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Er lächelte und sah die Siyee an. »Ich habe erfahren, dass ihr ein nobles, friedfertiges Volk seid. Ich versichere euch, dass die Weißen euch in euren Schwierigkeiten beistehen können. Euer Land wird von torenischen Siedlern gestohlen. Es müssen Gesetze geschaffen und ausgeführt werden, um ihrem Treiben Einhalt zu gebieten. Ihr müsst eure Abwehr stärken. Wenn ihr die torenischen Siedler nicht aufhalten könnt, wie wollt ihr dann jemals eine Armee aufhalten?

Die Weißen beschützen ihre Verbündeten. Als Gegenleistung erbitten sie von diesen Verbündeten, ihnen Kämpfer zu Hilfe zu schicken, falls sie selbst einmal angegriffen werden sollten. Da sie sehr mächtig sind und Frieden verbreiten, wo immer sie in Erscheinung treten, wird diese Hilfe wahrscheinlich niemals notwendig sein. Wenn Si und die Weißen Verbündete wären, könnten wir einander in vieler Hinsicht helfen. Ihr wisst von Huan, und ihr wisst auch ein wenig von den anderen Göttern. Unsere Priester und Priesterinnen können euch neues Wissen erschließen. Außerdem können sie euch helfen, eure Kenntnisse der Magie, des Schreibens, des Rechnens und der Heilkunst zu mehren. Falls es euer Wunsch sein sollte, würde der Tempel einige Priester nach Si schicken, die unter euch leben würden. Es könnten auch Siyee in den Tempel kommen, um selbst Priester und Priesterinnen zu werden. Eine solche Entwicklung hätte viele Vorteile. Diese Priester und Priesterinnen könnten auf telepathischem Wege Botschaften schicken, so dass ihr erfahren würdet, was sich in der Welt draußen zuträgt. Berichte über Angriffe auf Siyee würden die Weißen schnell erreichen, damit sie entsprechend reagieren könnten. Die Menschen – die Landgeher – würden die Siyee besser zu verstehen lernen, und auch die Siyee würden mehr über die Landgeher erfahren. Verständnis bringt Respekt und Freundschaft mit sich. Freundschaft bringt Frieden und Wohlstand.« Er lächelte und nickte mehrmals. »Ich danke euch, dass ihr mir gestattet habt, zu euch zu sprechen.«

Die Siyee warteten schweigend ab, während Gremmer aufstand und sich vom Rand des Felsvorsprungs zurückzog. Tryss stellte fest, dass sein Herz raste. Wir könnten so vieles von diesen Landgehern lernen, dachte er. Dinge, die uns verlorengegangen sind, als wir in die Berge kamen. Dinge, die die Landgeher seit jener Zeit erfunden haben. Aber Tryss las Zweifel in den Gesichtern seiner Gefährten. Schließlich trat Sirri vor.

»Wir, die Sprecher, werden jetzt das Wort an unsere Stämme richten.«

Die Sprecher sprangen von dem Felsvorsprung in die Luft und schwebten zu ihren Stämmen hinunter. Als Sirri landete und sich zu der Gruppe um Tryss gesellte, wurden mehrere Stimmen gleichzeitig laut. Sie hob die Hand, um den Siyee Einhalt zu gebieten.

»Einer nach dem anderen«, sagte sie. »Wir sollten uns in einen Kreis setzen und nacheinander unsere Meinung äußern.«

Tryss’ Eltern ließen sich zu Boden sinken, und er setzte sich hinter sie. Sirri nickte dem Mann zu ihrer Linken zu, Tryss’ Onkel, Till.

»Es ist ein gutes Angebot«, sagte er. »Wir könnten ihren Schutz gebrauchen. Aber wir haben ihnen nichts als Gegenleistung anzubieten. Gremmer spricht von Kämpfern; wir haben keine.«

Sirri wandte ihre Aufmerksamkeit dem nächsten Siyee in dem Kreis zu. Der Mann formulierte die gleichen Zweifel. Während die übrigen Mitglieder des Stammes einer nach dem anderen zu Wort kamen, stieg Tryss’ Mutlosigkeit. Dann begann Tryss’ Tante zu sprechen.

»Spielt das eine Rolle?«, fragte Vissi düster. »Sie sind die Auserwählten der Götter. Wer würde es wagen, gegen sie zu kämpfen? Gremmer hat recht. Wir werden wahrscheinlich niemals in die Lage kommen, kämpfen zu müssen. Wir sollten dieser Allianz beitreten.«

»Aber was geschieht, falls es zu einem kleinen Krieg kommen sollte? Einem Krieg zwischen Ländern, die mit den Weißen verbündet sind? Was ist, wenn eine Rebellion ausbricht?«, fragte Tryss’ Vater. »Was ist, wenn sie uns dann um Hilfe bitten? Sollen wir unsere jungen Männer und Frauen in den sicheren Tod schicken?«

Vissi blickte gequält drein. »Es wäre nicht sicher, dass sie sterben würden. Möglich, ja. Es ist ein Risiko, darin stimme ich dir zu. Ein Glücksspiel. Wir verlieren ständig junge Männer und Frauen an diese Siedler. Und auch ältere Männer und Frauen. Und ihre Kinder. Wir werden weitere Verluste hinnehmen müssen – bis man uns auch unser Land nimmt. Diese Gewissheit ist größer als das Risiko, dass man uns in den Krieg rufen könnte.«

Die versammelten Siyee nickten widerstrebend, und Tryss biss sich auf die Unterlippe.

Wir können kämpfen, schoss es ihm durch den Kopf. Ihr denkt nach wie vor, ihr müsstet kämpfen wie die Landgeher. Wir müssen kämpfen wie Siyee – von der Luft aus. Mit meinem Jagdgeschirr. Mit Drillis Blasrohr.

»Vielleicht können wir, bevor es dazu kommt, zu kämpfen lernen.«

Diese Bemerkung war von Sreil gekommen. Tryss’ Herz tat einen Satz. Hatte Sreil sich an Tryss’ Geschirr erinnert?

»Wenn die Landgeher hierherkommen, können sie es uns beibringen«, fügte Sreil hinzu, und Tryss’ Hoffnung erlosch.

»Aber dann müssten wir zugeben, dass wir nicht kämpfen können«, wandte Vissi ein.

»Ich denke, wir müssen diesen Weißen gegenüber ehrlich sein«, sagte Sirri. »Schließlich stehen sie den Göttern näher als jeder Sterbliche, und die Götter können in unsere Gedanken schauen. Sie werden es wissen, wenn wir unehrlich sind.«

Die Siyee schwiegen. Dann ergriff Tryss’ Vater das Wort.

»In diesem Falle werden sie wissen, dass wir nicht mit Schwert oder Speer kämpfen können. Wenn sie glaubten, dass wir in einem Krieg keinen Wert für sie hätten, hätten sie uns dieses Angebot nicht unterbreitet.«

Die Bedeutung der Worte seines Vaters traf Tryss wie ein körperlicher Schlag. Ein kalter Schauer überlief ihn. Langsam hob er den Kopf und blickte zu den Sternen empor.

Habt ihr in meine Gedanken gesehen?, fragte er. Habt ihr meine Ideen gesehen? Ist es das, was ihr mir bestimmt habt – das sich meinem Volk eine Möglichkeit gebe, zu kämpfen?

Er hielt den Atem an. Was ist, wenn die Götter antworten?, durchzuckte es ihn plötzlich. Das wäre... wunderbar, wunderbar und beängstigend.

Aber es kam keine Antwort. Einen Moment lang war Tryss enttäuscht. Hatten sie ihn gehört und es doch vorgezogen, ihm keine Beachtung zu schenken? Bedeutete das, dass er die Arbeit an seinen Erfindungen abbrechen sollte? Oder war die Aufmerksamkeit der Götter gerade auf andere Dinge gerichtet?

Wenn ich so weitermache, werde ich noch den Verstand verlieren, befand er. Sie haben nicht »ja« gesagt. Sie haben nicht »nein« gesagt. Also werde ich davon ausgehen, dass sie nicht zugehört haben oder dass es ihnen gleichgültig ist, und ich werde tun, was ich will Jetzt wollte er nur eins: sein Geschirr vervollkommnen und miterleben, wie die Siyee es zur Jagd benutzten. Wenn seine Erfindungen das Ende der Schwierigkeiten seines Volkes bedeuten würden... nun, das wäre noch besser. Er würde berühmt sein. Würde es zu Ansehen bringen.

Morgen, beschloss er, morgenwerde ich die letzten Veränderungen vornehmen. Danach werde ich das Geschirr erproben. Wenn ich davon überzeugt bin, dass es wirklich funktioniert, werde ich es den Sprechern vorlegen.

8

Jarime war eine Stadt mit vielen Flüssen. Sie schnitten die Stadt in Bezirke, von denen einige wohlhabender waren als andere, und sie wurden von Booten genutzt, um Menschen und Waren zu transportieren. Außerdem bezogen die Einwohner der Stadt ihr Wasser aus diesen Flüssen, das später durch unterirdische Tunnel ins Meer geleitet wurde.

Die Hälfte des Tempelbezirks wurde von einem Fluss begrenzt, von dem ein Seitenarm durch den gesamten heiligen Bezirk floss. Entlang dieses Seitenarms gab es viele hübsche, belaubte Stellen, an denen die Priester und Priesterinnen Ruhe und Abgeschiedenheit zum Nachdenken und Beten finden konnten. Die Mündung des Flusses wurde bewacht, damit kein Außenstehender die Ruhe stören konnte, aber wenn ein Besucher den richtigen Zugangspass bei sich führte, durfte er mit den flachen Booten des Tempels auf das Gelände einfahren.