"Aua, aua – oh weh, oh weh", war überall zu hören. Alles war wie immer. Am Ende des Spaziergangs sahen die Kinder nicht mehr wie normale, anständige Kinderlein aus, sondern vielmehr wie angemalte Clowns.
Kapitel 4
Gesangsunterricht in der Großen Gruppe
Es war langsam Zeit für das Mittagessen. In der Großen Gruppe fing der Musikunterricht an. Der Musiklehrer Herr Pummelkowski war ein großer Mann. Er sah überhaupt nicht wie die anderen Pummelaner aus. Seine langen Beine und dünnen Arme waren auch der Grund, warum die rundlichen Pummelaner ihn verspotteten.
Der Musikunterricht in der Großen Gruppe fing unmittelbar vor dem Mittagessen an.
"F-Dur, bitte", wandte sich Herr Pummelkowski an den Kapellmeister. Die Finger des Pianisten tanzten über die Tasten und Musik schwang durch das ganze Zimmer. Die Kinder fingen an zu singen, allerdings nicht sehr schön.
"Stopp, stopp", der Lehrer klatschte in die Hände, "Ihr singt nicht richtig. Ab hier noch mal, bitte", und er sang eine Zeile richtig vor. Er drehte sich zum Prinzen um und sagte: "Ihr singt unrein, mein Herr. Probiert es noch einmal…"
Er hatte schon den Arm geschwenkt und Musik begann, den Raum zu erfüllen, als er plötzlich hörte:
"Ich werde nicht singen. Ihr unterrichtet uns falsch!"
Die Röte schoss dem Prinzen ins Gesicht. Pummelino blickte Herrn Pummelkowski mit böse funkelnden Augen finster an.
"Falsch unterrichten? Ich?", erwiderte bestürzt Herr Pummelkowski.
"Ja, Ihr", rief der Prinz und zeigte mit dem Finger auf ihn.
"Falsch, falsch", fingen nun auch die anderen Kinder der Großen Gruppe an zu rufen. Sie wollten nicht mehr singen. Sie schrieen und stampften mit den Füßen.
"Entfernt diesen Lehrer von uns, er unterrichtet uns falsch!"
Die Kindergartenleiterin schaute ängstlich durch die spaltbreit geöffnete Tür.
"Er macht nicht das, was wir wollen", brüllten die Kinder.
"Er muss hingerichtet werden", schlussfolgerte der Prinz unbarmherzig.
"Hinrichten, hinrichten", wiederholten die Anderen.
"Hinrichten? Weswegen? Ich mache doch nur meine Arbeit. Ich wollte ihnen die wunderbare Welt der Musik nahe bringen. Aber vielleicht bin ich ja wirklich ein schlechter Lehrer", dachte Herr Pummelkowski und ließ den Kopf niedergeschlagen hängen.
Die Wache war augenblicklich zur Stelle und führte den vom Unglück verfolgten Musiklehrer ab. Er ging mit niedergeschlagenem Blick und verbarg seine langen Arme auf dem Rücken.
Die Musikstunde war vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatte.
Kapitel 5
"Stille Stunde" im Kindergarten
"Das ist wirklich sonderbar", flüsterte Prinzessin Pummelinchen ihrer Freundin ins Ohr. Sie lagen nebeneinander auf ihren Bettchen und schmiegten sich eng aneinander. Im Kindergarten "Pummellütt" war gerade "Stille Stunde".
"Der Musiklehrer ist wirklich ein guter Lehrer. Wie sie es nur wagen konnten, die Wache zu rufen", entrüstete sie sich weiter.
"Ja, er ist ein guter Lehrer. Er hat uns doch das feine Liedchen beigebracht", erwiderte Pummelette und fing mit ihrer erkälteten Stimme an zu singen:
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter!
Du grünst nicht nur zur Sommerszeit,
nein auch im Winter, wenn es schneit
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter!
Fröhlich stimmte Prinzessin Pummelinchen ein und sang mit:
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen!
Wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit,
ein Baum von dir mich hoch erfreut.
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen!
Sie vergaßen vollkommen, dass gerade "Stille Stunde" war und neben ihnen die Kinder schliefen. Sie richteten sich auf ihren Bettchen zu voller Größe auf und sangen zu zweit lauthals weiter. Um sie herum wurden die Kinder wach. Erst waren sie etwas verstimmt, aber dann sangen alle gemeinsam das Lied zu Ende:
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
dein Kleid will mich was lehren:
Die Hoffnung und Beständigkeit
gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit.
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
dein Kleid will mich was lehren.
Als die Kinder alle Strophen des bekannten Weihnachtsliedes gesungen hatten, sprangen sie auf ihren Betten auf und ab, bewarfen sich mit Kissen und schlugen Purzelbäume auf dem Boden. Die "Stille Stunde" in der Mittleren Gruppe ging ihrem Ende entgegen.
"Wir werden ihn retten", verkündete die Prinzessin unerfindlicherweise flüsternd.
"Natürlich werden wir das!", rief Pummelette und schmiss mit einem Kissen.
Kapitel 6
Der Palastkerker
Es war Nacht geworden. Wie kleine Laternen blinkten die Sterne am samtenen Himmelsgewölbe. Eine Sichel des zunehmenden Mondes schaute hinter dem alten Palastturm hervor. Im Kerker war es kalt. Der Musiklehrer schlief, den Kopf auf seine Hände gebettet, auf einem Lumpensack. Ein Kerzenstummel erleuchtete die Zelle des Gefangenen nur spärlich. Eine große, finstere Ratte hatte es sich am Eingang zu ihrem Loch gemütlich gemacht und erwartete den Moment, an dem die Kerze endgültig erlöschen würde. Im Schlüsselloch der Tür drehte sich ein Schlüssel, dann öffnete sie sich knarrend. Der Lehrer wischte sich die schlaftrunkenen Augen und rief überrascht aus:
"Eure Hoheit!"
Auf der Schwelle der Kerkerzelle stand der König von Pummelland. Aber was war das? Der König wurde plötzlich immer kleiner. Er wurde vollkommen winzig. Die Krone auf seinem Kopf geriet ins Wackeln und plumpste auf den Boden. Und aus dem königlichen Mantel heraus blickten zwei grinsende Gesichter. Es waren die Prinzessin Pummelinchen und ihre beste Freundin Pummelette!
"Ach, kleine Prinzessin!", wunderte sich der Lehrer noch mehr, "Ich muss wohl träumen."
"Nein, Ihr träumt nicht", krächzte Pummelette erkältet.
"Schnell, schnell, raus hier", trieb die Prinzessin zur Eile an.
Herr Pummelkowski verlor keine Zeit mehr mit leerem Gerede und schlüpfte durch die geöffnete Tür. Die alte Ratte piepste unzufrieden und verbarg sich wieder in ihrem Loch.
Von den Wachen war draußen nichts zu sehen. Die Kinder versteckten sich im Schatten der Palastmauer und liefen schnell zu den Toren. Schon nach einigen Minuten standen die Prinzessin Pummelinchen, ihre Freundin Pummelette und der Musiklehrer vor den Toren des Palastes.
"Was passiert denn jetzt? Der König wird sowieso erfahren, was passiert ist und dann…", der Lehrer kam nicht dazu, auszureden, weil ihn die Prinzessin unterbrach.
"Beeilt Euch, Herr Pummelkowski. Ihr müsst Euch in der Hütte im Wald verstecken und dürft Euch keine Sorgen machen. Ich werde mir schon was einfallen lassen."
Der Lehrer drückte die zerzausten Köpfe der Mädchen für einen Moment an sich und rannte in Richtung Wald davon. "Diese feinen Kinderlein! Wenn nur der König auch weiterhin nichts davon erfährt!", dachte er, als er sich im Gestrüpp eines Busches versteckte.
"Komm, wir gehen in den Palast – wir müssen noch den Mantel und die Krone zurück bringen", stellte die kleine Prinzessin fest.
Kapitel 7
Die Verkleidungsaktion
Eine Stunde früher, nachdem sie aus dem Kindergarten nach Hause gekommen war, hatte sich die Prinzessin den Plan für die Befreiung des Musiklehrers ausgedacht. Der Plan war ziemlich einfach: man brauchte sich nur als König zu verkleiden, den Kerkerschlüssel zu beschaffen und die Tür zu öffnen, hinter der der Lehrer schmachtete. Die Prinzessin schlüpfte unbemerkt in das königliche Schlafzimmer und ging in den geheimen Wandschrank hinein. Hinter dem war die Tür, die zu den Geheimgängen des Palastes führte. Nachdem sie einige Meter durch diese gelaufen war, stieß sie auf eine weitere Tür. Sie führte zu einer Kammer, in der alte, ausgemusterte Sachen aufbewahrt wurden. In der Kammer war es dunkel. Der schwache Schein einer Kerze flackerte in der Hand der Prinzessin.