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Er hielt inne und stieß einen Seufzer aus. Wenn seine Vettern ihm doch nur still gefolgt wären, statt anderen Siyee zu erzählen, was Tryss angeblich zuwege gebracht hatte. Dann wären nur sie und Drilli zugegen gewesen, als Tryss hatte feststellen müssen, dass das Yern fort war. Seit jenem Tag hatte sich die Geschichte von seiner wilden Behauptung überall im Offenen Dorf ausgebreitet. Er wurde ständig aufgezogen, manchmal sogar von Siyee, die er überhaupt nicht kannte.

Etwas stach ihn plötzlich in den Arm, und er zuckte zusammen. Die Darmsehne glitt ihm aus den Fingern und schnellte zurück. Fluchend untersuchte er seinen Arm. Ein kleiner, roter Punkt war erschienen. Hatte ihn etwas gestochen? Er sah sich um, konnte aber kein Insekt in der Nähe entdecken, das für einen solchen Stich hätte verantwortlich sein können.

Noch während er den Boden nach Kriechtieren absuchte, verspürte er abermals dieses seltsame Brennen, diesmal am Oberschenkel. Er blickte gerade rechtzeitig nach unten, um etwas Kleines, Rundes zu Boden fallen zu sehen. Als er sich vorbeugte, bemerkte er zwischen den Steinen auf dem Felshang einen Winnet-Samen. Winnet-Samen waren leuchtend grün und kaum übersehbar, vor allem da man sie so hoch in den Bergen nicht fand. Die kleinen Winnet-Bäume wuchsen an Bächen und Flüssen, nicht auf trockenen, steinigen Hängen.

Ein leises Klicken senkte seine Aufmerksamkeit gerade rechtzeitig wieder auf das Geschirr, um einen weiteren Samen von dem Rahmen auf die Steine fallen und wegrollen zu sehen. Langsam legte er seine Erfindung ab und stand auf, um sich umzuschauen. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr und spürte dann ein Brennen an der Schulter. Er fuhr herum und eilte auf einen großen Felsbrocken in der Nähe der Stelle zu, an der er die Bewegung bemerkt hatte.

Dann hörte er, dass von oben jemand seinen Namen pfiff.

Als er aufblickte, tat sein Herz einen Satz, denn er erkannte Drillis Flügelmarkierungen. Hastig suchte er den Himmel ab, konnte aber keine Spur von seinen Vettern entdecken. Als Drilli sich zu Boden sinken ließ, beschleunigte sich sein Pulsschlag.

Auf ihrem Gesicht lag ein breites Grinsen. »Tryss!«, rief sie. »Ich glaube, ich habe...«Ihr Blick wanderte zur Seite, und ihr Lächeln machte einem Ausdruck der Empörung Platz. Zur gleichen Zeit spürte er ein weiteres Brennen, diesmal auf der Wange. Er fluchte vor Schmerz und legte eine Hand ans Gesicht.

»Idioten!«, kreischte Drilli. Tryss beobachtete mit angehaltenem Atem, wie sie in den Sinkflug ging und neben dem Felsbrocken landete, den er hatte ansteuern wollen. Sie verschwand, und Tryss hörte ein Klatschen. Im nächsten Moment kam ein Siyee hinter dem Felsbrocken hervorgestolpert, die Arme erhoben, um seinen Kopf zu schützen, während Drilli wieder und wieder auf ihn eindrosch.

Ziss! Tryss hörte Gelächter hinter sich und drehte sich um. Trinn kam den Felsvorsprung heraufgeklettert. Drilli stürmte auf ihn zu und riss ihm etwas aus den Händen.

»Ich habe euch verboten, diese Dinger gegen Siyee einzusetzen!«, entrüstete sie sich.

»Was wäre, wenn ihr seine Flügel zerrissen hättet? Du dämlicher Girri-Kopf! Wenn ich gewusst hätte, dass du etwas Derartiges im Schilde führst, hätte ich sie nie für dich gemacht.«

»Wir hätten seine Flügel schon nicht getroffen«, verteidigte sich Trinn. »Wir haben nur geübt.«

»Woran habt ihr geübt?«, verlangte sie zu wissen.

Trynn zuckte die Achseln. »An Bäumen. Steinen.«

»Girri?«

Er wandte den Blick ab. »Nein.«

»Du warst das doch, nicht wahr? Und du hast beobachtet, dass ich die halbe Nacht darauf verwandt habe, Rohrschilfmatten zu weben, um Tante Lirri zu trösten. Sie glaubt, ihre Girri seien an Vernachlässigung gestorben.«

»Sie hätte sie am Ende doch ohnehin gegessen«, protestierte Ziss.

Drilli wirbelte herum und funkelte ihn wütend an. »Ihr zwei widert mich an. Verschwindet. Ich will euch nicht wiedersehen.«

Die beiden Vettern tauschten einen entsetzten Blick, obwohl klar war, dass Drillis Worte Ziss weniger bekümmerten als Trinn. Er zuckte die Achseln, wandte sich ab, rannte einige Schritte und sprang dann in den Himmel hinauf.

»Tut mir leid«, sagte Trinn. Als Drilli sich wütend zu ihm umwandte, zuckte er zusammen und folgte seinem Bruder.

Drilli sah den beiden nach, bis sie nur noch kleine, dunkle Flecken vor dem Hintergrund der fernen Wolken am Horizont waren, dann wandte sie sich Tryss zu und verzog das Gesicht.

»Ich möchte mich dafür entschuldigen«, sagte sie.

Er zuckte die Achseln. »Du kannst doch nichts dafür.«

»O doch, das kann ich durchaus«, erwiderte sie, und der Ärger kehrte in ihre Stimme zurück. »Ich weiß doch, wie die beiden sind. Ich hätte ihnen nicht zeigen sollen, wozu die Rohre dienen, und erst recht hätte ich keine für sie anfertigen dürfen.«

Er betrachtete den Gegenstand in ihrer Hand. Es war ein langes Binsengras. »Rohre?«

»Ja.« Sie lächelte und hielt ihm das schmale, lange Gras hin. »Ein Blasrohr. Wir haben sie in unserem Dorf benutzt, um kleine Tiere zu jagen. Man legt ein Wurfgeschoss hier hinein und...«

»Ich weiß, wie sie funktionieren«, sagte Tryss und zuckte dann zusammen, als er die Schroffheit in seiner Stimme hörte. »Aber ich habe noch nie gesehen, wie eins dieser Blasrohre benutzt wird«, fügte er in sanfterem Tonfall hinzu. »Könntest du es mir zeigen?«

Sie lächelte und nahm ihm das Rohr aus der Hand. Dann holte sie etwas aus ihrer Tasche und schob es in das Rohr hinein. Er hörte ein leises Klicken, als das Wurfgeschoss auf etwas in dem Rohr traf, das anscheinend verhinderte, dass es auf der anderen Seite wieder herausrollte. Drilli drehte sich um und streckte die Hand aus.

»Siehst du diesen Felsen dort drüben, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Fuß hat?«

»Ja.«

»Siehst du den schwarzen Stein auf der Felsenspitze?« »Ja...« Er musterte sie zweifelnd. Die Entfernung war ziemlich groß.

Sie setzte das Rohr an die Lippen und blies schnell hinein. Tryss konnte das Geschoss kaum erkennen, aber im nächsten Moment kullerte der schwarze Stein von dem Felsen hinab und verschwand auf dessen Rückseite.

Tryss blickte Drilli überrascht an. Sie ist nicht nur hübsch und stark, dachte er. Sie ist obendrein noch klug. Sie erwiderte seinen Blick mit einem Grinsen, und plötzlich wusste er nicht mehr, was er sagen sollte. Heiße Röte stieg ihm in die Wangen.

»Das ist also der Grund, warum du immer wieder verschwindest?«, fragte sie und deutete auf das Geschirr.

Er zuckte die Achseln. »Manchmal.«

Sie ging zu dem Geschirr hinüber und betrachtete es eingehend. »Damit hast du das Yern gefangen, nicht wahr?«

Also glaubte sie ihm, dass er tatsächlich eins gefangen hatte. Oder sie sagte das nur, um nett zu sein.

»Ahm... ja.«

»Zeig mir, wie es funktioniert.«

»Es ist... es ist...« Er wedelte hilflos mit den Händen. »Ich baue es um. Es ist in seine Einzelteile zerlegt.«

Sie nickte. »Ich verstehe. Dann ein andermal. Wenn du fertig bist.« Sie setzte sich neben das Geschirr. »Hast du etwas dagegen, wenn ich dir bei der Arbeit zusehe?«

»Ich glaube nicht, dass es mich stören würde. Wenn du es willst.« Er ging in die Hocke und stöberte in seinen Taschen nach weiteren Darmsehnen, wobei er sich Drillis Aufmerksamkeit überdeutlich bewusst war. Sie beobachtete ihn schweigend, und schon bald fühlte er sich zunehmend unbehaglich.

»Wie lange benutzen deine Leute schon Blasrohre?«, fragte er.

Sie zuckte die Achseln. »Seit Jahren. Mein Großvater hat die Idee entwickelt. Er meinte, wir müssten rückwärtsgehen statt vorwärts. Statt nach einer Möglichkeit zu suchen, Schwerter und Bögen zu benutzen wie die Landgeher, sollten wir zu einfacheren Waffen zurückkehren.« Sie seufzte. »Aber es hat uns nicht geholfen. Die Landgeher haben uns trotzdem aus unserem Dorf vertrieben. Wir haben einige von ihnen mit vergifteten Pfeilen und Fallen erwischt, aber es waren nicht allzu viele.«