»Einen Punkt für unseren jungen Freund hier.«
»Wovon handelt das Stück, Leutnant?« fragte Hawks.
»Wir haben es in der Schule durchgenommen«, antwortete der junge Offizier verlegen und wurde rot, als Barker ihm aufmunternd zublinzelte. »Der Magier Merlin hat eine Rüstung geschmiedet, die ge gen alle Waffen gefeit ist. Sie war für Sir Galahad bestimmt, aber eine bei der Herstellung unerläßliche Zauberformel bewirkte, daß sie nur Lancelot paßte. Und obwohl Lancelot König Arthur schaden will und sie am gleichen Tag in einem Turnier gegeneinander antreten werden, bringt Merlin es nicht übers Herz, die herrliche Rüstung ungenutzt verrosten zu lassen. Er ruft Lancelot zu sich, und dessen erste Worte beim Anblick der Rüstung sind: ›Was seh' ich da — neue Künste, Magier?‹«
Barker grinste zuerst den Leutnant, dann Hawks an. »Ich hoffte, Sie würden die Parallele erkennen, die darin liegt, Doktor. Schließlich sind Sie doch angeblich ein gebildeter und belesener Mann.«
»Hm«, meinte Hawks nachdenklich und starrte Barker ins Gesicht. »Und wie lautet Merlins Antwort?« fragte er dann den Leutnant.
»›Du sagst es — mächtige Waffen.‹« Der junge Offizier sah zu Hawks hinüber. »Wollen Sie es weiterhören, Dr. Hawks?«
Hawks lächelte Barker verkniffen zu. »Ja, natürlich — ich bin auf die Fortsetzung gespannt. Vielleicht kaufe ich mir sogar das Buch, wenn mir die gekürzte Fassung gut genug gefällt.«
»›Nimm sie!‹« zitierte der Leutnant weiter. »›Nimm sie, der du schon mehr, als dir bestimmt war, hast bezwungen und bezwinge mehr!‹«
»›Aus deinen Worten spricht die Eifersucht, alter Mann‹«, antwortete Barker.
»›Du mußt sie nehmen!‹«
»›Wo blieb' sonst dein künstlich' Blendwerk? Du trittst mit deinem Leben dafür ein? Es wird mich nicht verlassen — auf keinem Feld, von keiner Lanze sich durchdringen lassen, die selbst deiner Kunst noch fremd?‹«
»›Und wenn sie fehlt, fehl' ich mit dir, mein edler Ritter.‹«
Barker stieß Sampson ungeduldig zur Seite, der immer noch mit dem Schultergurt beschäftigt war, und schnallte ihn selbst ab. »›Dann fehle nicht, kunstreicher Schmied‹«, flüsterte er dabei vor sich hin. »›Ich fleh' dich an — fehle nicht!‹«
Hawks sah Barker einen Augenblick lang schweigend an. Dann machte er einen Zeigefinger naß und beschrieb ein X in der Luft. »Einen Punkt für den ganzen Kerl«, sagte er dazu und verzog das Gesicht wie vor Schmerz.
9
Fidanzato ging mit Barkers Prothese fort. Einer der Techniker kam zu Hawks. »Ihre Sekretärin möchte Sie am Telefon sprechen, Doktor. Es scheint ziemlich dringend zu sein.«
»Danke.« Hawks ging zu der Telefonzelle, schloß die Tür hinter sich und nahm den Hörer auf. »Hier ist Hawks, Vivian. Was ist los — ein Anruf von Tom Phillips? Ich habe schon darauf gewartet. Legen Sie das Gespräch doch bitte hierher.« Er lehnte sich gegen die Wand und wartete darauf, bis Vivian ihn mit dem Admiral verbunden hatte. Nach kurzer Zeit vibrierte das Diaphragma in der Hörmuschel wieder, und Hawks meldete sich. »Ja, Tom. Oh, mir geht's immer gut. Ja. Heiß in Washington, was? Nein, hier nicht. Nur der übliche Nebel. Schön.« Dann hörte er gespannt zu und starrte dabei auf die gegenüberliegende Wand.
»Ja«, meinte er schließlich zögernd. »Nun, ich dachte, daß der Bericht über Rogan ähnliche Folgen nach sich ziehen würde. Nein, hör zu — wir haben eine neue Methode. Wir haben einen neuen Mann. Vielleicht klappt es mit ihm besser. Nein — ich meine eine neue Art Mann, der sich hervorragend für unsere Zwecke eignet. Nein, nein — hör zu, warum läßt du dir nicht seine Personalak te kommen? Al Barker. Ja, Bravo — Alpha — Romeo — Kilo — Echo — Romeo. Barker. Das Armeeministerium müßte sämtliche Unterlagen über ihn haben. Selbstverständlich ist er vom FBI überprüft worden. Ja. Er unterscheidet sich himmelweit von den netten jungen Kerlen, die wir bisher als Freiwillige hatten. Ja, das geht auch aus seinen Akten hervor. Wie wäre es mit einem persönlichen Auftreten vor dem Ausschuß, würde das helfen? Nein, ich weiß, daß sie seit Rogan und den anderen Angst um jeden haben, aber wenn wir …«
Er drehte nachdenklich an den Knöpfen seines weißen Kittels.
»Nein, Tom — denk doch nach! Glaubst du, daß ich es tun würde, wenn Barker nur ein ganz gewöhnlicher Freiwilliger wäre? Nein, er ist anders! Hör zu, wenn du … Schön, du hast keine Zeit, wir alle haben keine. Wann tritt der Ausschuß wieder zusammen? Übermorgen? Dann hättest du doch genügend Zeit, um kurz herzukommen und Barker selbst …«
Hawks schüttelte den Kopf und stemmte sich mit der flachen Hand von der Wand ab.
»Schon gut, ich weiß, daß du bis über beide Ohren in Arbeit steckst. Schön, wenn du auf meiner Seite stehst und nicht herkommen mußt, weil du mir völlig vertraust, warum hast du dann kein Vertrauen zu mir? Ich meine, wenn ich davon überzeugt bin, daß es diesmal klappt, warum glaubst du mir dann nicht?«
Er hörte wieder zu und zog die Augenbrauen hoch.
»Na, hör mal, wenn der Ausschuß die endgültige Entscheidung erst übermorgen treffen will, warum soll ich dann in der Zwischenzeit nicht weiterarbeiten? Bis dahin hätten wir einen erfolgreichen Versuch zu verzeichnen und alles wäre in bester Butter, wir … Glaubst du wirklich, daß ich meine Zeit dafür hergeben würde, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß Barker es schafft?«
Hawks seufzte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Also, wenn ich für die Ergebnisse garantieren könnte, brauchte ich keine Versuchsreihe durchzuführen! Wenn überhaupt, dann müssen wir Schritt für Schritt vorgehen!«
Er zuckte verzweifelt mit den Schultern.
»Okay, dann sind wir glücklich wieder bei demselben Thema angelangt — was soll das ganze Gerede? Ich bekomme ein sagenhaftes Gehalt, einen schönen militärischen Rang und wunderbare Geräte, weil ich es bin, aber wenn es zum erstenmal darum geht, sich auf mein Wort zu verlassen, dann kriegen die Brüder kalte Füße und sind vor Angst nicht einmal mehr imstande, sich zu überlegen, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Denkt ihr denn, daß ich mich bei meiner Arbeit nur auf Schätzungen verlasse?«
Hawks fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und hörte aufmerksam zu.
»In Ordnung«, sagte er schließlich erleichtert, aber trotzdem sehr kühl. »Ich rufe dich gleich übermorgen an und gebe dir das Ergebnis durch. Ja, ich denke an den Zeitunterschied! Gut. Und nein, nein — mach dir keine Sorgen deswegen«, schloß er dann, »ich werde mein Bestes tun, das verspreche ich dir. Ja. Ebenfalls, Tom. Ja, ja, selbstverständlich. Wiederseh'n.«
Er legte den Hörer auf und machte ein enttäuschtes Gesicht. Vor der Zelle wartete Sam Latourette auf ihn und sah ihn besorgt an. »Schwierigkeiten, Ed?«
Hawks schnitt eine Grimasse. »Kann man wohl sagen. Morgen muß es unbedingt klappen.«
»Sonst ist alles aus?« fragte Latourette ungläubig. »Einfach so? Jahrelange Forschungsarbeit und Millionen von Dollars — das soll alles umsonst gewesen sein? Sind die Kerle in Washington übergeschnappt?«
»Nein. Nein, sie sind auch nur Menschen. Sie haben Angst daß das Geld für unsere Versuche zum Fenster hinausgeworfen wird. Und dazu kommen noch die Verluste an Menschenleben. Was erwartest du denn von ihnen? Daß sie weiterhin Mörder unterstützen? Außerdem bedeutet das Ende der Mondversuche schließlich nicht automatisch den Abbruch der ganzen Versuchsreihe.«
Latourette lief vor Erregung rot an. »Das sind nur fromme Lügen, Ed! Continental Electronics braucht nur einen Anlaß — und schon brechen sie die Versu che mit Vergnügen ab. Vielleicht nehmen sie sie dann später wieder auf, aber bestimmt nicht sehr bald — und ohne dich. Das weißt du doch auch. Sie würden dich allmählich hinausdrängen und die Versuche einstellen, bis sich die Aufregung in Washington etwas gelegt hat. Sie …«