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Jetzt, Auraya!

Jurans Ruf holte sie mit Macht in die Welt der Dinge zurück. Sie öffnete die Augen und schleuderte dem Anführer der Pentadrianer die geballte Wucht ihrer Magie entgegen. Alle Selbstgefälligkeit wich aus den Zügen des Pentadrianers. Seine Abwehr geriet ins Wanken, und er stürzte rückwärts zu Boden und riss die Männer und Frauen hinter sich mit.

Auraya wartete darauf, dass er sich wieder erhob. Wartete auf Jurans nächsten Befehl. Langsam wurde ihr die Überraschung der anderen Weißen bewusst und die verringerte Kraft des Feindes. Etliche Pentadrianer umringten jetzt ihren Anführer. Ein Schrei zerriss die Luft.

Sie sagen, er sei tot, rief Dyara. Kuar ist tot!

Auraya starrte ihre Gefährtin an.

Das ist unmöglich. Er muss bewusstlos sein. Sie müssen sich irren, wenn sie glauben, er sei tot.

Er versucht, uns mit einer List dazu zu bringen, in unserer Wachsamkeit nachzulassen.

Nein, Auraya, sagte Rian. Ich bezweifle, dass irgendjemand diesen Angriff hätte überleben können.

Aber...

Er hat den Fehler gemacht, auf den wir gehofft hatten, erklärte Juran triumphierend. Er hat nicht mit einem derart mächtigen Angriff gerechnet und es versäumt, seine gesamte Stärke in seine Verteidigung fließen zu lassen. Vielleicht hat er jemand anderen geschützt. Jemanden, von dem wir nichts wissen.

Wir haben gesiegt!, jubelte Mairae, doch ihr Lächeln verblasste schon bald. Was tun wir jetzt?

Wir töten sie, antwortete Rian. Wenn wir es nicht tun, werden sie immer eine Gefahr für uns darstellen.

Rian hat recht, erklärte Juran. Wir haben keine andere Wahl. Wir brauchen nur die Anführer zu töten. Die anderen können wir getrost am Leben lassen...

Sofern sie kapitulieren, fügte Dyara hinzu.

Auraya spürte, wie Juran und die anderen Magie sammelten. Sie tat das Gleiche.

Nein!

Die Stimme donnerte durch Aurayas Gedanken. Sie erschrak so heftig, dass sie um ein Haar ihren Schutzschild hätte sinken lassen.

Chaia!, rief Juran.

Ja, ich bin es. Tötet die Anführerdes Feindes nicht. Wenn ihr es tut, werden andere ihren Platz einnehmen. Diese Leute kennt ihr jetzt. Ihr wisst, wie sie kämpfen. Ihr wisst, dass ihr ihnen überlegen seid. Lasst sie ziehen.

Das werden wir, erwiderte Juran. Auraya konnte Erleichterung und Verwirrung bei ihm wahrnehmen. Als die Aura des Gottes verblasste, wandte sich Juran wieder den feindlichen Zauberern zu. Die vier Pentadrianer standen mit regloser Miene da, versuchten aber nicht länger, sie anzugreifen.

Wir werden ihnen entgegengehen, beschloss Juran.

Als sie sich durch die Soldaten ihrer Armee hindurchbewegten, breitete sich langsam Stille auf dem Schlachtfeld aus. Die Kämpfe brachen ab, und die beiden Parteien zogen sich voneinander zurück. Die vier pentadrianischen Zauberer rückten näher zusammen. Dann nahm Auraya ein neues Geräusch wahr. Es waren laute Schreie. Sie sah sich um, erfüllt von der Furcht, der Kampf könnte von neuem begonnen haben.

Es dauerte einige Augenblicke, bis sie begriff, dass die Zirkler in lauten Jubel ausgebrochen waren.

47

Als die beiden Armeen zu kämpfen aufhörten und sich auf gegenüberliegende Seiten des Tals zurückzogen, stieß Emerahl einen langen Seufzer aus.

Ich wusste, dass es zu schön war, um wahr zu sein, ging es ihr durch den Kopf. Für eine Weile habe ich tatsächlich geglaubt, diese Pentadrianer würden mein Problem mit den Zirklern für mich lösen.

Aber die Götter würden es den Heiden niemals gestatten, ihre Anhänger auszulöschen. Zweifellos waren sie auf irgendeine Weise eingeschritten, um den Sieg der Weißen zu sichern.

Warum sie allerdings bis zum Ende des Tages damit gewartet hatten, war ein Rätsel. Die tief am Himmel stehende Sonne tauchte das Tal in ein sanftes Licht, das sich auf Waffen und Schilden brach und die weißen Roben mit einem goldenen Schimmer überhauchte. Die meisten dieser Roben waren auf dem Boden zu sehen und gehörten den Toten, Sterbenden und Verletzten.

Schon bald würden die Traumweber mit ihrer Arbeit beginnen.

Emerahl konnte eine wachsende Anspannung unter den Menschen um sich herum spüren. Sie warteten auf den Abzug der beiden Armeen. Sie hatte noch nie erlebt, dass Traumweber so zögerlich oder so ängstlich waren. Aber vermutlich hatten die Netzerinnerungen ihrer Vorgänger sie Vorsicht gelehrt.

Nach ihrem Aufbruch von der Karawane des Bordells war sie einige Stunden die Straße in Richtung Toren entlanggegangen, bevor sie sich auf den Weg quer durch die Ebenen gemacht hatte. Auch wenn Rozea beschloss, den Verlust ihrer Favoritin für sich zu behalten, würden sich die Geschichten von der Hure, die sich als Zauberin erwiesen hatte, verbreiten, und jeder, der sie einem anderen erzählte, würde noch zusätzliche Einzelheiten hinzuerfinden. Falls ein zirklischer Priester auf die Idee kommen sollte, der Sache auf den Grund zu gehen, sollte er glauben, Emerahl sei auf dem Weg zurück nach Toren. Niemand würde erwarten, dass sie der Armee auch weiterhin folgen würde. Zumindest hoffte sie, dass die Zirkler so denken würden. Sie besah sich die ängstlichen Menschen in der Nähe und lächelte. Sie wussten nicht, was sie von ihr halten sollten. Sie war eine junge, schlicht gekleidete Frau, die allein am Rand eines Schlachtfelds umherwanderte – zu hübsch, um eine der Huren zu sein, die ohne Schutz der Armee folgten. Als sie ihnen erklärt hatte, dass sie die Quelle des Turmtraums suche, von dem sie glaubte, er sei eine Netzerinnerung an Mirars Tod, hatten die beiden Männer, die die Gruppe anführten, sich zu einem langen Gespräch zurückgezogen.

»Unter uns ist jemand, der der Träumer sein könnte, nach dem du suchst«, hatten sie ihr schließlich offenbart. »Er hat viele Netzerinnerungen von Mirar. Wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind, werden wir dich zu ihm bringen.«

Also hatte sie mit ihnen gewartet und das Ende der größten Schlacht mit angesehen, die jemals auf nordithanischem Boden getobt hatte. Es war schwer, sich diese Chance entgehen zu lassen. Sie hatte einen so großen Teil ihres Lebens darauf verwandt, Konflikte zu vermeiden, dass sie kaum jemals Ereignisse miterlebt hatte, aus denen einmal Legenden werden würden.

Jetzt habe ich etwas, das ich an Essenstischen und Lagerfeuern erzählen kann, und mein Publikum wird noch in Jahrtausenden von meinen Berichten beeindruckt sein, dachte sie ironisch.

Im Tal unter ihr entfernten sich die Weißen langsam von den schwarzen Zauberern. Der Leichnam des pentadrianischen Anführers wurde weggetragen.

»Sie erlauben ihnen zu kapitulieren«, sagte einer der Traumweber mit unüberhörbarer Überraschung.

»Vielleicht ist selbst ihnen klar, dass für heute genug Blut vergossen wurde.«

»Ich bezweifle es.«

Emerahl war geneigt, dem Mann, der als Letzter gesprochen hatte, recht zu geben, aber sie enthielt sich jeder Bemerkung. Viele der zirklischen Kämpfer und Priester und Priesterinnen waren im Tal zurückgeblieben und wanderten jetzt zwischen den Toten und Sterbenden umher. Das Gleiche taten einige der Pentadrianer.

»Es wird Zeit«, sagte der Anführer der Traumweber.

Emerahl spürte, wie die Spannung mit einem Mal nachließ und Entschlossenheit an ihre Stelle trat. Ausgerüstet mit ihren Medizinbeuteln, gingen die Traumweber ins Tal hinunter, gefolgt von Schülern, die schwere Säcke mit Verbandszeug und Wasserschläuche trugen.