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»Willkommen in Jarime, Botschafter der Siyee«, rief sie. »Ich bin Auraya von den Weißen.«

Die Siyee verständigten sich mit leisen Pfiffen und streuten hier und da mit hoher Stimme ein gesprochenes Wort ein. Auraya las ihre Gedanken und erkannte, dass dies ihre Art der Sprache war.

»Sie muss eine der Auserwählten der Götter sein«, sagte einer der Siyee.

»Das muss sie wohl«, erwiderte der andere. »Wie sonst könnte sie auf Luft stehen?«

»In ihrer Nachricht haben sie mit keinem Wort auf ihre Fähigkeit hingewiesen, zu... zu...«

»Dem Sog der Erde zu trotzen?«, ergänzte der andere.

Auraya konzentrierte sich auf die Gedanken der beiden und fand darin schließlich die Worte, die sie brauchte. Schwieriger war es, ihre Sprechweise nachzuahmen, aber als sie ihre Begrüßung wiederholte, kamen die beiden näher.

»Ich bin Tireel vom Stamm des Grünen Sees«, sagte einer der Siyee. »Mein Begleiter ist Zeeriz vom Stamm des Gegabelten Flusses. Wir sind lange und weit geflogen, um zu den Auserwählten der Götter zu sprechen.«

»Unsere Sprecher haben uns hergeschickt, um die Allianz zu erörtern, die ihr uns vorgeschlagen habt«, fügte der andere hinzu.

Auraya nickte und suchte im Geist der beiden Siyee nach Worten. »Die anderen Auserwählten der Götter warten unten am Boden. Wollt ihr mich begleiten und sie kennenlernen?«

Die beiden Siyee tauschten einen Blick, dann nickten sie. Als Auraya hinabschwebte, folgten sie ihr, immer noch kreisend. Ihr wurde klar, dass sie nicht mitten in der Luft innehalten konnten, wie es ihr selbst möglich war. Sie mussten ständig in Bewegung bleiben, um fliegen zu können. Während sie immer wieder Veränderungen in den Windströmungen ausglichen, bemerkte Auraya kleine Korrekturen in ihrer Haltung. Als sie sich dem Boden näherte, steuerten die Siyee einen freien Bereich auf dem gepflasterten Gelände an, um zu landen. Sie folgte ihnen.

Als ihre Füße den Boden berührten, traten Juran, Rian und Dyara vor. Die Siyee musterten die versammelten Priester und Priesterinnen mit ängstlicher Miene.

»Habt keine Furcht«, sagte Auraya zu ihnen. »Sie sind nur überrascht, euch zu sehen. Sie werden euch keinen Schaden zufügen.«

Die Siyee wandten sich nun den anderen Weißen zu. Tireel trat vor.

»Wir sind hergekommen, um über die Allianz zu sprechen«, sagte er geradeheraus.

»Ihr seid weit geflogen«, erwiderte Juran, dessen Stimme weicher wurde, als er den Siyee in ihrer eigenartigen Sprache antwortete. »Möchtet ihr zuerst ein wenig ruhen und essen? Wir halten im Turm Zimmer für Gäste bereit.« Die beiden Siyee blickten zweifelnd zu dem Gebäude hinauf. »Wenn euch diese Art des Quartiers nicht angenehm ist, könnten wir in den Gärten ein Tuchhaus errichten lassen«, fügte Juran hinzu.

Die Siyee tauschten einige leise Pfiffe, dann nickte Tireel. »Wir werden eure Räume im Turm akzeptieren«, antwortete er.

Juran nickte. »Dann werde ich euch hineinbegleiten und dafür sorgen, dass ihr euch dort behaglich einrichten könnt. Wenn dieser Vorschlag für euch annehmbar ist, werden wir uns morgen treffen, um über die Allianz zu sprechen.«

»Das ist annehmbar.«

Als Juran die beiden zum Turm führte, wurde Auraya bewusst, dass Dyara sie beobachtete.

»Nun, das ist sehr hübsch eingefädelt worden.«

Auraya runzelte die Stirn. »Was meinst du?«

»Wenige Tage, bevor die Himmelsleute ankommen, erwirbst du die Fähigkeit des Fliegens.«

»Und du denkst, das war mein Werk?«

»Ganz und gar nicht.« Dyara lächelte. »Die Götter sind selten bescheiden, was ihre Absichten betrifft. Das ist der Punkt, in dem wir diesen Pentadrianern gegenüber im Vorteil sind. Wir brauchen keine rätselhaften Zeichen und keine komplizierten Betrugsmanöver zu ersinnen, um unser Volk von der Existenz unserer Götter zu überzeugen.«

14

Die nackten Steinhänge des Offenen Dorfs waren in orangefarbenes Licht getaucht. Als die Sonne unterging, wurden in der Mitte der Lichtung in einem kreisförmigen Muster Feuer entzündet. Bruchstücke von Liedern, das Dröhnen von Trommeln und das stetige Pfeifen der Gespräche der Siyee erfüllten die Luft.

All diese Dinge zusammengenommen schufen eine erwartungsvolle, festliche Atmosphäre. Tryss betrachtete die Szene mit einem Gefühl der Erregung. Siyee aller Altersklassen hatten sich in ihre schönsten Gewänder gehüllt. Leuchtende Farben und Muster glänzten auf sonnengebräunter Haut. Männer und Frauen waren mit Juwelen herausgeputzt. Alle Gesichter waren eigenartig und wunderbar, denn sie alle trugen Masken.

Als Tryss neben seinem Vater landete, sah er sich bewundernd um. Wie immer war die Vielfältigkeit und Kunstfertigkeit der Masken erstaunlich. Es gab Tiermasken, Insektenmasken und Blumenmasken; Masken, die mit Mustern geschmückt waren, und solche, auf denen Symbole zu erkennen waren. Als er eine sorgfältig geschnitzte Maske erblickte, die einen Siyee mit ausgebreiteten Flügeln darstellte, keuchte er unwillkürlich auf. Dann lächelte er einem Mann zu, dessen Kopf durch eine große Hand »ersetzt« worden war, und lachte laut über eine Frau, deren Maske ein übergroßes Ohr darstellte. Kichernde Mädchen, deren Masken ganz und gar aus Federn gemacht waren, eilten vorbei. Ein alter Mann, dessen graues Haar unter der abgetragenen Darstellung eines Fischkopfes hervorlugte, humpelte in die andere Richtung. Zwei kleine Jungen stießen beinahe mit Tryss zusammen; das Gesicht des einen war unter einer Sonne verborgen, das des anderen halb verdeckt von einer Mondsichel.

Während Tryss seinem Vater zu ihrem gewohnten Platz in dem großen Kreis folgte, hob er die Hand, um seine eigene Maske geradezurücken. Neben einigen der anderen, die er gesehen hatte, kam sie ihm nichtssagend und töricht vor – sie bestand lediglich aus einem neu übermalten Herbstblattmuster von einem Trei-Trei-Fest vor einigen Jahren. Er hatte keine Gelegenheit gefunden, sich eine neue zu machen, da er seine gesamte freie Zeit darauf verwandte, sich in der Benutzung seines neuen Geschirrs und seiner Blasrohre zu üben.

Drilli war sehr zufrieden mit seinen Fortschritten, obwohl seine Fehlschüsse nach wie vor ebenso häufig waren wie seine Treffer. Aber von Bogenschützen, so hatte sie ihm versichert, wurde nicht erwartet, dass sie jedes Mal ihr Ziel trafen, daher würde man es auch von ihm nicht erwarten. Er war sich da nicht so sicher. Wenn er eines Tages seine Erfindung vorführte, würde er die Leute verblüffen und beeindrucken müssen. Er würde beweisen müssen, dass seine Methode besser war, als mithilfe eines Bogens vom Boden aus oder mit Fallen zu jagen.

Er seufzte. Heute Abend wollte er all das vergessen. Das Sommer-Trei-Trei, das relativ spät im Jahr veranstaltet wurde, war die letzte festliche Zusammenkunft, bevor der lange Winter begann; eine letzte Gelegenheit, um zu feiern und Energie auf akrobatische Fliegerkunst zu vergeuden.

Und in diesem Jahr hatte er eine Partnerin.

Als Tryss’ Eltern ihre Plätze bei ihrem Stamm einnahmen, erhoben sich zwei Stimmen über das allgemeine Geplauder.

»... hast sie schon einmal gesehen, nicht wahr?«

»Ja. Vor drei Jahren, glaube ich. Ein wenig frische Farbe lässt eine alte Maske auch nicht wieder gut aussehen, oder? Und ein Herbstblatt im Sommer! Er bekommt nicht mal die Jahreszeit richtig hin.«

Tryss fand, dass es besser sei, so zu tun, als habe er die Stimmen nicht gehört, aber seine Mutter blickte in die Richtung der beiden Sprecher.

»Du kommst mit deinen Vettern nicht mehr so gut aus wie früher, nicht wahr?«

Sie klang besorgt. Tryss zuckte die Achseln.

»Sie kommen nicht gut mit mir aus«, erwiderte er. »Jedenfalls nicht mehr, seit ich es müde geworden bin, dass sie mich gern als Dummkopf dastehen lassen, damit sie selbst einen besseren Eindruck machen«, fügte er leise hinzu.