Выбрать главу

Dann waren die leuchtenden Gestalten ebenso plötzlich verschwunden, wie sie gekommen waren.

Juran seufzte und durchbrach den Kreis, indem er zu Dyara hinüberging. »Lasst uns hoffen, dass sie nichts finden werden.«

»Ja«, pflichtete Dyara ihm bei. »Andererseits – wenn die Pentadrianer tatsächlich realen Göttern folgen, dürften sie zurzeit ein wenig unzufrieden mit ihnen sein. Sie haben verloren.«

»Hmmm«, murmelte Juran. »Werden sie auch ein weiteres Mal verlieren?«

»Natürlich werden sie das«, sagte Mairae leichthin. Als die anderen sich zu ihr umwandten, lächelte sie. »Wir haben schließlich Auraya.«

Auraya seufzte. »Würdest du bitte aufhören, immer wieder davon zu sprechen, Mairae? Ich habe nichts Außergewöhnliches getan. Die Pentadrianer haben einen Fehler gemacht, das ist alles.«

Mairae grinste. »Der Feind wird mit Geschichten über die wilde, fliegende Priesterin zurückkehren, die ihren Anführer getötet hat.«

»Ich bin während der Schlacht nicht geflogen.«

»Das dürfte kaum eine Rolle spielen. Stell dir nur vor, was für ein Abschreckungsmittel das sein wird, falls sie einen neuen Angriff planen. Dein Name wird über Generationen hinweg benutzt werden, um Kindern Angst zu machen, damit sie ihren Eltern gehorchen.«

»Wie schön«, bemerkte Auraya trocken.

»Wenn ich nicht bald mein Frühstück bekomme, werdet ihr herausfinden, was für eine wilde Priesterin ich sein kann«, knurrte Dyara. Juran warf Dyara einen erheiterten Blick zu. »Das muss um jeden Preis vermieden werden. Also los. Lasst uns nach Hause gehen.«

Die Traumweberroben, die Emerahl gestohlen hatte, waren ein wenig zu groß für sie, aber sie hatten ihr einen hinreichenden Schutz vor unliebsamer Aufmerksamkeit geboten, während sie sich um die Verletzten gekümmert hatte. Sie hatte sich auf der Seite der Pentadrianer gehalten, wodurch sich die Zahl der Zirkler, die sie behandeln musste, auf ein Minimum beschränkt hatte. Von den Weißen hatte sie seit Stunden nichts mehr gesehen. Wahrscheinlich erörterten sie mit ihren Verbündeten die Schlacht. Sie hatte keinen Medizinbeutel bei sich, kam aber allein mit der Benutzung von Magie sehr gut zurecht. Es war eine befriedigende Arbeit. Sie hatte seit langem nicht mehr die Möglichkeit gehabt, ihre Gaben auf diese Weise einzusetzen. Kurz bevor der Morgen dämmerte, war sie zu dem Schluss gekommen, es sei Zeit zu gehen, aber am Rand des Schlachtfelds hatte sie einen Siyee gefunden, der sich noch immer an das Leben klammerte, und sie war geblieben, um ihm zu helfen.

Als sie fertig war, war die Sonne aufgegangen, und zartes Licht erfüllte das Tal. Eigentlich hatte sie das Schlachtfeld verlassen wollen, solange es noch dunkel war, aber es würde wahrscheinlich niemandem weiter auffallen, wenn sie jetzt fortging. Sie sah sich um. In ihrer Nähe stand nur ein einziger Traumweber, und dieser wandte ihr den Rücken zu und blickte zum Himmel auf. Sie runzelte die Stirn. Irgendetwas an dem Mann kam ihr vertraut vor. Vielleicht war er einer der Traumweber aus der Gruppe, der sie begegnet war.

Dann drang eine Stimme an ihr Ohr, leise und angespannt. Sie ging näher an den Mann heran, und ein Schauer überlief sie.

Ich kenne diese Stimme.

Aber sie konnte unmöglich dem Mann gehören, den sie gekannt hatte. Und was sagte er eigentlich? Sie stieg über einen Leichnam und schlich sich näher heran.

»... muss gehen. Nein. Sie kann helfen. Nein. Sie wird alles nur noch schlimmer machen. Ich kann nicht...«

Die Stimme klang abwechselnd hoch und tief, schwach und kraftvoll, fremd und vertraut. Der Mann zürnte mit sich selbst wie ein Wahnsinniger. Als er sich in ihre Richtung wandte, sog sie scharf die Luft ein.

»Mirar!«

Es war unmöglich. Er war tot. Aber als sie seinen Namen sagte, klärte sich sein Blick, und sie sah Erkennen in seinen Augen aufschimmern.

»Emerahl?«

»Du bist... du bist...«

»Lebendig? In gewisser Weise.« Er zuckte die Achseln, dann sah er sie plötzlich scharf an. »Was machst du hier?« Sie lächelte schief. »Das ist eine lange Geschichte.« »Wirst du... kannst du mir helfen?« »Natürlich. Was brauchst du?«

»Ich brauche dich, damit du mich von hier fortbringst. Ganz gleich, in wen ich mich verwandle. Ganz gleich, wie sehr ich protestiere. Wenn nötig, nimm all deine Magie zu Hilfe.«

Sie starrte ihn an. »Warum sollte ich das tun müssen?« Er verzog das Gesicht. »Das ist eine lange Geschichte.« Sie nickte, dann trat sie direkt vor ihn hin. Er war alt gewor den. Sie hatte ihn noch nie so dünn und so verrunzelt gesehen. Sein Haar war so hell, dass es beinahe weiß wirkte, und an der ungebräunten Haut an seinem Kinn erkannte sie, dass er sich erst vor kurzem von seinem Bart getrennt hatte. Wären da nicht die kleinen Gesten gewesen, die ihr früher einmal so vertraut gewesen waren, hätte sie ihn vielleicht überhaupt nicht erkannt. Doch hier war er, verändert, aber lebendig. Über die Unmöglichkeit dieses Geschehens würde sie später nachgrübeln.

Sie griff nach seinem Arm und führte ihn davon.

Epilog

Auraya ging über das Schlachtfeld.

Überall um sie herum lagen verstümmelte Leiber. Die bleichen, leeren Augen der Toten erfüllten sie mit Grauen. Sie fürchtete sich davor, in diese Augen zu blicken, aber sie konnte nicht anders – sie musste es tun. Blaue Lippen öffneten sich, und heisere Stimmen flehten um Leben. Sie riss sich von dem furchtbaren Bild los, nur um die Anklagen einer anderen Leiche hören zu müssen.

»Es ist deine Schuld, dass ich tot bin.«

Sie eilte davon, aber das Meer von Leichen war endlos. Sie lagen übereinandergestapelt auf dem Boden, und Auraya musste über sie hinwegsteigen. Sie versuchten, sie an den Knöcheln festzuhalten.

»Wir mussten kämpfen! Wir mussten es tun!«, beteuerte sie. »Das wisst ihr!«

In einiger Entfernung konnte sie ein Licht sehen. Plötzlich stand sie unmittelbar davor. Jemand hatte zwischen die Leichen einen Tisch und zwei Hocker gestellt. Auf dem Tisch stand ein Dame-Spiel – eine bereits begonnene Partie. Das Spiel war wunderschön und aus schwarzen und weißen Masersteinen gefertigt.

Die Leichen schwiegen jetzt. Auraya legte die letzten Schritte zurück und blickte auf das Brett hinab. Die beiden Seiten waren in einem Patt gefangen. Kein Wunder, dass die Spieler fortgegangen waren.

Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit. Ein Stich des Schmerzes durchzuckte Auraya, als sie den Mann erkannte.

Leiard.

Er sah sie forschend an, dann senkte er den Blick auf das Spielbrett.

»Was für einen interessanten Traum du da hast. Warum verspürst du das Bedürfnis, mich bei dir zu haben?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich will dich nicht hier haben.« »Du hast mich gerufen.« »Das habe ich nicht getan.« »Oh, doch.«

Sie funkelte ihn an. »Warum bist du dann gekommen? Ich dachte, du ziehst Huren vor.«

Er blinzelte überrascht. »Dann weißt du also davon?« »Ja.«

Er musterte sie nachdenklich. »Wahrscheinlich ist es gut so. Dann wirst du dich nicht versucht fühlen, nach mir Ausschau zu halten.«

Seine Worte kränkten sie. »Oh, diese Gefahr besteht wohl kaum mehr.«

»Es wird dir vielleicht schwerfallen, das zu glauben, aber ich wollte dir nicht wehtun. Meine Leute waren in Gefahr. Leiards Schwäche und seine Bescheidenheit sollten uns als Schutz dienen, nicht uns in Gefahr bringen.« Er blickte auf das Spielbrett hinab. »Es sind noch fünf weiße und fünf schwarze Steine übrig. Welche Seite möchtest du nehmen?«

Sie wandte sich ebenfalls dem Spielbrett zu. »Weiß natürlich.«

»Dann hast du gewonnen.«

Einer der Spielsteine hatte sich verändert. In die Figur war ein goldener Kreis eingemeißelt, und sie stellte einen Priester dar, so dass sie jetzt mehr Gewicht hatte als zuvor.

»Was ist passiert? Dort stand vorher eine andere Figur.«