»Was wollen Sie eigentlich über den Materie-Transmitter ausstrahlen?«
»Sie.«
»Wohin?«
»Das habe ich Ihnen bereits gesagt. Zum Mond.«
»Einfach so? Keine Raketen, keine Countdowns, keine Reporter und kein Fernsehen? Ein paar Röhren glühen auf — und schon bin ich der Mann im Mond!« Barker grinste. »Die Wissenschaft hat es wirklich weit gebracht, was?«
Hawks sah ihn mit unbeweglichem Gesicht an. »Wir veranstalten hier keine maskulinen Schönheitswettbewerbe, Barker. Wir führen Versuche durch. Sie brauchen nicht ständig die Rolle des tollkühnen Draufgängers zu spielen.«
»Wie stellen Sie sich denn einen solchen Wettbewerb vor, Doktor?«
»Halten Sie den Mund, Barker!« fuhr Sam Latourette dazwischen, der lautlos herangekommen war.
Barker drehte sich gelangweilt um. »Menschenskind, Sie tun ja, als ob ich Ihr Baby gefressen hätte!«
»Schon gut, Sam«, sagte Hawks geduldig. »Darf ich die Herren miteinander bekannt machen? Mr. Al Barker — Dr. Samuel Latourette.«
Barker warf einen Blick auf das Elektronengehirn und lächelte boshaft. »Wir kennen uns bereits«, stellte er dann fest und streckte Latourette die Hand entgegen.
»Das war nicht gerade übermäßig witzig, Barker.«
Barker ließ seine Hand sinken. »Na, schließlich bin ich kein Zirkusclown. Was stellen Sie eigentlich dar — die Hausmeisterin?«
»Ich habe mir Ihre Personalunterlagen angesehen, weil ich feststellen wollte, ob Sie für uns nützlich sein können«, antwortete Latourette und betonte dabei jedes Wort. »Ich möchte daß Sie sich folgendes merken: Dr. Hawks ist der einzige Mann auf dieser Erde, der genial genug ist, um sich das alles einfallen zu lassen!« Er wies auf die Maschinen um sie herum. »Sie stehen vor einem Mann, dessen Gehirn so exakt arbeitet, daß es für ihn das Wort ›Irrtum‹ einfach nicht gibt. Sie haben keinerlei Berechtigung dazu, seine Arbeit zu kritisieren oder etwa Witze darüber zu reißen. Lassen Sie ihn mit Ihren zweifellos äußerst interessanten Komplexen in Ruhe. Sie sind hier, um eine Aufgabe zu erfüllen. Wenn Sie das nicht tun können, ohne ihm Schwierigkeiten zu machen, verschwinden Sie lieber sofort — er hat auch ohne Sie genug Sorgen.« Latourette warf Hawks einen Blick aus tiefliegenden Augen zu. »Mehr als genug.« Er wandte sich wieder an Barker. »Haben Sie mich verstanden?«
Barker sah ihn ausdruckslos an. Er hatte sein Gewicht fast völlig auf sein gesundes Bein verlagert, zeigte jedoch sonst keinerlei Zeichen von Erregung. Er schwieg.
»Sam«, warf Hawks ein, »der Empfänger muß getestet werden. Ich wäre dir dankbar, wenn du das überwachen würdest. Außerdem brauche ich die letzten Telemeter-Messungen vom Relaisturm und der Mondstation.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Kannst du sie mir in einer Stunde bringen?«
Latourette nickte kurz und schlurfte wortlos davon. Barker sah ihm nach, bis er hinter dem Empfänger verschwunden war, wo die Techniker einige Testobjekte unter einem Fluoroskop prüften.
»Kommen Sie bitte mit mir«, sagte Hawks zu Barker und führte ihn zu dem Tisch hinüber, auf dem der Schutzanzug ausgebreitet lag.
»Ihre Leute haben anscheinend eine sehr hohe Meinung von Ihnen«, stellte Barker fest und sah sich weiterhin neugierig um. »Kein Wunder, daß Sie schnell ungeduldig werden, wenn Sie es mit der Außenwelt zu tun haben.«
»Barker, Sie müssen sich vor allem auf die Aufgaben konzentrieren, die Sie hier erwarten. Sie müssen eine Menge lernen, um ihnen gewachsen zu sein. Lassen wir doch die persönlichen Dinge aus dem Spiel!«
»Und wie steht es in dieser Beziehung mit Ihrem Musterschüler, Latourette?«
»Sam ist ein ausgezeichneter Mann auf seinem Gebiet«, antwortete Hawks kurz.
»Und das ist seine Entschuldigung für alles.«
»Deshalb ist er hier. Eigentlich müßte er in einer Klinik liegen und ständig schmerzbetäubende Mittel bekommen. Er hat Krebs — inoperabel. Die Ärzte geben ihm noch ein halbes Jahr.«
Sie gingen an einer langen Reihe von grauen Stahlgehäusen vorüber. Barker wandte den Kopf zurück. »Oh«, meinte er dann. »Deshalb ist er also zum Standardmann ernannt worden. Auch eine Art Unsterblichkeit.«
»Kein normaler Mensch stirbt gern«, antwortete Hawks und dirigierte Barker auf den Tisch zu. Die Navy-Offiziere sahen ihnen neugierig entgegen. »Sonst hätten wir eine permanente Selbstmordwelle.«
8
Hawks hielt es nicht für nötig, Barker den Offizieren vorzustellen. Er begann sofort mit einer Erklärung der Funktionen des Schutzanzuges.
»Das hier ist unser letztes und bestes Modell. Sie legen den Anzug hier auf diesem Tisch an und werden dann in den Transmitter gerollt. Von dort aus werden Sie zur Mondstation befördert, wo Ihnen der Anzug bequem und leicht bedienbar erscheinen wird. Sämtliche Bewegungen werden mit Hilfe von Elektromotoren durchgeführt, die sich in den Gelenken befinden. Durch einen leichten Druck auf die entsprechenden Kontakte sind sämtliche Bewegungskombinationen möglich. Sie haben alle Werkzeuge zur Verfügung, die Sie brauchen werden, und noch einige dazu, von denen wir annehmen, daß sie sich ebenfalls als nützlich erweisen könnten. Darüber müssen Sie uns später Bericht erstatten — wenn Sie können. Vor allem müssen Sie sich mit der Bedienung des Anzugs vertraut machen, denn davon kann unter Umständen der Erfolg des Versuchsprogramms abhängen. Jetzt probieren Sie ihn bitte einmal an, damit wir sehen, ob er Ihnen richtig paßt.«
Der verantwortliche Offizier trat einen Schritt vor. »Entschuldigung, Doktor«, begann er, »aber ich habe gehört, daß der Freiwillige eine Prothese trägt.« Er wandte sich an Barker. »Würden Sie bitte die Hosen ausziehen, Sir?«
Hawks lächelte unbehaglich. »Geben Sie mir Ihre Jacke«, sagte er zu Barker.
Barker sah sich unsicher um. Auf seiner Stirn erschienen Schweißtropfen. Er gab Hawks seine Jacke, ohne ihn dabei anzusehen, schnallte den Gürtel auf und zog sich die Hose aus. Dann rollte er sie schnell zusammen, warf Hawks einen Blick zu und legte sie schließlich auf einen Stuhl.
»Würden Sie sich bitte in den Anzug hineinlegen, Sir, damit wir sehen können, welche Veränderungen vorgenommen werden müssen?« Der Captain machte eine Handbewegung, und seine Leute umringten Barker, hoben ihn hoch und legten ihn in den Anzug. Barker lag steif auf dem Rücken und starrte an die Decke. »Bitte, bewegen Sie sich, Sir«, verlangte der Offizier. »Wir müssen feststellen, ob die Muskeln an allen Stellen fest an den Kontakten anliegen.«
Barker machte einige zögernde Bewegungen.
»Aha«, meinte der Captain, »das habe ich mir gleich gedacht. Die Prothese muß an der Wade und im Kniegelenk verstärkt werden.« Er winkte einen der anderen Offiziere heran. »Fidanzato, messen Sie die Abstände aus und lassen Sie die Prothese sofort in der Werkstatt verstärken. Tut mir leid, Sir«, sagte er dann zu Barker, »aber Sie werden eine halbe Stunde ohne Ihre Prothese auskommen müssen. Sampson, helfen Sie ihm aus seinem Hemd heraus, damit Sie den Schultergurt abschnallen können.«
Barker streckte die Arme aus, hielt sich am Rand des Anzugs fest und zog sich daran in die Höhe. »Mein Hemd kann ich mir immer noch selbst ausziehen«, wehrte er wütend ab. Während Sampson die Schnalle öffnete, sah Barker zu Hawks hinüber und klopfte dabei leicht gegen den Anzug. »Neue Künste, Magier?« Er schien auf eine besondere Antwort zu warten.
Hawks runzelte die Stirn. Barker grinste ironisch und sah sich herausfordernd um. »Na, das war offenbar eine Pleite. Möchte es noch jemand versuchen? Oder soll ich mir lieber zuerst eine Hand hinter dem Rücken festbinden lassen?«
Ein junger Leutnant trat vor. »Das ist ein Zitat aus einem Schauspiel, Doktor.« Er sah Barker an, der feierlich einen Finger naßmachte und ein großes X in die Luft zeichnete.