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Er hatte inzwischen gelernt, an der Haltung und den Bewegungen der Landgeher abzulesen, was sie im Schilde führten. Die bleichen Gesichter der Pentadrianer waren vor dem Hintergrund ihrer schwarzen Roben leicht zu erkennen, vor allem, wenn sie aufblickten. Er zielte auf eine Gruppe, deren ganze Aufmerksamkeit der schwarzen Zauberin galt.

Plötzlich wandten sich alle Gesichter gleichzeitig Tryss zu. Er bemerkte, dass etliche von ihnen Bögen hielten, und pfiff seinen Gefährten eine Warnung zu, während er bereits nach links auswich. Die Pfeile kamen ihm beängstigend nahe. Etwas kratzte über sein Kinn. Mit hämmerndem Herzen schoss er davon.

Also haben sie inzwischen gelernt, nach uns Ausschau zu halten, dachte er. Und so zu tun, als bemerkten sie uns nicht, bis wir nahe genug herangekommen sind. Raffiniert.

Er blickte hinab und erschrak, als ihm bewusst wurde, wie tief er flog. Glücklicherweise wandten die Männer und Frauen unter ihm ihm den Rücken zu. Ihre Aufmerksamkeit galt etwas, das sich vor ihnen befand. Er sah auf und spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte.

Die schwarze Zauberin. Er würde gleich über sie hinwegfliegen – in die magische Schlacht hinein. Er machte eine ruckartige Kehrtwendung und schaffte es mit verzweifeltem Flügelschlagen, sich von dem Schauplatz zu entfernen und wieder etwas an Höhe zu gewinnen.

Erst da wurde ihm bewusst, dass er allein war.

Während er sich umsah, vergaß er die Bogenschützen am Boden. Wo war seine Truppe? Waren sie in die andere Richtung geflogen, um den Bogenschützen auszuweichen? Oder hatten sie... waren sie... ?

Unter sich sah er zerschmetterte, geflügelte Leiber am Boden liegen. Alle bis auf einen regten sich nicht mehr. Tyssi versuchte sich davonzuschleppen, um sich vor den herannahenden Pentadrianern in Sicherheit zu bringen. In einem ihrer Oberschenkel steckte ein Pfeil.

Dann hatten mehrere Männer sie erreicht und begannen, mit den Füßen auf sie einzutreten.

Heißer Zorn loderte in Tryss auf. Ungeachtet jedweder Gefahr flog er direkt auf ihre Angreifer zu. Er konzentrierte sich auf den Rücken der Pentadrianer. Sobald er in Schussweite war, feuerte er zwei Pfeile ab. Zwei der Pentadrianer fielen. Tryss sah, wie die anderen Männer sich zu ihm umdrehten und davonstoben. Als er über seine Schulter zurückblickte, lag Tyssi reglos da, und aus einer Wunde über ihrem Herzen quoll Blut. Tränen stiegen ihm in die Augen und raubten ihm beinahe die Sicht. Er blinzelte dagegen an, wandte sich wieder nach vorn und stellte fest, dass er abermals auf die schwarze Zauberin zuflog.

Er wollte gerade beidrehen, hielt dann jedoch inne.

Noch während er zielte, wusste er, dass sein Tun absolut sinnlos war. Er gönnte sich keine Zeit zum Nachdenken. Die Pfeile flogen aus seinem Geschirr durch die Luft; er hatte erwartet, dass sie von einem magischen Schild abprallen würden.

Stattdessen gruben sie sich in den Rücken der schwarzen Zauberin.

An die Stelle von ungläubigem Staunen trat sehr schnell Jubel. Als die Frau vorwärtstaumelte, stieß Tryss einen lauten Triumphschrei aus. Dann entfernte er sich kreisend und blickte zurück. Sie hatte sich umgedreht und starrte ihn an. Noch während ihre Hand sich bewegte, krampfte sein Magen sich zusammen, als er begriff. Etwas traf ihn mit voller Wucht, so dass alle Luft aus seiner Lunge wich. Die Welt schoss an ihm vorbei, schneller, als er je zuvor geflogen war, dann traf ihn etwas anderes im Rücken. Der Boden. Er hörte einen dumpfen Aufprall, und der Schmerz, der seinen Körper zerriss, raubte ihm beinahe die Besinnung.

Was habe ich gerade getan?, dachte er, während er keuchend dalag. Etwas wirklich, wirklich Dummes, beantwortete er seine eigene Frage. Aber ich habe sie getötet. Ich habe die schwarze Zauberin vergiftet. Jetzt werden wir siegen. Das muss ich sehen. Er öffnete die Augen. Als er jedoch den Kopf hob, zuckten Blitze des Schmerzes seinen Rücken hinab, und was er sah, verursachte ihm Übelkeit. Seine Beine waren an Stellen verbogen, an denen sie es nicht hätten sein dürfen.

Das müsste eigentlich wehtun, dachte er. Aber ich spüre überhaupt nichts. Nichts unterhalb meiner Taille. Er wusste, dass er schwer verletzt war – dass er wahrscheinlich sterben würde -, trotzdem konnte er es nicht recht glauben. Schwarz gewandete Männer und Frauen ragten über ihm auf. Sie wirkten wütend.

Er lächelte. Ich habe eure Anführerin getötet.

Einer der schwarzen Zauberer sagte etwas, ein anderer zuckte die Achseln und nickte. Dann gingen sie davon.

Tryss biss die Zähne zusammen und hob abermals den Kopf. Zwischen den schwarzen Roben der Pentadrianer hindurch konnte er die Zauberin sehen. Plötzlich streckte sie die Hand aus und zog erst einen Pfeil aus ihrem Körper, dann den nächsten, bevor sie beide beiseitewarf.

Das Gift müsste mittlerweile schon wirken.

Stattdessen wandte sie sich um und kehrte in die Schlacht zurück.

Wenn er seinen Kiefer hätte bewegen können, hätte er geflucht. So wie die Dinge lagen, konnte er nur die Augen schließen und den Kopf sinken lassen. Drilli wird so wütend auf mich sein.

Und dann ließ er sich von der Dunkelheit umfangen.

Im Laufe des Tages hatten die Weißen sich langsam der Mitte des Tals genähert, immer auf der Suche nach einer frischen Magiequelle. Auch die schwarzen Zauberer waren Schritt um Schritt vorgerückt. Die Armeen zwischen ihnen wurden immer kleiner. Auraya konnte jetzt die Gesichter ihrer Gegner sehen. Um auf sie zuzugehen, musste sie jedoch über tote und verletzte Männer und Frauen steigen. Die Verbindung zu den anderen Weißen half ihr, sich auf den Kampf zu konzentrieren, aber sie spürte eine wachsende Anspannung in den Gedanken ihrer Gefährten. Sie hatte Angst davor, dass die Verbindung abreißen könnte, so dass sie nicht länger vor der trostlosen, schrecklichen Realität der Schlacht geschützt sein würde.

Vielleicht würde sie diesen Zustand nicht lange ertragen müssen. Sie wusste, dass die zirklische Armee verlor. Sie wusste, dass die Worns zu viele Priester und Priesterinnen getötet hatten und dass dies vielleicht endgültig die Waage zugunsten der Pentadrianer senken würde. Außerdem war ihr bewusst, dass zu viele Siyee ihr Leben gelassen hatten...

Jurans Enttäuschung war für sie alle fühlbar. Er klammerte sich an die Hoffnung, dass der Feind einen Fehler machen würde. Eine einzige Fehlentscheidung, die sie ausnutzen konnten.

Als es geschah, kam es von einer so unerwarteten Quelle, dass sie es zuerst nicht bemerkten.

Die mächtigere der beiden Zauberinnen geriet ins Wanken. Juran reagierte sofort und griff den schwächeren der pentadrianischen Zauberer an, in der Hoffnung, dass seine Gefährten ihn nicht rechtzeitig beschirmen würden. Der Mann schützte sich, was jedoch bedeutete, dass er nicht gleichzeitig seine Leute verteidigen konnte. Als die Feinde fielen, frohlockte Auraya innerlich.

Dann regnete es Leichen vom Himmel.

Sie sog entsetzt die Luft ein. Die Pentadrianer hatten ihre eigenen Soldaten geopfert, um genug Magie für einen Schlag gegen die Siyee aufbringen zu können. Aber warum die Siyee? Sie stellten inzwischen nur noch eine geringe Bedrohung dar.

Sie bemerkte, dass der Anführer der Pentadrianer emporsah. Er dirigierte die Angriffe. Als er ihren Blick auffing, grinste er hämisch, und Hass regte sich in Auraya.

Er glaubt immer noch, dass Auraya sich eine günstige Gelegenheit zum Angriff entgehen lassen wird, um die Siyee zu schützen, sagte Juran. Ich werde sie schützen, Auraya. Kämpfe du gegen den Anführer.

Sie knirschte mit den Zähnen und zog schneller als je zuvor Magie in sich hinein. Die Magie wogte ihr entgegen, klar und machtvoll. Sie konnte sie um sich herum spüren, konnte spüren, wie sie auf ihren Willen und ihren Zorn reagierte und sich in ihr ansammelte und zusammenballte. Überwältigt von einem neuen Gefühl von Bewusstheit, schloss sie die Augen. Die Zeit hielt inne.