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Hawks erreichte schließlich den kleinen Laden, der an der Kreuzung der Hauptstraße mit der Nebenstraße lag. Er trug seine Anzugjacke über dem Arm, und sein Hemd, dessen Kragen er unterdessen weit geöffnet hatte, klebte schweißnaß an seinem muskulösen Oberkörper.

Er blieb stehen und betrachtete das verwahrloste Gebäude mit der bunten Leuchtreklame, den emaillierten Werbeschildern und dem vollgestopften Schaufenster. Neben dem Eingang stand ein Stapel Kisten, die leere Coca-Cola-Flaschen enthielten.

Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, zog seine Schuhe aus und balancierte unbeholfen auf einem Bein, während er den Sand und die Steine erst aus dem einen, dann aus dem anderen entfernte. Dann ging er auf den Laden zu.

Er stand neben den beiden Benzinzapfsäulen, von denen bereits die Farbe abblätterte, und sah die Straße entlang. Der Verkehr war gering, nur ab und zu rollte ein Fahrzeug vorbei. Die Autos schienen auf den schimmernden Luftspiegelungen zu schwimmen, die die brütende Hitze in den kleinsten Vertiefungen der Straßenoberfläche hervorrief. Die Luft flimmerte.

Hawks wandte sich um, zog die Tür mit dem rosti gen Fliegengitter auf und betrat das Innere des Ladens.

Der winzige Raum war mit Regalen und Schaukästen verstellt, die beinahe jeden verfügbaren Quadratmeter einnahmen und nur enge Durchgänge frei ließen. Er sah sich um, zwinkerte ungeduldig mit den Augen, als er zunächst in dem hier herrschenden ungewissen Halbdunkel kaum etwas erkennen konnte, und öffnete sie dann wieder. Der Laden war leer, der Besitzer nirgends zu sehen. Im Hintergrund führte eine niedrige Tür in einen dunklen Raum. Hawks knöpfte sich den Kragen zu und zog die Krawatte hoch.

Draußen rollte ein Auto von der Straße herunter und hielt vor den Zapfsäulen. Hawks sah durch das Fliegengitter der Tür hinaus. Das Mädchen am Steuer des alten Ford hatte das Fenster heruntergekurbelt und wartete auf den Tankwart.

Hawks drehte sich um und wollte durch die kleine Tür in den dunklen Raum gehen. Dann blieb er jedoch unentschlossen stehen.

Die Autotür öffnete und schloß sich wieder, als das Mädchen ausstieg. Sie ging an die Eingangstür des Ladens und sah hinein. Sie war klein, zierlich und schwarzhaarig, mit blassem Gesicht und vollen Lippen, die sie jetzt zusammenpreßte, während sie die Hand über die Augen hielt, um das Innere des La dens besser sehen zu können. Ihr Blick fiel auf Hawks, und er zuckte verlegen mit den Schultern.

Sie öffnete die Tür, und die Glocke bimmelte. »Ich möchte etwas Benzin«, sagte sie zu Hawks.

Aus dem dunklen Raum drang plötzlich ein Geräusch — quietschende Bettfedern und schlurfende Schritte, die von einem lauten Gähnen begleitet wurden. Hawks wies mit dem Daumen in diese Richtung.

»Oh …«, meinte die junge Frau überrascht. Sie warf einen Blick auf Hawks' Anzug und lächelte verlegen, als wolle sie ihn um Entschuldigung bitten. »Ich … ich … es tut mir wirklich leid, aber ich dachte, Sie seien hier angestellt.«

Hawks schüttelte den Kopf.

Ein fetter, glatzköpfiger Mann in Khakihosen und Unterhemd kam aus dem dunklen Raum herausgeschlurft. Er trug weite Pantoffeln an seinen geschwollenen Füßen, die Hosen drohten nach unten zu rutschen, so daß er sie mit einer Hand festhalten mußte. Er rieb sich die Augen und gähnte dabei lauthals, ohne sich im geringsten zu genieren. »Nur mal ein paar Minuten gepennt«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Mich könnte man glatt ausrauben, wenn ich schlafe.« Er räusperte sich und rieb sich den Nacken. »Na, was soll's denn sein?« fragte er dann unfreundlich.

»Dieser Herr hier war zuerst da«, sagte die junge Frau.

Der Ladenbesitzer sah Hawks fragend an. »Warten Sie schon lange? Ich habe niemand hereinkommen hören.« Er sah forschend auf die Jacke, die Hawks über dem Arm hängen hatte, und warf einen Blick auf die Regale. »Wie lange sind Sie schon hier?«

»Ich möchte nur wissen, ob hier ein Bus hält, der in die Stadt fährt.«

»Aber Sie wollten einfach warten, bis ich auftauchen würde? Und wenn in der Zwischenzeit ein Bus vorbeigefahren wäre? Dann wären Sie sich doch reichlich blöd vorgekommen, was?«

Hawks seufzte. »Fahren denn hier überhaupt Busse vorbei?«

»Jede Menge, mein Freund. Aber keiner von ihnen hält, um hier Fahrgäste aufzunehmen. Aussteigen können Sie überall, wenn Sie aus der Stadt kommen, aber die Fahrer haben strenge Anweisung, niemand auf freier Strecke zusteigen zu lassen — außer an den vorgesehenen Haltestellen. So sind eben die Bestimmungen. Haben Sie kein Auto?«

»Nein. Wie weit ist es bis zur nächsten Haltestelle?«

»Ungefähr zwei Meilen in dieser Richtung.« Der fette Mann machte eine erklärende Handbewegung. »An der nächsten Tankstelle.«

Hawks fuhr sich mit dem Taschentuch über das Gesicht. »Am besten bedienen Sie erst einmal die jun ge Dame hier, während ich mir darüber Gedanken mache, wie ich wieder in die Stadt komme.« Er lächelte kurz. »Sie können mich ruhig durchsuchen, wenn Sie wieder hereinkommen.«

»Ich habe eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf in meinem Zimmer, mit der ich Sie glatt aus dem Laden herauspusten könnte«, drohte der Mann. Dann wandte er sich an die junge Frau. »Sie möchten tanken, Miss?« Er grinste breit. »Wird sofort erledigt.« Er zwängte sich an Hawks vorbei und drückte seine schwammige Hand gegen die Tür, um sie offenzuhalten. »Überlegen Sie sich lieber, was Sie tun wollen, Freundchen«, sagte er dabei zu Hawks. »Zu Fuß gehen, Auto anhalten, etwas kaufen — schließlich habe ich nicht den ganzen Tag lang Zeit.« Er grinste die junge Frau wieder an. »Zunächst muß ich mich um die junge Dame hier kümmern.«

Sie lächelte Hawks unsicher an. »Entschuldigung«, sagte sie leise, als sie an ihm vorbeiging. Ihre Schultern und Hüften berührten den Türrahmen, als sie sich möglichst weit von dem Ladenbesitzer entfernt hindurchzwängte.

Der Mann ließ seinen lüsternen Blick über ihren Rock und ihre Bluse wandern und folgte ihr.

Hawks beobachtete sie durch das Fenster, wie sie einstieg und dreißig Liter Normalbenzin verlangte. Der Mann riß den Tankschlauch aus seiner Halterung und drehte wütend an der Kurbel, mit der die Skalen auf Null gestellt wurden. Dann sah er mit den Händen in den Hosentaschen zu, wie das Benzin durch das automatische Ventil in den Tank floß. Als das automatische Überlaufventil sich schloß, während der Durchlaufzähler der Zapfsäule neunundzwanzig erreichte, riß der Mann den Schlauch sofort wieder aus dem Einfüllstutzen und knallte ihn wieder in die Halterung. Er nahm die Fünfdollarnote entgegen, die ihm die junge Frau aus dem Fenster hielt. »Sie müssen mit in den Laden kommen, ich habe hier kein Kleingeld«, schnauzte er und ging auf die Tür zu.

Hawks wartete, bis der Mann sich über den Ladentisch gebeugt hatte, um die darunter angebrachte Schublade zu öffnen. »Geben Sie mir das Wechselgeld, ich nehme es der Dame mit hinaus«, sagte er dann.

Der Mann richtete sich auf, drehte sich langsam um und starrte Hawks an. »Ich …«, begann er, aber Hawks unterbrach ihn. »Sie sind doch einverstanden?« fragte er die junge Frau, die unsicher wartend in der halbgeöffneten Tür stand.

Sie nickte. »Ja«, antwortete sie nervös.

Der Ladenbesitzer schob das Wechselgeld über den Ladentisch. Hawks zog die Augenbrauen hoch und sah ihn fragend an.

»Stimmt's etwa nicht, Mister?« wollte der Mann angriffslustig wissen. »Wollen Sie hinausgehen und sich selbst davon überzeugen, wieviel die gottverdammte Pumpe anzeigt?«

»Sie haben zuviel berechnet. Es waren nur neunundzwanzig Liter — ich habe nachgesehen.« Hawks warf dem Ladenbesitzer einen kalten Blick zu, bis der Mann sich plötzlich nach unten beugte und wieder in der Kassenschublade herumwühlte. Er kramte einige Münzen hervor und gab sie Hawks.