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»Der Schild, den zu formen ich dich beim letzten Mal gelehrt habe, wird den meisten Arten von Angriffen standhalten«, erklärte Dyara, und ihre Stimme nahm einen inzwischen vertraut gewordenen, belehrenden Tonfall an. »Dieser Schild lässt Wurfgeschosse, Flammen und Gewalt abprallen, Blitze jedoch nicht. Zum Glück werden Blitze jedoch auf natürliche Weise in den Boden gelenkt. Sie nehmen den einfachsten Weg – durch dich hindurch. Um das zu verhindern, musst du ihnen eine andere Möglichkeit geben, und du musst es schnell tun.«

Dyara streckte die Hand aus. Ein verzerrtes Band aus Licht blitzte aus ihren Fingern in den Boden, und ein ohrenbetäubendes Krachen hallte über das Feld. Eine Brandnarbe zeichnete das Gras, und die Luft zischte.

»Wann werde ich das lernen?«, flüsterte Auraya.

»Erst wenn du gelernt hast, dich dagegen zu verteidigen«, erwiderte Dyara. »Ich werde mit kleinen Zaubern anfangen, die alle auf dieselbe Stelle gerichtet sind. Du musst versuchen, ihren Verlauf zu verändern.«

Zuerst hatte Auraya das Gefühl, als sei ihr befohlen worden, Sonnenlicht in der Hand einzufangen. Die Blitze zuckten in zu schneller Folge, als dass sie irgendetwas daran hätte wahrnehmen können. Allerdings stellte sie fest, dass die gezackte Linie aus Licht niemals dieselbe war. Es musste einen Grund dafür geben, dass sie jedes Mal einem anderen Weg folgte. Irgendetwas, das mit der Luft zu tun hatte.

Dyara? Auraya?, erklang eine Stimme in Aurayas Gedanken.

Dyaras Kopf fuhr hoch. Sie hatte die Stimme offensichtlich ebenfalls gehört.

Juran?, antwortete sie. Auraya blickte zu dem Feld hinüber, aber die beiden Reiter waren nicht mehr zu sehen.

Rian hat den Pentadrianer gefunden. Lenkt euren Geist durch meinen hindurch.

Dyara schaute zu Auraya hinüber, dann nickte sie. Auraya schloss die Augen und suchte nach Jurans Geist. Als sie sich mit ihm verband, spürte sie Mairae und Dyara, aber Rians Gedanken verlangten ihre ganze Aufmerksamkeit. Von ihm kamen Geräusche und Bilder. Ein Wald. Ein halb zerstörtes Steinhaus. Ein Mann in schwarzer Kleidung, der in der Tür stand. Auraya sog erstaunt die Luft ein, als sie feststellte, dass sie sehen konnte, was Rian vor Augen hatte. Außerdem konnte sie spüren, dass er Magie in sich hineinzog, um dem Schutzschild um sich herum Nahrung zu geben. Der Pentadrianer beobachtete Rians Herannahen. Überall um ihn herum waren Worns. Er streckte die Hand aus, streichelte einem der Geschöpfe an seiner Seite den Kopf und murmelte einige Worte in seiner eigenartigen Sprache.

Rian hielt inne und saß ab. Er sandte eine Anweisung in den Geist seines Trägers, und dieser galoppierte davon.

Der Zauberer verschränkte die Arme vor der Brust. »Du kommst, um mich zu fangen, Priester?«

»Nein«, sagte Rian. »Ich bin gekommen, um dich zu töten.«

Der Zauberer lächelte. »Das ist nicht sehr höflich.«

»Es ist das, was du verdienst, Mörder.«

»Mörder? Ich? Du sprichst von Priestern und Männern, ja? Ich verteidige mich nur. Sie greifen zuerst an.«

»Haben die Bauern und Kaufleute, die du getötet hast, dich als Erste angegriffen?«, fragte Rian.

Ich kann seine Gedanken nicht lesen, sagte Rian. Seine Gedanken sind abgeschirmt.

Dann könnte er gefährlich sein, sagte Juran.

So mächtig wie einer der Unsterblichen des vergangenen Zeitalters. Das wird ein interessanter Kampf werden, antwortete Rian.

»Ich greife Bauern und Kaufleute nicht an«, erwiderte der Zauberer. Er kraulte den Kopf eines Worns. »Meine Freunde sind hungrig. Man gibt ihnen kein Essen, keinen Respekt. Ihr Leute seid nicht höflich, und seit ich hier bin, respektiert ihr mich und meine Freunde nicht. Jetzt sagst du, du tötest mich.« Er schüttelte den Kopf. »Ihr Leute seid nicht freundlich.«

»Nicht Mördern gegenüber«, sagte Rian. »Vielleicht ist Barbarei in deinem Land kein Verbrechen, aber in unserem steht darauf die Todesstrafe.«

»Du denkst, du kannst mich bestrafen?«

»Mit dem Segen und der Macht der Götter.« Auraya verspürte das Aufbranden der Bewunderung und der Entschlossenheit, die Rian fühlte. Er ist den Göttern ganz und gar ergeben, dachte sie. Verglichen mit uns anderen. Wir sind lediglich treu. Und doch müssen die Götter dies akzeptabel finden, sonst wären alle Weißen wie Rian.

Der Zauberer lachte. »Die Götter würden dich niemals segnen, Heide.«

»Nicht deine falschen Götter«, entgegnete Rian. »Der Zirkel. Die wahren, lebenden Götter.« Er zog Magie in sich hinein, kanalisierte sie und formte sie zu einer Strähne weißer Hitze. Die Luft vor dem Zauberer verwandelte sich plötzlich in eine Mauer aufgepeitschter Wellen. Eine Woge warmer Luft schlug über Rian zusammen. Der Schutzschild, den Rian um sich herum hochgezogen hatte, wölbte sich nach innen. Er stärkte ihn instinktiv, um die Kraft, die auf ihn einstürmte, abzuwehren. Auraya hörte das Knacken von Holz, als die Bäume in Rians Nähe die Wucht zurückgeworfener Macht abfingen.

Rian griff abermals an, diesmal indem er Magie zu Pfeilen formte, die von allen Seiten auf den Zauberer zuflogen. Der Abwehrschild des Pentadrianers hielt stand, und er antwortete mit Lichtzaubern, die Rian in den Boden ableitete.

So wird das also gemacht, dachte Auraya.

Die Erde unter Rian zuckte und wogte auf. Er sandte Magie hinab, um dem Toben ein Ende zu machen. Gleichzeitig zog er die Luft um den Zauberer herum ab, so dass dieser in einem Vakuum festsaß. Der Zauberer riss die Luft zurück.

Er stellt mich auf die Probe, bemerkte Rian.

Ich stimme dir zu, erwiderte Juran.

Rian spürte, wie eine gewaltige Kraft ihn umschlang und gegen den Schutzschild um ihn herum presste. Er kämpfte dagegen an, aber der Ansturm wurde immer stärker. Es überraschte Auraya nicht, zu sehen, dass der Zauberer eine Hand ausstreckte und zu einer Klaue bog, geradeso wie er es in dem Kampf mit den Priestern getan hatte.

Jetzt kommt die Kraftprobe, sagte Rian. Er widersetzte sich dem Ansturm, vergalt Schlag mit Schlag. Gleichzeitig war er auf der Hut vor anderen Formen des Angriffs. Die Zeit verstrich unbemerkt. Der Angriff des Zauberers wurde stetig machtvoller. Langsam verstärkte Rian seine Abwehr.

Dann erstarb schlagartig die Kraft, die seinen Schild unter Druck gesetzt hatte. Obwohl Rian sehr schnell reagierte, entwich ihm eine gewaltige Menge an Magie. Bäume barsten. Die Ruine des Hauses explodierte. Staub und Steine wirbelten durch die Luft und nahmen ihm die Sicht. Rian warf einen sanfteren Zauber aus, und der Staub legte sich.

Der Pentadrianer war fort. Rian, der suchend Ausschau hielt, sah ein gewaltiges schwarzes Tier, auf dessen Rücken ein Mann saß, davonspringen. Er sandte ihm einen Blitz nach, aber die Energie prallte von dem fliehenden Zauberer ab und versank im Boden.

»Die Götter sollen ihn mit ihrem Zorn strafen«, zischte Rian, als der Mann und das Tier zwischen den Bäumen verschwanden. Er schickte seinem Träger einen Gedankenruf. Das Reittier war nicht weit entfernt.

Gib Acht, warnte Juran. Folge ihm, aber sei auf der Hut. Er ist sehr mächtig, und ein Überraschungsangriff könnte tödlich sein.

Ein kalter Schauer überlief Auraya. Tödlich für Rian? Aber gewiss konnte ihm doch nichts Schaden zufügen?

Er ist nicht so mächtig wie ich, erwiderte Rian, dessen Gedanken dunkel waren vor Zorn und Entschlossenheit. Es wird keine Gelegenheit zu einem Hinterhalt geben. Ich werde weder schlafen noch rasten, bis ich ihn tot weiß.

Dann erloschen seine Gedanken aus Aurayas Sinnen. Sie schlug die Augen auf. Dyara sah sie an.

»Das war sehr aufschlussreich«, bemerkte die Frau trocken. »Wir sind schon seit langer Zeit keinem so mächtigen Feind mehr begegnet.« Sie kniff die Augen zusammen. »Du wirkst verwirrt.«