Hawks sah ihn stumm an.
Latourette faßte Hawks am Arm. »Cobey. Hat er dir die Anweisung gegeben, die Versuchsreihe abzubrechen?«
»Cobey kann mich nur um etwas bitten«, stellte Hawks richtig. »Ich bin ihm keineswegs unterstellt.«
»Aber er ist Präsident von Continental Electronics, Ed! Er kann dir das Leben schwermachen. Ihm wäre es nur recht, wenn die Gesellschaft endlich nichts mehr damit zu tun hätte.«
Hawks schüttelte den Kopf. »Die Navy hat die Entwicklung des Transmitters nur deshalb finanziert, weil ich ihn erfunden habe. Für jeden anderen hätten sie vermutlich keinen Cent hergegeben. Jedenfalls nicht für eine so verrückte Konstruktion.« Er sah über Latourettes Schulter hinweg auf die Maschine. »Cobey kann auf keinen Fall von dem Vertrag zurücktre ten, den er selbst entworfen hat — obwohl das Programm bisher nicht ganz nach Wunsch abgelaufen ist. Nein, wegen Cobey brauche ich mir keine Sorgen zu machen.« Er lächelte leicht. »Im Gegenteil — er muß sich meinetwegen Sorgen machen.«
»Und wie steht es mit dir? Wie lange kannst du das noch aushalten?«
Hawks trat einen Schritt zurück. »Worüber machen wir uns jetzt eigentlich Gedanken — über das Projekt oder über mich?«
Latourette seufzte. »Schön, Ed, tut mir leid«, sagte er bekümmert. »Aber was hast du jetzt vor?«
Hawks sah nachdenklich auf die mit Instrumenten bedeckte Wand hinter dem Materie-Transmitter. Die Techniker hatten ihre Tests abgeschlossen und einen Teil der Lampen ausgeschaltet, so daß der weitläufige Raum jetzt in ein ungewisses Halbdunkel getaucht war. Über dem Schaltpult leuchtete das grüne Zeichen STROM AUS wie das Auge eines Giganten.
»Wir haben keinerlei Einfluß auf dieses Ding, in das wir unsere Leute schicken«, sagte Hawks schließlich langsam. »Und wir haben bereits alles getan, was in unserer Macht stand, um unsere Arbeitsweise zu verbessern. Meiner Meinung nach bleibt uns nur noch eine Möglichkeit. Wir müssen nach einem ganz anderen Mann suchen, der sich als Versuchsobjekt eignet. Ein Mann, der nicht wahnsinnig wird, wenn er fühlt, daß er stirbt.« Er sah Latourette in die Augen.
»Schließlich gibt es alle möglichen Arten von Menschen auf dieser Welt«, sagte er. »Vielleicht finden wir wirklich einen Mann, der sich vor dem Tod nicht fürchtet, sondern ihn sogar sucht …«
»Du suchst also einen Verrückten«, stellte Latourette enttäuscht fest.
»Kann sein«, gab Hawks zu. »Aber wir brauchen trotzdem einen, dem der Tod nichts bedeutet. Es muß ein Mann sein, den das anzieht, was andere wahnsinnig werden läßt. Je stärker diese Eigenschaft bei ihm ausgebildet ist, desto besser eignet er sich für unsere Zwecke. Ein Mann, dem der Tod nichts bedeutet …« Hawks sah zu Boden. »Und ich werde ihn hinaufschicken, wenn er einwilligt.«
2
Der Personalchef von Continental Electronics war ein dicklicher Mann namens Vincent Connington. Er kam in Hawks' Büro gestürzt und schüttelte ihm kräftig die Hand. Er trug einen hellblauen Anzug aus Schantungseide und reichlich geschmacklose Cowboystiefel, dazu eine knallrote Krawatte und protzige Manschettenknöpfe. Er ließ sich ohne Aufforderung in einen Sessel fallen und sah sich neugierig um. »Mein Büro ist eigentlich auch nicht größer. Aber es sieht wesentlich freundlicher aus, weil ich einen Teppich hineingelegt und ein paar Bilder an die Wände gehängt habe.« Er wandte sich lächelnd an Hawks. »Ich wollte mich gern einmal mit Ihnen unterhalten, Doktor. Ich bewundere Sie wirklich. Sie leiten eine Abteilung und arbeiten trotzdem selbst mit, während ich den ganzen Tag hinter meinem Schreibtisch sitze und nur ab und zu nachsehe, ob meine Leute nicht eingeschlafen sind.«
»Ihre Abteilung scheint trotzdem ganz gut in Schwung zu sein«, sagte Hawks kühl. Er setzte sich auf und steckte die Hände in die Hosentaschen. Sein Blick streifte Conningtons Stiefel, dann sah er wieder auf seinen Schreibtisch. »Jedenfalls hat sie mir bisher immer ausgezeichnete Techniker geschickt.«
Connington grinste zufrieden. »Stimmt, Sie haben erstklassige bekommen.« Er lehnte sich nach vorn. »Aber das ist alles nur Routinearbeit.« Er nahm Hawks' letzte Anforderung aus der Innentasche seiner Jacke. »Das hier — diese Anforderung werde ich persönlich bearbeiten.«
»Hoffentlich klappt es«, meinte Hawks vorsichtig. »Ich kann mir vorstellen, daß es eine gewisse Zeit dauert, bis Sie einen Mann haben, der den Bedingungen entspricht, die ich stellen muß. Andererseits werden Sie hoffentlich berücksichtigen, daß wir nicht allzuviel Zeit haben. Ich möchte …«
Connington machte eine ungeduldige Handbewegung. »Oh, machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Ich habe schon den richtigen Mann für Sie, Doktor. Schon seit einiger Zeit.«
Hawks zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich?«
Connington grinste. »Kaum zu glauben, was?« Er lehnte sich in den Sessel zurück. »Doktor, nehmen wir einmal an, jemand käme zu Ihnen und gäbe Ihnen einen bestimmten Auftrag — sagen wir eine Schaltung, die eine gewisse Aufgabe erfüllen soll. Nehmen wir weiterhin an, Sie griffen in Ihre Schreibtischschublade und holten ein Blatt Papier heraus, auf dem genau diese spezielle Schaltung dargestellt ist. Toll, was? Und wenn der andere sich dann genügend darüber gewundert hat und lange genug den Kopf geschüttelt hat, weil Sie ihm die Schaltung sofort unter die Nase halten konnten, würden Sie ihm vermutlich erklären, daß Sie sich immer mit ähnlichen Problemen beschäftigen. Daß Sie sich auch dann mit diesem Gebiet befassen, wenn Sie an keinem besonderen Projekt arbeiten. Und daß Sie mit den neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet vertraut sind, weil Sie genügend Interesse dafür aufbringen, um die entsprechende Literatur zu studieren. Deswegen haben Sie sich eben darüber Gedanken gemacht, was für Probleme in nächster Zeit auftauchen könnten, und in einigen Fällen war die Lösung dafür so leicht zu finden, daß Sie sich kaum anstrengen mußten. Und daß Sie sich die Zeichnungen aufgehoben haben, bis jemand Sie danach fragen würde. Verstehen Sie, was ich damit sagen will? Wenn man die Sache so ansieht, ist es durchaus keine Hexerei. Nur das Werk eines talentierten Mannes, der seine Aufgabe erfüllt.«
Connington grinste breit. »Ich habe einen Mann an der Hand, der wie geschaffen scheint, Ihre Versuche durchzuführen. Er ist gesund, er steht jederzeit zu Ihrer Verfügung, und ich habe ihn während der letzten zwei Jahre regelmäßig darauf überprüfen lassen, ob seine Verwendung sich mit unseren Sicherheitsvorschriften vereinbaren läßt. Sie können ihn wirklich haben, Doktor — ich meine es ernst.«
Connington verschränkte zufrieden die Arme. »Sie sehen also, Doktor …« Connington sah aus dem Fenster, »Sie sind nicht der einzige ›Beweger‹ auf dieser Welt.«
Hawks runzelte leicht die Stirn. »Beweger?«
Connington kicherte vor sich hin, als habe er einen guten Witz gemacht, den nur er selbst verstand. »Auf der Erde gibt es viele Arten von Menschen. Aber sie alle lassen sich in zwei Gruppen aufteilen — eine größere und eine wesentlich kleinere. Es gibt Menschen, die aus dem Weg gestoßen oder auf Vordermann gebracht werden, und dann gibt es welche, die das besorgen. Es ist sicherer und bestimmt bequemer, sich herumschubsen zu lassen. Man braucht keinerlei Verantwortung zu übernehmen, und wenn man tut, was einem gesagt wird, bekommt man ab und zu einen Fisch zugeworfen.
Als ›Beweger‹ lebt man unsicherer, denn man riskiert immer, in eine Sackgasse zu geraten. Es ist auch nicht bequem, denn man muß ständig auf Trab sein, weil man sich seine Fische selbst besorgen muß. Aber es macht unheimlich Spaß.« Er sah Hawks ins Gesicht. »Habe ich nicht recht, Doktor?«
»Mr. Connington …«, begann Hawks. Er starrte den anderen an. »Ich bin noch nicht ganz überzeugt. Der Mann, den ich angefordert habe, muß außergewöhnliche Bedingungen erfüllen. Sind Sie ganz sicher, daß Sie ihn mir sofort zur Verfügung stellen können? Wollen Sie wirklich behaupten, daß Ihr Vorschlag nicht das Ergebnis sorgfältig überlegter Planung sei? Ich vermute, daß Sie einen bestimmten Grund dafür haben, diesen Mann vorzuschlagen, und daß Sie über den glücklichen Zufall froh sind.«