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»Das trifft schließlich für alle Menschen zu. Keiner sieht die Welt so, wie sie die anderen sehen. Woraus sollte ich Ihrer Meinung nach bestehen — aus Edelstahl? Innen hohl, aber widerstandsfähiger als Gewebe und Knochen? Wäre das Ihr Ideal eines Mannes?« Hawks lehnte sich nach vorn. »Eine Maschine, die immer noch funktioniert, wenn die Sterne bereits erloschen sind und das Universum zu existieren aufgehört hat? Die noch da ist, wenn alle Lebewesen längst verwest sind? Ist das Ihre Vorstellung von einem wirklichen Mann?«

»Ein Mann muß zu kämpfen wissen, Hawks«, sagte Barker und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. »Ein Mann muß zeigen, daß er den Tod nicht fürchtet. Er muß in die Reihen seiner Feinde einbrechen und seinen Todesgesang singen, er muß töten oder getötet werden; er darf keine Furcht kennen; er darf nie zögern, wenn es gilt, seine Männlichkeit und seinen Mut zu beweisen. Aber ein Mann, der dem Feind den Rücken zukehrt, der am Rande des Schlachtfeldes bleibt und andere vor die Waffen der Feinde stößt …« Barker drehte den Kopf und sah Hawks gerade in die Augen. »Das ist kein Mann. Das ist ein Reptil, eine feige Natter.«

Hawks erhob sich und schob die Hände in die Hosentaschen. Sein Gesicht war über der Lampe nur undeutlich zu erkennen. Er wippte ungeduldig hin und her. »Sollte ich deshalb unbedingt mitkommen? Damit niemand behaupten kann, Sie hätten Angst davor, die Schlange an Ihren Busen zu pressen?« Hawks beugte sich zu Barker hinab und sah ihm ins Gesicht. »War das der Grund, Krieger?« fragte er herausfordernd. »Einer der Mannbarkeitsriten? Sie haben nie gezögert, Ihren Feinden Obdach und Schutz zu gewähren, nicht wahr? Ein tapferer Mann beherbergt jederzeit seine Mörder und läßt sie an seinem Tisch mitessen, stimmt's? Sollen sie nur kommen — Connington, der heimtückische Schuft, und Hawks, der blutrünstige Mörder! Und warum sollte Claire Sie nicht von einem todesmutigen Unternehmen in das andere hetzen? Hier ein Bein verloren, dort ein Stück Fleisch — was macht das Ihnen schon aus? Sie sind schließlich Barker, der Mimbreño-Krieger.

Ist das der wahre Grund? Aber jetzt wollen Sie nicht mehr kämpfen. Plötzlich wollen Sie nicht mehr in das Gebilde auf dem Mond zurück. Der Tod war zu unpersönlich für Sie. Er hat sich nicht darum gekümmert, wie tapfer Sie waren, was Sie vorher getan hatten. Das wollten Sie doch sagen? Sie waren wütend, Barker. Sie sind es jetzt noch. Wie kommt der Tod dazu, einen Krieger vom Stamme der Mimbreños zu ignorieren?«

»Sind Sie wirklich ein Krieger?« fragte Hawks. »Das müssen Sie mir erst beweisen, Barker! Wann haben Sie je einem von uns etwas angetan? Wann haben Sie einen Finger gerührt, um sich zu verteidigen? Sie glauben unsere Pläne zu kennen, aber Sie tun nichts dagegen. Sie möchten um nichts in der Welt in den Ruf eines Feiglings geraten, aber wann kämpfen Sie eigentlich? Und wogegen? Ihre schlimmste Drohung mir gegenüber bestand nur daraus, daß Sie den Kram hinschmeißen und nach Hause gehen wollten. Nein — Rennwagen und Skisprungschanzen, Motorboote und Flugzeuge: das sind die Gegner, gegen die Sie antreten. Auf diese Weise sind Sie immer Herr der Lage, und wenn Sie umkommen sollten, wird es heißen, daß menschliches Versagen daran schuld gewesen sei. Der Killer in Ihnen hat einmal über den Krieger die Oberhand behalten. Und was haben Sie während des Krieges getan — unzählige Nahkämpfe bestanden und dabei das Weine im Auge des Gegners gesehen? Nein, Sie haben immer nur aus dem Hinterhalt gemordet, und wenn Sie geschnappt worden wären, hätte man Sie an die nächste Wand gestellt. Haben Sie sich jemals mit einem ebenbürtigen Gegner gemessen — außer Ihnen selbst?

Sie haben Angst, Barker — Angst davor, daß Ihr Mörder nicht erkennen könnte, wie tapfer Sie gekämpft haben. Wie können Sie erwarten, daß andere Ihre Tapferkeit würdigen? Aber ein Krieger kennt keine Angst. Nicht einmal vor sich selbst. Ist das Ihre Erklärung für alles, Barker? Ist das Ihr Dilemma? Denken Sie einmal nach — glauben Sie wirklich, daß Sie unter Ihren Feinden leben müssen, um Ihre Tapferkeit zu beweisen, wenn Sie es nicht einmal wagen, ihnen in offener Schlacht entgegenzutreten, weil Sie darin umkommen könnten, ohne Ihren Namen unsterblich gemacht zu haben? Ist das der Grund dafür, daß ein Fremder Ihnen nur zu drohen braucht, um in Ihr Leben einbezogen zu werden? Und dafür, daß Sie sich von anderen langsam zu Tode quälen lassen, sich ihnen aber nie entgegenstellen und zugeben, daß Sie in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt sind? Wenn Sie sich nicht dagegen wehren, könnten die anderen von Ihnen ablassen, aber wenn Sie kämpfen, könnten Sie ruhmlos sterben?« Hawks sah Barker fragend an. »Ich frage mich«, meinte er nachdenklich, »ob das nicht einiges erklärt, was mir bisher an Ihnen rätselhaft war.«

Barker stand langsam aus seinem Sessel auf. »Wie kommen Sie eigentlich dazu, mir das zu sagen, Hawks?« sagte er ruhig. Er stellte die Flasche auf den Tisch neben sich, ohne dabei die Augen von Hawks zu lassen.

Hawks rieb sich die Hände an der Jacke ab. »Denken Sie über heute vormittag nach, Barker. Sie hatten sich das Ding auf dem Mond wie eine besonders schwierig zu meisternde Piste vorgestellt, nicht wahr? Ein paar gefährliche Stellen, aber schließlich nicht die erste, die Sie bezwungen haben.

Aber dann starben Sie — und niemand konnte Ihnen erklären, gegen welche Regeln Sie verstoßen hatten. Sie hatten die Grenzen des bekannten Gebiets überschritten. Sie konnten sich nicht damit über Ihren Tod hinwegtrösten, daß Sie die Regeln nicht gekannt oder nicht beachtet hätten. Nein, das konnten Sie nicht denn dort oben gab es keine Regeln. Sie fanden den Tod, ohne zu erkennen, was ihn verursachte. Und Sie hatten keine Zuschauer, die Ihre Geschicklichkeit be klatscht und Ihr tragisches Ende beklagt hätten. Eine unsichtbare Hand griff nach Ihnen — und niemand weiß warum. Plötzlich erkannten Sie, daß Ihre Kunst hier versagen mußte.

In diesem Augenblick standen Sie den unbekannten Mächten des Universums gegenüber. Die Menschheit hat einige von ihnen teilweise zu beherrschen gelernt, Barker, und jetzt bildet sie sich ein, sie sei allen gewachsen. Aber ein Mann, der eine Sprungschanze hinunterrast, beherrscht deshalb noch lange nicht die Erdanziehung oder die Reibungskräfte, die dabei eine Rolle spielen. Er kann sich ihnen nur in gewisser Weise anpassen und damit etwas vollbringen, was für andere tödlich wäre. Aber alle Ihre Erfahrung als Skispringer hilft Ihnen nichts, wenn Sie ohne Fallschirm aus einem Flugzeug fallen. Die Schwerkraft läßt sich selbst durch tausend gelungene Sprünge von einer Schanze nicht beeinflussen. Das Universum verfügt über unendlich viele Todesarten, die wir erst jetzt allmählich kennenlernen. Und das haben Sie am eigenen Leibe erlebt.

Der Tod gehört zu den Eigenschaften des Universums, Barker. Er ist nur ein Vorgang innerhalb einer komplexen Maschinerie. Das Universum stirbt seit seiner Entstehung. Haben Sie etwa erwartet, eine Maschine würde sich darum kümmern, wer zwischen ihre Räder gerät? Der Tod gleicht einem fallenden Stern — er ist ein Naturereignis, das weder auf bunte Wimpel an der Lanze noch auf den Siegeskranz in der Hand des Sterbenden achtet.

Kein Durchschnittsmensch könnte diese Erfahrung machen, ohne daran zu zerbrechen. Sie haben sie heute gemacht. Sie saßen im Labor auf dem Tisch und waren über die Ungerechtigkeit des Schicksals sprachlos — weil Sie sich nie überlegt hatten, daß Gerechtigkeit ebenfalls nur eine Erfindung der Menschen ist. Und trotzdem geht es Ihnen jetzt schon wieder besser. Der Schock ist abgeklungen. Jeder Schock verliert allmählich an Wirkung — jeder, nur einer nie. Sie sind kein hilflos vor sich hinmurmelnder Idiot wie Rogan und die anderen. Sie haben es überlebt und sind dabei nicht verrückt geworden. Warum, Barker?

Wissen Sie, warum Sie noch bei Verstand sind? Ich glaube, daß ich Ihnen diese Frage beantworten kann. Sie sind es, weil Sie Claire, Connington und mich haben. Weil Sie zu uns zurückkommen wollten. Sie suchen nicht den Tod, sondern nur das Abenteuer, das in einer tödlichen Bedrohung liegt. Nicht den Tod, sondern Mörder …«