sie sollen sehen, daß wir hier sind, und die Möglichkeit haben, uns in Ruhe zu beobachten.«

»Sie wissen wohl über alles Bescheid«, sagte Jorgenson höhnisch.

»Über alles nicht«, erwiderte Lansing, »nur über angemessenes Verhalten. Entweder wir geben ihnen die Chance, uns zu begutachten, oder wir schleichen in weitem Bogen um das Lager herum.«

»Ich finde, wir sollten hingehen«, sagte Melissa. »Vielleicht ist Mary dort. Oder jemand, der etwas über sie weiß!« »Das halte ich für unwahrscheinlich«, sagte Lansing. »Ich bin fest davon überzeugt, daß sie zur Stadt zurückgegangen ist. Sie hatte gar keine Gelegenheit, hier vorbeizukommen.« »Wir werden hingehen«, sagte Jorgenson mit einem feindseligen Klang in der Stimme. »Vielleicht ist dort unten jemand, der weiß, was hier eigentlich gespielt wird. Die ersten Informationen, seit wir diese Welt betreten haben.« »Also gut«, sagte Lansing, »wir gehen zu ihnen.« Sie stiegen den Hügel hinab, bis sie das Tal erreichten, und näherten sich langsam dem Rauch. Irgend jemand mußte sie gesehen haben, denn man rief ihnen eine Warnung zu. Die drei blieben abwartend stehen. Kurz darauf erschien eine kleine Gruppe von etwa zehn Leuten, die ihnen durch das Tal entgegenkam. Die Gruppe hielt an, drei Männer traten vor und gingen auf die Neuankömmlinge zu.

Lansing, der vor Jorgenson und Melissa stand, sah sich die drei genau an. Einer der Männer war alt, sein Haar und Bart waren weiß. Die anderen beiden waren jünger - einer war ein Jüngling mit blondem Bart und Haaren, die ihm bis auf die Schultern reichten, der andere ein düsterer Geselle mit schwarzem Haar und dunklem Teint. Er trug keinen Bart, aber die Stoppeln auf seinem Kinn ließen erkennen, daß er sich seit Tagen nicht rasiert hatte. Die Kleidung der drei war zerlumpt. Ellenbogen und Knie waren durchgescheuert und die zahlreichen Risse und Löcher nur notdürftig zusammengeflickt. Der alte Mann trug ein Hemd aus Kaninchenfellen.

Ein paar Schritte vor den Neuankömmlingen hielten die drei an. Der blonde Jüngling sprach sie in einer fremden Sprache an. »Kauderwelsch«, sagte Jorgenson. »Warum spricht er nicht Englisch?«

»Ausländisch, kein Kauderwelsch«, sagte Lansing. »Vermutlich Deutsch. Spricht einer von Ihnen Englisch?« »Ja, ich spreche Englisch«, antwortete der alte Mann. »Außer mir noch ein paar andere im Lager. Ihre Vermutung war richtig, mein junger Freund hier ist Deutscher. Und Pierre ist Franzose. Ich kann beide recht gut verstehen. Mein Name ist Allen Correy. Ich nehme an, daß Sie vom Turm kommen. Sie müssen sich verirrt haben.«