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»Ich werde schon zurechtkommen. Ihr seid es, um die ich mir Sorgen mache. Erlaubt Rozea nicht, euch in Gefahr zu bringen. Kehrt nach Toren zurück, sobald ihr könnt.«

»Ich verstehe das nicht.« Das kam von Stern. »Wenn deine Gaben groß genug sind, um mich zu heilen und Rozea deinen Lohn abzunehmen, warum bist du dann in einem Bordell gelandet?«

Emerahl blickte zu ihr auf, dann zuckte sie die Achseln. »Ich... ich weiß es nicht. Wahrscheinlich war es einfach Pech.«

Sterns Frage war ihr unangenehm, und nicht nur deshalb, weil die Frauen jetzt vielleicht darüber nachdenken würden, warum eine Zauberheilerin sich prostituierte – in einer Zeit, da die Priester nach jemandem suchten, auf den diese Beschreibung passte. Sie zählte den Rest ihrer Einkünfte in Silber und Gold ab, um die Angelegenheit nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Als sie fertig war, sah sie die Mädchen eins nach dem anderen an. Sie wirkten noch immer verwirrt. Emerahl lächelte.

»Passt auf euch auf. Und lasst euch einen Rat geben: Wenn ihr euch alle zusammentut, wird Rozea nichts anderes übrigbleiben, als euch euren Lohn auszuzahlen. Verschwendet das Geld nicht, sondern legt ein wenig für die Zukunft beiseite. Glaubt niemals, dass ihr außerhalb des Bordells kein Leben hättet. Ihr seid alle talentierte, schöne Frauen.«

Brand lächelte. »Vielen Dank, Jade. Und pass auch du auf dich auf.«

Die anderen murmelten ebenfalls einige Worte des Abschieds. Emerahl wandte sich ab und stieg aus dem Tarn, dann fiel ihr Blick auf einen Diener.

»Gib mir ein Bündel mit Essen und Wasser. Und einige einfache Kleider.«

Der Mann sah Rozea an. Zu Emerahls Überraschung nickte die Frau, und er eilte davon.

»Ich sollte dich wohl nicht zum Bleiben zwingen, wenn du so erpicht darauf bist, uns zu verlassen«, sagte Rozea resigniert. »Ich bin nicht glücklich darüber, aber wenn du gehen musst, dann musst du gehen. Solltest du dich irgendwann dafür entscheiden, wieder in das Geschäft zurückzukehren, glaube nicht, du seist in meinem Haus nicht willkommen. Ich bin keine solche Närrin, dass ich es nicht erwägen würde, dich wieder in meine Dienste zu nehmen.«

Emerahl betrachtete die andere Frau nachdenklich; sie spürte mit einem Mal eine Art mürrischen Respekt bei der Bordellbesitzerin. Warum ist sie jetzt so freundlich? Vielleicht habe ich nicht so viel Geld genommen, wie sie erwartet hatte. Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen, wie sehr die Preise wahrend des letzten Jahrhunderts gestiegen sind.

»Ich werde es nicht vergessen«, erwiderte sie. Der Diener kehrte zurück und drückte ihr einen Beutel in die Arme. Sie unterzog den Inhalt einer schnellen Musterung, dann hievte sie ihn über ihre Schulter. »Pass auf die Mädchen auf«, sagte sie zu Rozea. »Du hast sie nicht verdient.«

Dann drehte sie sich um und machte sich auf den Weg die Straße hinunter in Richtung Toren.

44

Als die Sonne am Horizont emporstieg, fiel helles Licht über die Goldebenen. Die Schatten der Zirkler – Priester, Priesterinnen, Soldaten und Bogenschützen – streckten sich wie anklagend erhobene Finger der Masse schwarzgewandeter Eindringlinge entgegen.

Während Tryss beobachtete, wie sich die beiden Armeen aufeinander zubewegten, fiel auch der letzte Rest Müdigkeit von ihm ab.

Von der gesamten zirklischen Armee waren die Siyee die Einzigen, die in der vergangenen Nacht geschlafen hatten. Aber es war ein unruhiger Schlaf gewesen. Nur wenige von ihnen hatten an etwas anderes denken können als an die bevorstehende Schlacht. Und die Landgeher waren die ganze Nacht von wachsender Unruhe erfüllt gewesen. Selbst aus der Luft hatte er ihre Anspannung und Nervosität wahrnehmen können.

Zwischen den Pentadrianern erhoben sich schwarze, flügelschlagende Gestalten – wie eine böse, todbringende Wolke. Tryss hörte Entsetzensschreie um sich herum. Er sah die Männer und Frauen in seiner Nähe an; sie alle gehörten zu seinem eigenen Stamm. Der Rest seiner Familie war nicht bei ihm – die Sprecher fanden, es sei zu viel verlangt, einen Fluganführer zu bitten, seine Angehörigen in die Schlacht zu führen -, aber die einzelnen Stämme waren nie so groß, dass ein Siyee nicht jeden Einzelnen persönlich kannte. Es war immer noch schwer vorstellbar, dass diese Leute vielleicht sterben würden, wenn er die Situation falsch einschätzte.

Sein Magen krampfte sich zusammen, doch er ignorierte es und holte tief Luft. »Diese schwarzen Vögel haben Schnäbel und Klauen«, rief er. »Aber sie müssen nah herankommen, um sie benutzen zu können. Wir haben Pfeile und Flugbolzen. Wir werden sie töten, bevor sie uns erreichen.«

Er wusste nicht, ob seine Worte irgendeine Wirkung hatten. Vielleicht waren die Züge seiner Gefährten jetzt eine Spur weniger furchtsam und ein klein wenig entschlossener. Die Vögel kreisten über ihren Herren und warteten darauf, dass die Schlacht begann. Die beiden Armeen näherten sich einander nur quälend langsam. Die pentadrianische Armee hatte inzwischen einen niedrigen Hügel am Rand eines Tals erreicht und dort Halt gemacht. Die Zirkler marschierten auf die gegenüberliegende Seite des Tals zu und blieben ebenfalls stehen.

Keine der beiden Armeen rührte sich.

Dann trat eine schwarz gekleidete Gestalt zwischen den Pentadrianern hervor. Das Sonnenlicht verfing sich auf etwas, das der Mann um den Hals trug. Tryss beobachtete die fünf weißen Gestalten, die vor der zirklischen Armee standen. Einer der Weißen machte einen Schritt nach vorn.

Auf dem Grund des Tals trafen die beiden Gegner zusammen.

Wie sehr ich mir wünschte, ich könnte dieses Gespräch mit anhören, dachte Tryss. Bieten sie einander die Chance, sich zurückzuziehen? Werfen sie mit Drohungen um sich, oder prahlen sie wie Kinder mit ihrer Stärke? Bei diesem Krieg ging es um Religion, rief er sich ins Gedächtnis. Vielleicht führen sie eine theologische Debatte. Er stellte sich vor, wie ein solches Gespräch aussehen könnte.

»Meine Götter sind real.«

»Nein, das sind sie nicht; nur meine Götter existieren wirklich.«

»Deine Götter sind nicht real.« »Sind sie doch!«

Er unterdrückte ein Lachen. Ich sollte mich nicht darüber lustig machen. Dies hier ist todernst. Viele Menschen werden sterben.

Bei diesem Gedanken verflog alle Heiterkeit. Als die beiden Kontrahenten kurz darauf auseinandergingen, krampfte sich Tryss’ Magen abermals zusammen. Er beobachtete, wie sie zu ihren Armeen zurückkehrten.

Dann erklang das ferne Geräusch von Hörnern. Die pentadrianische Armee setzte sich in Bewegung, und die Zirkler folgten ihrem Beispiel.

Als das Tosen ihrer Stimmen Tryss erreichte, durchschnitt Sirris Pfiff die Luft. Es war an der Zeit, dass die Siyee sich ebenfalls in die Schlacht stürzten.

Die beiden Armeen waren noch nicht aufeinandergetroffen, aber die Luft über dem Tal glühte und wogte unter magischen Angriffen, die von Schilden abgewehrt wurden. Seltsam schrille Geräusche drangen an seine Ohren, und immer wieder erklang ein Dröhnen, das die Luft erbeben ließ.

Dort unten muss ohrenbetäubender Lärm herrschen, ging es ihm durch den Kopf. Die schwarze Wolke, die über der pentadrianischen Armee aufstieg, zersplitterte und schnellte empor. Ein Teil der Wolke schoss auf Tryss zu. In diesem Moment existierte nichts anderes mehr für ihn als die schwarzen Vögel, die sich mit hohem Tempo näherten. Er pfiff einige Befehle, mit denen er seine Truppe direkt auf die schwarzen Vögel zuführte, dann legte er die Finger entschlossen um die Hebel seines Geschirrs.

»Greift an!«

Die Feder seines Geschirrs sang. Er hörte das Sirren weiterer Geschirre, dann hüllte ein Schwärm von Pfeilen die schwarzen Vögel ein. Tryss jubelte, als die Geschöpfe krei sehend zu Boden stürzten. Er gab das Signal, beizudrehen, während seine Leute in lautes Triumphgeschrei ausbrachen und sich einige Flugkapriolen gönnten. Dann hörte er einen schrillen Schmerzensschrei, und sein Herz krampfte sich zusammen. Als er herumfuhr, sah er, dass einige der Vögel überlebt hatten und sich an die Beine einer Siyee klammerten. Das Gewicht der Tiere zog sie hinab.