Hawks zuckte mit den Schultern.
»Was ist er denn schon?« wollte Barker wissen. »Ein fetter Kerl mit schlechten Manieren, einem miserablen Charakter und rudimentären Kenntnissen auf dem Gebiet der Psychologie, die er vermutlich aus populärwissenschaftlichen Schmökern bezogen hat. Ich bin schon oft von sogenannten Experten getestet worden, Doktor, und sie sind alle gleich. Was sie nicht selbst tun könnten, ist für sie anomal. Was sie nicht selbst zu tun wagen, wird bei anderen als krankhaft bezeichnet. Sie besitzen alle ein schönes Diplom, das sie auf irgendeiner obskuren Universität erworben haben, sie werfen mit lateinischen Fachausdrücken um sich und bilden sich ein, sie seien nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Ich habe auch eine gute Erziehung genossen, ich weiß, wie es in der Welt zugeht und was für ein Kerl Connington wirklich ist. Wo ist er schon gewesen? Was hat er bisher geleistet? Er ist ein Würstchen, Hawks — wenn man ihn mit einem richtigen Mann vergleicht.«
Barker holte tief Luft und lächelte erbarmungslos. »Er bildet sich ein, für mich Pläne machen zu können. Er hält mich für einen Trottel, den man ausnutzen und dann wegwerfen kann, wenn man ihn nicht mehr braucht. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus! Möchten Sie sich mit mir über Kunst unterhalten, Doktor? Abendländische oder östliche. Oder Medizin? Oder Archäologie?
Suchen Sie sich ruhig etwas aus. Ich kann Ihnen über alles einen Vortrag halten. Ich bin ein Mann, Hawks!« Barker stand auf. »Ich kenne keinen besseren. Gehen wir wieder zu der Dame hinüber.«
Er ging langsam über den Rasen, und Hawks folgte ihm wortlos.
Claire drehte sich auf den Rücken und richtete sich auf. Dann verschränkte sie die Hände hinter dem Nacken und sah von einem zum anderen. »Na, zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen?«
»Oh, mach dir nur keine Sorgen«, antwortete Barker. »Du wirst es bald genug erfahren.«
Claire lächelte. »Du hast dich also noch nicht entschlossen? Ist dir der Job nicht interessant genug?«
Barker runzelte ärgerlich die Stirn.
Plötzlich brach Connington hinter ihnen in lautes Gelächter aus. Er war so leise über den Rasen gekommen, daß niemand seine Schritte gehört hatte.
Connington trug ein halbvolles Glas in einer Hand und umklammerte mit der anderen eine beinahe leere Whiskyflasche. Sein gerötetes Gesicht und seine unnatürlich erweiteten Pupillen ließen darauf schließen, daß er den Inhalt der Flasche innerhalb kürzester Zeit getrunken hatte. »Prima Zeug, Al. Willst du auch einen Schluck? Wie steht's mit dem Auftrag? Du nimmst doch an, alter Junge?«
Barkers Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. »Ja, selbstverständlich!« rief er sofort aus. In seiner Stimme schwang ein verzweifelter Ton mit. »Diese Gelegenheit kann ich mir einfach nicht entgehen lassen — um nichts in der Welt!«
Claire lächelte vor sich hin.
Hawks beobachtete die anderen.
Connington kicherte leise. »Was hätte er sonst sagen sollen?« fragte er. Er machte eine ironische Handbewegung, als stelle er jemand vor. »Meine Damen und Herren, vor Ihnen steht ein Mann, der für seine blitzschnellen Entscheidungen berühmt ist. Das versteht ihr nicht, was?« sagte er zu den anderen. »Ihr seht die Dinge eben anders. Ich will es euch erklären.
Ein Naturwissenschaftler wie unser guter Dr. Hawks hier betrachtet die Welt nur von einem Gesichtspunkt aus. Jede Ursache hat eine Wirkung — und umgekehrt. Und so läßt sich alles ganz nett erklären, warum sollte man also neue Wege suchen? Männer wie Sie, Barker, bilden sich ein, das Weltgeschehen werde durch menschliche Großtaten und Wagnisse bestimmt. Und Ihre Betrachtungsweise scheint ebenfalls richtig zu sein.
Aber die Welt ist groß. Kompliziert. Selbst eine Halbwahrheit kann lange für wahr angesehen werden und die ganze Wahrheit lange Zeit hindurch ersetzen. Hawks kann sich zum Beispiel einbilden, er könne Ursachen verändern, um gewünschte Wirkungen zu erzielen. Und Sie, Barker, Sie können Hawks und sich für Übermenschen halten — Angehörige der Herrenrasse. Hawks kann sich vorstellen, Sie seien ein besonderer Faktor, der in eine neue Umgebung eingebracht wird, damit er die neue Umgebung erforschen kann. Und Sie können sich für einen unbesiegbaren Recken halten, der einen heldenhaften Kampf mit dem Unbekannten besteht. Und so geht es ewig weiter, immer rundherum, und wer hat recht? Beide? Vielleicht, vielleicht. Aber werdet ihr es aushalten, wenn ihr aufeinander angewiesen seid?«
Connington lachte hämisch und bohrte seine Absätze in den gepflegten Rasen. »Ich bin ein richtiger Personalchef. Ich schere mich nicht um Ursache oder Wirkung. Helden sind mir piepegal. Menschen — die kenne ich. Das genügt völlig. Ich habe ein Gespür für sie. Ich kenne ihre geheimsten Regungen. Wie ein Chemiker Wertigkeiten auswendig weiß. Wie ein Physiker die Ladungen in einem Atomkern aufzählen kann. Positiv, negativ. Atomgewicht, Zahl der Elektronen, Anziehungskräfte, Schalen und Umlaufgeschwindigkeiten. Ich bringe sie zusammen. Ich mi sche sie miteinander. Ich nehme Menschen und finde den richtigen Job für sie. Und die Leute, mit denen sie am besten zusammenarbeiten können. Ich nehme eine Handvoll Menschen und verändere sie, bis sie so reagieren, wie ich es mir vorgestellt habe — und ich kann auch Sprengstoff aus ihnen machen, wenn es mir paßt. Das ist meine Welt!
Manchmal hebe ich mir Menschen auf für den richtigen Job, an dem sie sich voll entfalten können. Für die Menschen, zu denen sie am besten passen.
Barker und Hawks — diese Kombination wird mein Meisterstück. Ihr seid füreinander bestimmt, ihr ergänzt euch hundertprozentig. Und ich, ich habe euch entdeckt, ich habe es fertiggebracht, ich habe euch zusammengestoßen, und jetzt ist es nicht mehr zu ändern, niemand kann die kritische Masse wieder auseinandernehmen, und früher oder später muß die große Explosion kommen — und wer beschützt dich dann, Claire?«
4
Hawks brach als erster das lähmende Schweigen. Er griff nach der Flasche, riß sie Connington aus der Hand und holte weit aus. Die Flasche segelte durch die Luft und verschwand über den Rand der Klippe. Dann wandte er sich an Barker. »Bevor Sie endgültig zusagen, möchte ich zunächst noch einige Details mit Ihnen besprechen.«
Barkers Gesicht nahm einen verbissenen Ausdruck an, er ließ Connington immer noch nicht aus den Augen. Dann warf er sich plötzlich herum. »Wie oft wollen Sie eigentlich noch hören, daß ich Ihren verdammten Job annehme?«
Claire ergriff Als Hand und zog ihn zu sich herunter, gab ihm einen zärtlichen Kuß und strich ihm über die Haare. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und lächelte Hawks von dort aus beruhigend zu. »Keine Sorge, Ed, er wird es tun«, sagte sie leise. »Besser als jeder andere.«
»Was ist denn mit euch los? Macht euch das gar nichts aus?« stotterte Connington ungläubig und schüttelte heftig den Kopf. »Habt ihr mich nicht verstanden?«
»Wir haben gehört, was Sie gesagt haben«, antwortete Hawks kühl.
»Na, und?« fragte Connington herausfordernd.
»Ich möchte Sie etwas fragen, Connington«, sagte Hawks. »Sollte Ihre hübsche kleine Rede dazu dienen, Barker und mich wieder auseinanderzubringen? Obwohl Sie doch genau wissen, daß wir jetzt unzertrennlich sind, wie Sie es gehofft haben?«
»Nicht gehofft«, widersprach Connington. »Geplant.«
Hawks nickte. »Na, schön«, meinte er müde. »Das dachte ich. Sie wollten also nur eine Ansprache halten. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber Sie hätten sich einen anderen Zeitpunkt aussuchen sollen.«
Claire lachte strahlend. »Pech gehabt, Connie, was? Du warst so überzeugt, daß wir umfallen würden. Aber jetzt ist immer noch alles wie früher. Und du stehst wieder draußen, ohne zu wissen warum.«