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Ben Bova

Rückkehr zum Mars

Für Barbara:

»… standhaft wie der Stern des Nordens, Dessen unwandelbar stetiges Wesen Nicht seinesgleichen hat am Firmament.«

»Es sollte uns nicht überraschen, wenn wir entdecken, dass sich das Leben, wo immer es entstanden ist, rasch von einem Planeten zum anderen ausgebreitet hat. Was für Lebewesen wir auf dem Mars auch finden mögen, sie sind wahrscheinlich entweder unsere Vorfahren oder unsere Vettern.«

Freeman J. Dyson

»Bestimmte wissenschaftliche Themen gelten als ›unschicklich‹. Es bildet sich eine Art wissenschaftlicher Zensur heraus, die verhindern soll, dass diese Ideen größere Verbreitung erfahren und den allgemein akzeptierten Status Quo der gegenwärtigen Orthodoxie in Frage stellen. Aber in der Wissenschaftsgeschichte wimmelt es nur so von Ideen, die anfänglich mit Stirnrunzeln betrachtet, aber später, manchmal erst lange nach dem Tod ihrer Verfechter, doch akzeptiert wurden.«

Malcolm Smith

Hört die weisen Worte der Alten:

Die rote und die blaue Welt sind Brüder, gemeinsam aus derselben kalten Dunkelheit geboren und vom selben Vater Sonne ernährt. Bei der Geburt wurden sie getrennt und so blieb es für Äonen. Nun jedoch sind sie wie echte Brüder miteinander verbunden.

PROLOG:

DIE HIMMELSTÄNZER

Der gemietete Minivan holperte und schaukelte in den Spurrinnen der ungepflasterten Straße dahin, und Jamie Waterman warf einen kurzen Blick auf die untergehende rote Sonne, die die zerklüftete Silhouette der Berge berührte. Jamie fuhr zu schnell und er wusste es. Aber er wollte da sein, bevor sein Großvater starb.

Bald würde es dunkel sein, dann musste er langsamer fahren. Die unmarkierte Straße, die sich durch die Wüstenhügel wand, würde dann nur von seinen Scheinwerfern beleuchtet werden — und von den Sternen. Genauso gut könnte ich den Rover auf dem Mars fahren, sagte er sich.

Als die Sonne hinter den fernen Bergen verschwand und die Schatten über die Wüste hinweg nach ihm griffen, wurde Jamie klar, dass er noch einmal anhalten und nach dem Weg fragen musste. Vor etlichen Kilometern war er an einem Hogan vorbeigekommen, aber es hatte dunkel und leer ausgesehen.

Jetzt erblickte er einen Trailer, rostige Metallwände und ein windschiefes Vordach über der Fliegentür. Licht im Innern. Zwei zerbeulte Pickups davor. Als er Staub und Kieselsteine aufwirbelnd zum Stehen kam, kläffte ein Hund im Schatten.

Die Fliegentür klappte auf und ein junger Mann erschien im Eingang: Jeans, T-Shirt, Bierdose in einer Hand, langes, geflochtenes Haar.

Jamie kurbelte das Fenster auf der Fahrerseite herunter und rief: »Ich suche Al Waterman.«

Das Licht aus dem Trailer fiel von hinten auf den jungen Mann, sodass sein Gesicht nicht zu erkennen war.

Jamie wusste trotzdem, wie es aussah: phlegmatische, dunkle Augen, breite Wangen, die Gefühle hinter einer gleichgültigen Maske verborgen. Nicht viel anders als seines.

»Wen?«

»Al Waterman.«

Der junge Navajo schüttelte den Kopf. »Wohnt hier nicht.«

»Ich weiß. Er ist in einem Hogan ein Stück weiter die Straße runter, glaube ich. Das haben sie mir jedenfalls am Posten erzählt.«

»Hier nicht«, wiederholte der junge Mann.

Jamie verstand seine Einsilbigkeit. »Er ist mein Großvater. Er liegt im Sterben.«

Der Navajo trat auf den staubigen Boden herunter und kam langsam zu Jamies Minivan herüber. Seine Stiefel knirschten auf dem kiesigen Erdreich.

Er musterte Jamie eingehend. »Bist du der Kerl, der zum Mars geflogen ist?«

»Ja. Al ist mein Großvater. Ich will zu ihm, bevor er stirbt.«

»Al Waterman. Der alte Mann aus Santa Fe?«

Jamie nickte.

»Ich bring dich hin. Häng dich an mich dran.« Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er mit großen Schritten zu einem der beiden Pickups.

»Fahr nicht zu schnell«, rief Jamie. Er war durch die Badlands des Mars gefahren, aber er hatte keine Lust, in halsbrecherischem Tempo hinter zwei trüben Heckleuchten her durch die dunkle Wüste von New Mexico jagen zu müssen.

Aber der Junge brauste natürlich in einer Staubwolke davon. Jamie schaltete auf Vierradantrieb und folgte ihm grimmig. Beide Hände ums Lenkrad gekrampft, rang er schwitzend mit dem rüttelnden Minivan.

Al Waterman war sein ganzes Erwachsenenleben hindurch Ladenbesitzer in Santa Fe gewesen und hatte eine Eigentumswohnung in der Stadt sowie eine Skihütte in den Bergen, aber jetzt, wo er im Sterben lag, war er ins Reservat zurückgekehrt, in dem er geboren war.

Jeder schien über Al und seinen berühmten Enkel Bescheid zu wissen, den Mann, der zum Roten Planeten geflogen war. Überall, wo Jamie anhielt, um nach dem Weg zu fragen, wussten die Leute genau, wo sich Als Hogan befand. Das Problem war, dachte Jamie, während der Minivan durch die Dunkelheit holperte, dass es an diesen alten Straßen keine Schilder gab. Nichts als Dunkelheit und der klare Wüstenhimmel. Tausende von Sternen, aber kein einziges Schild, das ihm den Weg wies.

Schließlich kam der Pickup bei der niedrigen Kuppel eines Hogans schlitternd zum Stehen. Jamie hielt neben ihm, aber der junge Mann setzte bereits zurück, um wieder nach Hause zu fahren.

»Danke!«, rief Jamie zum Fenster hinaus.

»'kay«, hörte er aus dem Transporter, als dieser Kies spuckend in die Nacht davonbrauste.

Angst vor dem Tod, dachte Jamie. Kein Navajo würde an einem Ort bleiben, wo jemand gestorben war, ob aus Respekt oder aus Angst vor bösen Geistern, wusste Jamie nicht. Nach Als Tod würden sie diesen Hogan aufgeben. Was sie wohl mit Trailern machen, fragte sich Jamie, während er aus dem Minivan stieg.

Der Hogan war kaum mehr als ein rundlicher Buckel aus getrocknetem Lehm auf dem Wüstenboden. Durch ein einzelnes, mit Vorhängen verhängtes Fenster fiel Licht heraus. Die Nacht war kalt, aber still, der dunkle Himmel so klar, dass die funkelnden Sterne fast zum Greifen nah wirkten.

Drinnen im Hogan war es irgendwie noch kälter. Jamie zog den Reißverschluss seiner himmelblauen Windjacke zu; das kümmerliche Feuer im Kamin warf ein flackendes Licht, spendete jedoch keine Wärme. In einer Ecke beim Feuer saß eine alte, in eine bunte Decke gehüllte Frau auf dem Boden. Sie nickte Jamie einmal kurz und wortlos zu, stumm und unerschütterlich wie ein Stein.

Al lag auf dem Bett in der anderen Ecke, zusammengerollt wie ein Baby, nur noch die Hülse des Mannes, der er einmal gewesen war, eine Hülse, deren Inneres der Krebs aufgefressen hatte. Dennoch schlug er die Augen auf und lächelte, als Jamie sich über ihn beugte.

»Ya'aa'tey«, flüsterte er. Sein Atem roch nach Verwesung und von der Sonne ausgedörrter Erde.

»Ya'aa'tey«, gab Jamie zurück. Es ist gut. Das war eine Lüge, an diesem Ort und zu dieser Zeit, aber es war der alte Gruß.

»Das hast du bei deiner Ankunft auf dem Mars gesagt.« Als Stimme war schon so leise wie die eines Gespensts. »Weißt du noch?«

Es waren die Worte, die Jamie kurz nach der Landung der ersten Expedition in die Fernsehkamera gesprochen hatte.

»Ich fliege wieder hin«, sagte Jamie und beugte sich tief hinunter, damit sein Großvater ihn hören konnte.

»Zum Mars? Wirklich?«

Jamie nickte knapp. »Es ist offiziell. Ich bin der Missionsleiter.«

»Gut«, hauchte Al mit einem schwachen Lächeln. »Der Mars ist dein Schicksal, mein Sohn. Dein Weg führt zur roten Welt.«

»So ist es wohl.«

»Geh in Schönheit, mein Sohn. Jetzt kann ich glücklich sterben.«

Nein, du wirst nicht sterben, Großvater, wollte Jamie sagen. Du wirst noch viele Jahre leben. Aber die Worte kamen ihm nicht über die Lippen.