»Ich höre Sie laut und deutlich.«
»Die Kammer dient jetzt als eine Art Link-Trainer, in dem die gleichen Bedingungen wie bei einer Übertragung zum Mond herrschen. Ich möchte, daß Sie sich daran gewöhnen, deshalb wird auch die Beleuchtung ausgeschaltet.«
»Na, schön.«
»Dann beginnt der eigentliche Abtastvorgang. Der Hauptschalter arbeitet mit einer Verzögerung von dreißig Sekunden und bewirkt, daß Ihr Anzug in dieser Zeit automatisch den veränderten Bedingungen angepaßt wird. Wir tun unser Bestes, um menschliches Versagen weitgehend auszuschalten.«
»Ausgezeichnet.«
»Gleichzeitig wird Ihrer Atemluft ein Narkotikum beigemischt, das Ihre Nervenreaktionen bis zu einem gewissen Grad lahmlegt, ohne daß Sie dabei das Be wußtsein verlieren. Auf diese Weise sind Sie nahezu völlig unempfindlich gegen Druck- und Temperaturschwankungen. Die Wirkung läßt nach, sobald Sie sich im Empfänger befinden, und fünf Minuten später sind Sie wieder bei vollem Bewußtsein.«
»Okay.«
»Gut. Außerdem werde ich mein Mikrophon abschalten und es nur im Notfall benützen. Von diesem Zeitpunkt an betätigt der Einschaltknopf an meinem Mikrophon die beiden hydraulisch gesteuerten Ohrenstöpsel in Ihrem Helm. Sie sitzen ziemlich fest, werden aber sofort zurückgezogen, falls ich Ihnen dringende Anweisungen zu geben habe. Ihr Mikrophon bleibt eingeschaltet, damit wir Sie hören können, aber Sie selbst verstehen sich nicht.
Nachdem alle Ihre Sinne teilweise betäubt oder ganz stillgelegt sind, werden Sie bald daran zweifeln, ob Sie überhaupt noch am Leben sind. Sie werden sich fragen, ob Sie nicht schon längst gestorben sind, ob Ihr Gehirn noch funktioniert. Wenn dieser Zustand länger andauern würde, würden Sie nach einiger Zeit in eine hemmungslose Panik verfallen. Für unsere Zwecke genügt es völlig, wenn Sie die wenigen Minuten aushalten, die Sie heute in der Kammer verbringen werden. Wenn die Beanspruchung zu groß wird, werden wir Sie hören, und ich beginne dann mit Ihnen zu sprechen.«
»Das ist bestimmt ein großer Trost.«
»Ganz bestimmt sogar.«
»Noch etwas, Doktor?«
»Nein.« Hawks machte eine Handbewegung. Die beiden Männer hinter dem Tisch begannen zu schieben.
»Wo ist der Leutnant?« fragte Barker noch.
»Hier«, meldete sich der junge Offizier über Hawks' Mikrophon. »Was gibt es?«
»Mein Name ist Barker, mein Junge. Al Barker. Ich bin nicht eines Ihrer Versuchskaninchen, das Sie in Ihren komischen Apparat stecken können. Haben Sie sich den Namen gemerkt?«
»Jawohl, Sir.«
»Sagen Sie ihn mir, wenn ich hier wieder herauskomme! Aber nicht vergessen!«
Hawks sah sich um. Latourette stand am Kontrollpult. »Sehen Sie Sam zu«, sagte er zu Gersten, der neben ihm stand, »und merken Sie sich jeden Handgriff. Übersehen Sie möglichst nichts.« Er sah zu Weston hinüber, der mit verschränkten Armen an einer Datenverarbeitungsmaschine lehnte, und dann auf Holiday, den Arzt, der vor den ferngesteuerten Geräten stand, die Blutdruck, Puls, Atmung und Temperatur aufzeichneten.
»In Ordnung«, meinte Gersten, und Hawks wandte sich dem Pult vor ihm zu.
Über der Tür zu der Kammer brannte immer noch eine grüne Lampe, aber die Tür war bereits luftdicht verschlossen. Barkers Atem kam ruhig und gleichmäßig aus dem Lautsprecher.
»Prüfstrom ein«, sagte Hawks. Latourette legte einen Schalter um. Hawks sah zu den Technikern hinüber, die um ein Elektronengehirn herumstanden. Petwill, der Ingenieur, den die Firma Electronic Associates abgestellt hatte, nickte Hawks zu.
»Arbeitsstrom ein«, sagte Hawks. Die Lichter über dem Transmitter und dem Empfänger wechselten plötzlich von Grün zu Rot. Barkers Atem war nun beinahe unhörbar.
Dreißig Sekunden, nachdem Latourette den Hauptschalter betätigt hatte, begann das Band sich rasend schnell auf die bisher leere Spule aufzuwickeln, die rasch zu einer braunen Scheibe wurde. Die grünen Lichter flammten nacheinander wieder auf. Barker atmete sehr flach.
»Dr. Holiday, wenn Sie jetzt mit der Betäubung aufhören wollen …«, schlug Hawks vor.
Holiday nickte. Er schob einen Hebel vor, der das Ventil der dritten Flasche auf Barkers Rücken schloß.
Barkers Atemzüge wurden sofort kräftiger und schneller, aber er zeigte nach wie vor keine Anzei chen einer beginnenden Panik und gab keinen Laut von sich.
»Was halten Sie davon, Weston?« fragte Hawks.
Der Psychologe hörte nachdenklich zu. »Er hält sich ausgezeichnet. Atmung unter den gegebenen Umständen normal, anscheinend keine Schmerzen.«
Hawks sah den anderen an. »Und Sie, Dr. Holiday?«
Der Arzt nickte zustimmend. »Jetzt müßte er bereits mit weniger auskommen.« Er schob den Hebel weiter vor.
Hawks drückte auf den Sprechknopf seines Mikrophons. »Barker«, sagte er vorsichtig.
Die Atemzüge wurden stärker und ruhiger.
»Barker.«
»Ja, Doktor«, antwortete Barker irritiert. »Was ist denn?«
»Dr. Hawks, er bekommt jetzt kein Betäubungsmittel mehr«, meldete Holiday.
Hawks nickte. »Barker, Sie befinden sich jetzt in dem Empfänger. Sie werden gleich wieder bei vollem Bewußtsein sein. Haben Sie Schmerzen?«
»Nein!« schnauzte Barker. »Sind Sie jetzt mit Ihrem Spielchen fertig? Hat jeder genug?«
»Ich schalte jetzt die Innenbeleuchtung der Empfängerkammer ein. Können Sie sie sehen?«
»Ja!«
»Fühlen Sie Ihren ganzen Körper?«
»Klar, Doktor. Sie auch?«
»Schön, Barker, dann holen wir Sie jetzt heraus.«
Latourette schaltete die vorn und hinten angebrachten Magneten aus, einer der Techniker öffnete den Verschluß der Kammer, und zwei andere rollten den Tisch heran, um ihn Barker unterzuschieben. Weston und Holiday kamen heran, um Barker zu untersuchen, sowie man ihm den Anzug ausgezogen hatte.
»Okay, Sam«, sagte Hawks zu Latourette, als er sah, daß der hydraulisch bewegte Tisch sich so weit gehoben hatte, daß er Barker unterstützen konnte. »Jetzt kannst du die Seitenmagneten ausschalten.«
»Glaubst du, daß bei ihm alles in Ordnung ist?« fragte Latourette gespannt.
»Ich möchte auf Westons und Holidays Bericht warten. Aber meiner Meinung nach scheinen seine Körperfunktionen in keiner Weise beeinträchtigt zu sein.«
»Nicht übermäßig viel«, meinte Latourette finster.
»Es …« Hawks holte tief Luft und sprach ruhig weiter.
»Es genügt jedenfalls für unsere Zwecke.« Er legte den Arm um Latourettes Schultern. »Komm, Sam, machen wir einen kleinen Spaziergang, bis Weston und Holiday mit ihrer vorläufigen Untersuchung fertig sind. Gersten kann schon mit den Vorbereitungen für morgen anfangen.«
»Das möchte ich selbst erledigen.«
»Nein … nein, laß ihn es tun. Er wird es schon schaffen. Und … und in der Zwischenzeit können wir ein bißchen an die Sonne gehen. Ich muß etwas mit dir besprechen.«
12
Hawks saß auf der bequemen Couch in Elizabeth Cummings' Atelier. Er hielt ein Kognakglas in der Hand und beobachtete den Sonnenuntergang durch das Fenster hinter ihr. Sie sah ebenfalls hinaus, so daß er ihr Profil vor Augen hatte, und legte die Arme um ihre hochgezogenen Knie.
»Während meiner ersten Woche in der Oberschule«, sagte Hawks gerade, »mußte ich eine Entscheidung treffen. Sind Sie hier in der Stadt in die Volksschule gegangen?«