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Sie konnte sich ihnen nicht anschließen. Dort unten waren noch immer Priester und Priesterinnen beschäftigt. Wenn sie als einzige Heilerin, die weder ein Traumweberwams noch einen Zirk trug, zwischen den Verwundeten umherstreifte, würde sie Aufmerksamkeit erregen.

Dann muss ich mit den anderen verschmelzen. Ich brauche Traumweberroben...

Sie drehte sich zu den Tarns um; dort müssten zusätzliche Kleidungsstücke zu finden sein. Gewiss würde es den Traumwebern nichts ausmachen, wenn sie sich etwas zum Anziehen borgte?

Sie stand auf und ging zurück zum Lager der Traumweber.

Priester Tauken trat über einen geköpften Leichnam und blieb stehen. Nur wenige Schritte entfernt lag ein junger Soldat, der sich die Arme fest um den Leib geschlungen hatte. Er konnte den Mann um Atem ringen hören. Tauken trat neben ihn und ging in die Hocke. Der junge Mann blickte zu ihm auf, die Augen groß vor Hoffnung.

»Hilf mir«, stieß er hervor.

»Lass dich ansehen«, erwiderte Tauken.

Der junge Mann nahm widerstrebend die Arme beiseite. Die Bewegung bereitete ihm offenkundig Schmerzen, aber das Einzige, was er über die Lippen brachte, war ein schwaches Wimmern.

Der Soldat trug einen eisernen Brustpanzer, aber nicht einmal der konnte den Schlag eines guten Schwertes abwehren. Aus einem großen Schlitz in dem Panzer quoll Blut.

»Wir müssen dich zunächst einmal aus diesem Ding herausholen.«

Der Soldat gestattete ihm, die Rüstung zu entfernen, obwohl sein Blick inzwischen glasig war. Tauken riss die Kleider rund um die Wunde auf und beugte sich über den Mann. Er konnte ein leises, saugendes Geräusch hören, das dem Rhythmus des Atems des Verletzten folgte. Seine Hoffnung schwand. Diesen Mann würden sie nicht retten können.

Als er wieder aufstand, sahen ihn die beiden Lagerdiener, die ihm zur Hand gehen sollten, erwartungsvoll an. Er erwiderte ihren Blick und machte eine knappe Handbewegung zum Zeichen, dass sie nicht bleiben würden. Die Diener nickten und wandten sich ab, dann leuchtete plötzlich neue Hoffnung in ihren Augen.

Tauken drehte sich um, um herauszufinden, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Eine Traumweberin stand in der Nähe und beobachtete ihn. Ihrem Aussehen nach musste sie eine Somreyanerin sein. »Bist du fertig?«, fragte sie. Juran hatte verfügt, dass die Soldaten an diesem Tag die Dienste der Traumweber ungestraft in Anspruch nehmen durften. Tauken öffnete den Mund, dann zögerte er. Wenn er die Frage der Frau laut bejahte, würde er dem sterbenden Soldaten damit sagen, dass es um ihn geschehen war. Also nickte er nur stumm.

Die Traumweberin trat vor und blickte auf den Mann hinab. »Eine Brustverletzung. Seine Lunge ist durchstoßen worden.«

Während die Traumweberin sich vor dem Soldaten auf die Knie niederließ, wandte Tauken sich ab. Er ging einige Schritte, blieb jedoch jäh stehen, als die Frau einen durchdringenden Pfiff ausstieß. Er drehte sich um und sah einen jüngeren Traumweber zu ihr hinübereilen. Sie nahm ihm einige Verbände und eine kleine Schale ab, die er mit Wasser aus einem Krug füllte. Als der Junge wieder davoneilte, um auf einen weiteren Pfiff zu reagieren, holte die Traumweberin einen kleinen Krug aus ihrem Wams und kippte ein wenig Pulver daraus in das Wasser.

Tauken wusste, dass er sich zurückziehen sollte, aber seine Neugier gewann die Oberhand. Mit flinken, geschickten Bewegungen wusch die Traumweberin die Wunde aus, dann legte sie das blutverschmierte Tuch beiseite und hielt inne. Tauken sah, wie ihre Schultern sich hoben und senkten, während sie ein- und ausatmete, dann legte sie eine Hand auf die Wunde und schloss die Augen.

Irgendetwas stimmte da nicht. Aber erst, als er sah, wie die Traumweberin ihre Magie benutzte, wurde Tauken klar, was es war.

»Du hast nicht gefragt, ob er deine Hilfe überhaupt will«, sagte er.

Sie runzelte die Stirn, öffnete die Augen und drehte sich zu ihm um. »Er ist bewusstlos.«

»Also kann er kaum für sich entscheiden.«

»Dann musst du für ihn entscheiden«, sagte sie gelassen.

Er starrte sie an. Früher einmal hätte er sie weggeschickt. Für den jungen Soldaten war es besser zu sterben, als seine Seele aufs Spiel zu setzen, indem er sich von einer Traumweberin heilen ließ. Aber andererseits wusste Tauken, dass er selbst, wäre er an der Stelle des jungen Mannes gewesen, hätte leben wollen. Wenn Juran das Verbot für einen Tag aufheben konnte, dann mussten die Götter beabsichtigen, jenen, die die Dienste von Traumwebern in Anspruch nahmen, zu verzeihen.

Wer bin ich, diesem Mann das Leben zu verwehren? Wenn ein Mensch die Hilfe eines Traumwebers in Anspruch nimmt, wird er noch lange nicht zu einem der ihren. Und wir könnten eine Menge von ihnen lernen.

Er hoffte nur, dass der junge Mann seiner Meinung war.

»Heile ihn«, sagte er. Dann winkte er seine Helfer herbei und ging weiter.

»Verzeiht mir, ihr Götter«, murmelte er vor sich hin.

Das Lager der Zirkler wurde von tausend Fackeln erhellt. Es hätte ein fröhliches Bild sein sollen, aber diese Lichter enthüllten schreckliche Dinge.

Gegen Ende der Schlacht hatten die Worns das Lager angegriffen und schutzlose Diener und Tiere getötet. Auraya konnte sehen, dass die Überlebenden bei den Aufräumarbeiten ihr Bestes gaben. Einige trugen Leichen fort, andere kümmerten sich um die Verletzten. Die Reyna, die ihre Reiter verloren hatten, waren eingefangen worden und wurden jetzt benutzt, um Tote zum Rand des Lagers zu tragen. Während sie all das beobachtete, wünschte Auraya beinahe, sie und die anderen Weißen hätten den Pentadrianern den Garaus gemacht.

Aber die Götter hatten recht, sie leben zu lassen. Ich mag kein unnötiges Gemetzel. Ich mag auch kein notwendiges Gemetzel, aber wer einen besiegten Feind tötet, begeht im Grunde einen kaltblütigen Mord.

Sie hatten die Welt von den schwarzen Zauberern befreien wollen. Jetzt, nachdem sie ein wenig nachgedacht hatte, begriff sie, welche Konsequenzen das hätte haben können. Die Schlacht hätte sich noch weiter in die Länge ziehen können, und dann wären noch mehr Menschen gestorben.

Andererseits war ihr klargeworden, dass sie ihre Entscheidung, die vier schwarzen Zauberer auf den südlichen Kontinent zurückkehren zu lassen, in Zukunft vielleicht noch bereuen würden. Wenn der pentadrianische Anführer durch einen ebenso mächtigen Zauberer ersetzt wurde, drohte Nordithania vielleicht eine weitere Invasion. Allerdings war es sehr ungewöhnlich, dass während des vergangenen Jahrhunderts fünf mächtige Zauberer geboren worden waren. Es war unwahrscheinlich, dass innerhalb der nächsten Zeit ein weiterer auftauchen würde.

Die Leute aus dem Süden werden es sich gründlich überlegen, bevor sie uns ein zweites Mal angreifen, sagte sich Auraya. Sie dachte an die leuchtende Gestalt, die sie gesehen hatte, nachdem die Pentadrianer die Minen verlassen hatten. Ob es eine Illusion oder ein neuer Gott gewesen war, er hatte ihren Feinden jedenfalls nicht zum Sieg verholten.

Auch das wird sie zögern lassen, falls sie erwägen sollten, einen weiteren Eroberungsversuch zu unternehmen.

Während unsere Götter Nordithania durch uns erfolgreich geschützt haben. Sie lächelte, doch ihr Lächeln verblasste sogleich wieder. Seit dem Tod des pentadrianischen Anführers hatte sie das Geschehene im Geist wieder und wieder durchgespielt. Nicht um sich daran zu erfreuen, dass sie den tödlichen Schlag geführt hatte, sondern um zu begreifen, was passiert war.

Sie erinnerte sich sehr deutlich an ein neues Bewusstsein von Magie, das sie erfüllt hatte. Sie hatte es spüren können. Wenn sie sich konzentrierte, konnte sie sich in diesen Bewusstseinszustand zurückversetzen. Irgendwie hatte sie die Fähigkeit gewonnen, mehr Magie zu benutzen, als sie es je zuvor vermocht hatte.

Die anderen Weißen waren von der Stärke ihres Angriffs überrascht gewesen. Von Zeit zu Zeit ertappte sie Juran dabei, wie er sie verwundert musterte. Vielleicht hatte sie schneller als erwartet gelernt, ihre Gaben zu nutzen. Aber die anderen Weißen waren auch nicht gezwungen gewesen, ihre Fähigkeit in einem Krieg unter Beweis zu stellen. Vielleicht überraschte es Juran auch nur, dass sie es gewesen war, die den entscheidenden Schlag geführt hatte, und nicht er. Falls es so war, hegte er deswegen keinen Groll gegen sie, sondern schien vielmehr erfreut zu sein. Sie betrachtete seine Anerkennung mit einem Anflug von Argwohn und fragte sich, ob ihre Leistung ihn dazu veranlassen würde, ihr ihre Affäre mit Leiard zu verzeihen.