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Dann zerriss ein menschlicher Schrei die Stille. Adern hörte mehrere gemurmelte Flüche und zog seinen Bogen. Das Geräusch war ganz aus der Nähe gekommen. Vielleicht von einem der Fährtensucher...

Plötzlich war der Wald erfüllt von zuckenden Schatten und zuschnappenden Zähnen.

»Licht!«, rief Adern. »Priester! Licht!«

Weitere Schreie wurden laut. Schreie des Entsetzens und des Schmerzes. Adern hörte ein leises Rascheln und drehte sich um; ein Schatten sprang auf ihn zu. Es blieb keine Zeit mehr, einen Pfeil an die Sehne zu legen. Er griff nach seinem Messer, duckte sich, rollte sich ab und stieß zu. Etwas riss ihm die Klinge aus der Hand. Er hörte einen unmenschlichen, verzerrten Schmerzensschrei, dann den Aufprall von etwas Schwerem, das ganz in seiner Nähe zu Boden fiel.

Mit einem Mal war der Wald von Licht durchflutet. Adern starrte in die gelben Augen des größten Worns, den er je gesehen hatte. Aus den Augenwinkeln konnte er weiße Gestalten ausmachen. Adern wagte es nicht, den Blick von der Bestie abzuwenden, um nachzuschauen. Der Worn erhob sich jaulend. Blut tropfte von dem verfilzten Haar an seinem Bauch. Adern wog seine Chancen ab. Das Tier war nah, aber es hatte Schmerzen und war vielleicht geschwächt vom Blutverlust. Es hatte ohnehin keinen Sinn, wegzulaufen. Selbst verletzt konnten diese Tiere einen fliehenden Menschen mit zehn Schritten einholen. Er tastete nach einem Pfeil.

Der Worn kroch auf ihn zu; die rosafarbene Zunge hing ihm aus dem Maul. Ein Maul, das groß genug ist, um den Kopf eines Mannes zu umfassen, durchzuckte es Adem. Es gelang ihm, den Pfeil anzulegen. Er zielte zwischen die Augen der Bestie und schoss. Der Pfeil prallte vom Schädel des Worns ab.

Adem starrte das Tier ungläubig an. Der Worn hatte überrascht einen Satz nach hinten gemacht.

»Wo bist du, Zauberer?«, rief Hakan. »Zeige dich!«

Zauberer?, dachte Adem. Magie? Die Worns werden durch Magie geschützt? Das ist nicht gerecht!

»Mir gibst du keine Befehle, Priester«, entgegnete eine Stimme mit einem seltsamen Akzent.

Der Worn heulte abermals auf, warf sich zu Boden und rollte sich auf die Seite. Adem konnte seine Klinge sehen, die im Bauch des Tieres steckte. Er kam zu dem Schluss, dass er es jetzt riskieren konnte, den Blick abzuwenden.

Priester, Jäger und Träger standen im Kreis unter einem in der Luft schwebenden Lichtfunken. Sie alle waren umzingelt von Worns.

Hakan starrte in den Wald. Im nächsten Moment trat ein Fremder ins Licht. Ausländer, dachte Adem. Keine Rasse, die ich je gesehen hätte. Langes, bleiches Haar ergoss sich über ein schwarzes, aus vielen Schichten bestehendes Gewand. Auf der Brust des Mannes ruhte ein großer, silberner Anhänger, der die Form eines fünfzackigen Sterns hatte.

»Du hast unschuldige Menschen getötet, Zauberer«, klagte Hakan den Fremden an.

»Ergib dich und stelle dich der Gerechtigkeit der Götter.«

Der Zauberer lachte. »Ich bin deinen Göttern nicht verantwortlich .«

»Jetzt bist du es«, entgegnete Hakan. Lichtfunken stoben auf und schössen von dem Priester direkt auf den Fremdländer zu. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichten, zuckten sie zur Seite weg und trafen die Bäume, deren Borke sie zerfetzten. Adern wich zurück. Es war niemals klug, sich in der Nähe eines magischen Kampfes aufzuhalten. Der verletzte Worn knurrte und erinnerte Adern daran, dass noch weitere Tiere im Wald waren. Er blieb stehen, unsicher, ob er es lieber mit einem Rudel riesenwüchsiger Worns aufnehmen oder in der Nähe der magischen Schlacht bleiben sollte.

»Deine Magie ist gering, Priester«, sagte der Fremde.

Die Luft kräuselte sich, und Hakan taumelte rückwärts und riss die Hände hoch. Adern konnte ein schwaches Schimmern in der Luft ausmachen, das sich zu einem Bogen formte und den Priester und seine Männer umschloss. Hakan erwiderte den Angriff nicht. Es sah so aus, als koste es ihn seine gesamte Kraft, sich und die Männer um ihn herum zu schützen.

Einer der Fährtensucher, die hinter den Priestern standen, drehte sich um und rannte los. Er war nur zwei Schritte weit gekommen, als er aufschrie und zu Boden stürzte. Adern starrten voller Entsetzen auf die Beine des Mannes. Sie waren in verschiedene Richtungen gebogen, und Blut durchnässte bereits seine Hosen.

Adems Mund wurde trocken. Wenn es das ist, was der Zauberer jenen antut, die sich außerhalb der Barriere befinden, sollte ich vielleicht besser bleiben, wo ich bin, und hoffen, dass er mich nicht bemerkt. Er hockte sich vorsichtig neben einen Busch, von dem aus er den Kampf weiterhin beobachten konnte. Der Lichtbogen, der die Priester und die Jäger umspannte, hatte sich inzwischen zu einer Kugel ausgedehnt, die sie alle einhüllte. Der fremdländische Zauberer kicherte leise, ein Geräusch, bei dem es Adern kalt den Rücken hinunterlief.

»Gib auf, Priester. Du wirst in dieser Schlacht keinen Sieg erringen.« Der Mann streckte die Hand aus und bog die Finger, als griffe er nach etwas.

»Niemals«, stieß Hakan hervor.

Der Zauberer machte eine schnelle Handbewegung. Adem erstarrte, als die Lichtkugel zur Seite zuckte. Die Männer, die sich innerhalb des Lichtscheins befanden, taumelten und fielen auf die Knie. Hakan griff sich an den Kopf und stieß einen wortlosen Schrei aus. Der ältere Priester sprang auf und packte Hakan an den Schultern. Adem sah, wie Hakans Züge sich ein wenig entspannten, und hörte den anderen Priester aufkeuchen. Gleichzeitig begann die Lichtkugel zu flackern.

Hakan brach zusammen. Als Adem genauer hinschaute, sah er, dass der ältere Priester die Lippen bewegte, und ihm stockte der Atem. Er fing Bruchstücke eines Gebets auf und spürte die Verzweiflung in den Worten.

Der Priester glaubte, dass sie sterben würden. Ich muss weg von hier.

Adem erhob sich und entfernte sich einige Schritte von der Schlacht.

»Das ist deine Entscheidung«, sagte der Zauberer.

Adem drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie der Zauberer die Finger streckte und sie dann zur Faust ballte. Der ältere Priester stieß einen Schrei aus. Einen Schrei, der jäh abbrach. Das Licht erlosch, und tödliche Stille folgte.

Langsam gewöhnten Adems Augen sich an den schwachen Schimmer der frühen Morgendämmerung. Er starrte zu dem stillen Ort hinüber, an dem Priester und Jäger gestanden hatten, und konnte sich nicht überwinden, den Blick von dem blutigen Gewirr aus zerschmetterten Gliedmaßen, Waffen, Packsäcken und Priesterzirks abzuwenden, nicht einmal, nachdem sein Magen seinen Inhalt auf den Boden ausgespien hatte.

In der Nähe erklang das Heulen eines Tieres. Eine Stimme sprach mit besänftigendem Tonfall auf die Kreatur ein. Adem beobachtete, wie die Worns sich um den Zauberer versammelten, um sich kraulen zu lassen. Dann begann der verletzte Worn abermals zu heulen, und der Zauberer blickte auf, direkt in Adems Augen.

Obwohl er wusste, dass keine Hoffnung bestand, rannte Adern los.

Als Auraya Jurans Gemach betrat, sah sie den übrigen Weißen einem nach dem anderen in die Augen. Juran hatte sie kurze Zeit zuvor geweckt, damit sie ihre Gedanken mit denen der Priester verbinden konnte, die gegen den Zauberer kämpften. Sie hatte den Geist der anderen Weißen gespürt und ihr Entsetzen aufgefangen.

»Es tut mir leid, Auraya«, sagte Juran. »Wenn ich gewusst hätte, dass die Auseinandersetzung ein so schlimmes Ende nehmen würde, hätte ich dich nicht geweckt.«

Sie schüttelte den Kopf. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Juran. Du konntest nicht wissen, wie die Sache ausgehen würde, und es ist nichts Neues für mich, dass schreckliche Dinge auf dieser Welt geschehen – obwohl ich deine Sorge sehr zu schätzen weiß.«

Er führte sie zu einem Stuhl. »Was für eine Verschwendung«, murmelte er. Dann begann er, im Raum auf und ab zu gehen. »Ich hätte sie nicht dorthin schicken sollen. Ich hätte der Sache selbst auf den Grund gehen müssen.«