Gersten sah auf das Schaltpult hinunter und wandte sich an Hawks. »Sämtliche Stufen grün.«
»Los!« kam Hawks' Kommando sofort.
Über der Tür der Transmitterkammer glühte ein rotes Licht auf, und ein neues Band raste von einer Spule zur anderen. Einskomma-sechsundzwanzig Sekunden später lief der erste Zentimeter dieses Bandes bereits wieder durch ein zweites Gerät, das die darauf gespeicherten Informationen an den Laboratoriumsempfänger weiterleitete. Gleichzeitig damit erreichte der ausgestrahlte Impuls den Mond.
Die letzten Zentimeter des Bandes wanden sich um die zweite Spule. Über der Empfängerkammer flammte das grüne Licht auf. Barker L's schwere Atemzüge drangen aus dem Lautsprecher. »Ich bin hier, Doktor«, sagte er heiser.
Hawks stand mitten im Raum, hatte die Hände in den Hosentaschen und starrte gedankenverloren vor sich hin.
Einige Sekunden später war Barkers wütende Stimme wieder zu hören. »Schon gut, schon gut, ihr verdammten Seebären, ich kann selbst gehen!« Er fluchte laut. »Keinen Ton geben sie von sich, aber dafür treiben sie mich um so mehr an.«
»Halten Sie den Mund, Barker«, flüsterte Hawks eindringlich vor sich hin.
»Ich gehe jetzt hinein, Doktor«, sagte Barker deutlich. Sein Atemrhythmus änderte sich schlagartig. Zweimal räusperte er sich, einmal stieß er einen überraschten Laut aus.
Gersten berührte Hawks' Arm und zeigte auf die Stoppuhr, die er in der Hand hielt. Sie zeigte zweihundertvierzig Sekunden an, die Barker sich im Innern des Gebildes befand. Hawks nickte leicht. Gersten bemerkte, daß Hawks weiter auf die Uhr starrte, und hielt sie deutlich sichtbar.
Barker schrie entsetzt auf. Hawks machte eine Reflexbewegung und schlug dadurch Gersten die Stoppuhr aus der Hand.
Dr. Holiday schlug mit der geballten Faust auf den roten Knopf seines Schaltpults. Eine genau bemessene Dosis Adrenalin strömte in Barker L's Arterien, während die Narkose aufhörte.
»Holt ihn heraus!« rief Weston. »Holt ihn heraus!«
»Jetzt brauchen wir uns nicht mehr zu beeilen«, sagte Hawks leise, als könne Weston ihn selbst aus dieser Entfernung deutlich hören. »Was mit ihm geschehen sollte, ist bereits geschehen.«
Gersten sah auf die zersplitterte Stoppuhr und dann zu Hawks hinüber. »Das habe ich mir auch gerade gedacht«, meinte er.
Hawks runzelte die Stirn und ging zu dem Empfänger hinüber, durch dessen geöffnete Tür jetzt der Tisch hineingerollt wurde.
Barker saß in gebückter Haltung auf der Tischkante, der offene Schutzanzug lag demontiert neben ihm. Er wischte sich über sein schweißbedecktes Gesicht. Holiday hörte sein Herz mit einem Stethoskop ab und maß in regelmäßigen Abständen seinen Blutdruck. Barker seufzte. »Fragen Sie mich doch einfach, ob ich noch am Leben bin, wenn Sie irgendwelche Zweifel daran haben. Wenn ich darauf antworte, wissen Sie es genau.« Er sah über die Schulter des Arztes hinweg, der keine Antwort gegeben hatte, und wandte sich an Hawks. »Nun, was sagen Sie jetzt, Doktor?«
Hawks warf Weston einen fragenden Blick zu. Der Psychologe nickte ungerührt. »Er hat es tatsächlich geschafft, Dr. Hawks. Das beweist wieder einmal, daß selbst Neurosen durchaus sinnvoll eingesetzt werden können — in diesem Fall sogar entscheidend.«
»Barker«, begann Hawks, »ich …«
»Danke, Doktor, das können Sie sich sparen. Sie sind froh, daß alles geklappt hat.« Barker sah sich fragend um. »Ich übrigens auch. Hat einer vielleicht eine Zigarette für mich übrig?«
»Jetzt noch nicht«, widersprach Holiday scharf. »Vorläufig bin ich mit meiner Untersuchung noch lange nicht fertig.«
»Lauter harte Männer«, murmelte Barker vor sich hin. »Jeder ein kleiner Sklaventreiber.« Er warf einen Blick auf die Techniker, die den Tisch umringten. »Könnten Sie mich nicht ein bißchen später anstarren?« Sie zogen sich unentschlossen zurück und gingen wieder an ihre Arbeit.
»Barker«, sagte Hawks vorsichtig, »wie fühlen Sie sich jetzt? Alles in Ordnung?«
Barker sah ihn ausdruckslos an. »Ich kletterte aus dem Empfänger und wollte mich ein bißchen in dem Stützpunkt umsehen, als diese Trottel in Navy-Schutzanzügen auftauchten. Sie behandelten mich wie einen ungebetenen Eindringling, den man auf dem schnellsten Weg loswerden will. Wenn einer überhaupt den Mund aufmachte, klang es, als müsse er jedes Wort selbst bezahlen. Sie zeigten mir den getarnten Durchgang, der vom Stützpunkt aus zu dem Gebilde führt, und stießen mich halbwegs hinein. Einer von diesen Leuten begleitete mich bis zum Eingang des Gebildes — und sah mich auf dem ganzen Weg nicht einmal an.«
»Diese Leute haben selbst genügend Probleme«, warf Hawks ein.
»Das glaube ich. Jedenfalls drang ich ohne Schwie rigkeiten in das Innere ein und kam gut voran. Es …« Barkers Gesichtsausdruck zeigte jetzt keinen Ärger mehr, sondern tiefgreifende Verwirrung. »Es ist … ein bißchen wie ein Traum, wissen Sie? Kein Alptraum, nein — dort gibt es weder Schreckgespenster noch Angstschreie noch etwas Ähnliches — aber … einfach Regeln und diese verrückte Logik: Alice im Wunderland mit Zähnen.« Er machte eine rasche Handbewegung, als wolle er seine unbeholfenen Worte von einer Wandtafel abwischen. »Ich muß mir einen besseren Vergleich einfallen lassen. Das dürfte keine besonderen Schwierigkeiten bereiten. Ich muß mich nur wieder beruhigen.«
Hawks nickte. »Machen Sie sich keine Sorgen. Jetzt haben wir genügend Zeit.«
Barker grinste ihn unbefangen an. »Ich bin ein gutes Stück weiter als Rogan M gekommen, ist Ihnen das klar? Was mich schließlich erwischt hat, war … war … war die … war …«
Barkers Gesicht rötete sich, und seine Augen traten hervor. Seine Lippen zitterten. »Die … der …« Er starrte Hawks an. »Ich kann nicht!« rief er laut aus. »Ich kann nicht … Hawks …« Er wehrte sich heftig gegen Holiday und Weston, die ihn an den Schultern festhielten, und seine Hände verkrampften sich um die Tischkante. »Hawks!« schrie er dabei laut. »Hawks, das Ding hat sich nicht um mich gekümmert! Ich ha be ihm nichts bedeutet! Ich … ich war …« Sein Mund blieb halboffen stehen. »… einfach n-n-n-… ni… nichts!« Seine Augen suchten verzweifelt Hawks' Gesicht. Er atmete, als habe er eine schwere körperliche Anstrengung hinter sich.
Westen brachte Barker schließlich dazu, sich auf dem Tisch auszustrecken. Holiday fluchte leise vor sich hin, während er eine Ampulle absägte und eine Injektionsspritze füllte.
Hawks ballte die Fäuste. »Barker! Welche Farbe hatte Ihr erstes Schulbuch?«
»Ich … ich kann mich nicht mehr daran erinnern, Dr. Hawks«, stotterte Barker verwirrt. »Grün — nein, nein, es war orange mit blauer Schrift auf dem Umschlag. Und es enthielt eine Geschichte von drei Goldfischen, die aus ihrem Aquarium herauskletterten und dann wieder hineinsprangen. Ich … ich habe das Bild noch ganz deutlich vor Augen: drei Fische, die gleichzeitig in das Wasser eintauchen — jeder von kleinen Spritzern umgeben.«
»Hören Sie gut zu, Barker«, erklärte Hawks langsam und eindringlich. »Solange wie Sie zurückdenken können, sind Sie am Leben gewesen. Sie sind jemand. Sie haben etwas gesehen und können sich daran erinnern.«
Weston stieß ihn beiseite. »Um Himmels willen, Hawks! Überlassen Sie den Mann uns!« Holiday sah Barker nachdenklich an und legte dann die gefüllte Spritze beiseite.