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»Wem sagst du das«, maulte Dex.

Die drei beugten sich näher heran, als Dex den letzten, untersten Abschnitt der Wand ganz am Ende abbürstete, wo sie im rechten Winkel an die andere Wand stieß.

»Bilder, ganz recht«, sagte Dex, der immer noch auf den Knien lag.

Jamie spähte durch die sich lichtende Staubwolke. Die Bilder ganz unten an der Wand wirkten primitiv, wie hastig hingeworfene Zeichnungen.

»Was ist das?«, fragte Trudy und zeigte auf das, was sie meinte.

Jamie sah ein schiefes, knolliges Gebilde, das auf eine holprige, geneigte Linie gekritzelt war.

»Eine Erektion«, kicherte Dex.

»Sei nicht so blöd«, fuhr Trudy ihn an.

»Was immer es sein soll, es ist eine ziemlich primitive Arbeit«, sagte Dex.

»Und das hier?«, fragte sie erneut. »Sieht aus, als hätte jemand einfach mit den Fingernägeln ein halbes Dutzend Striche auf den Stein gekratzt.«

Fuchida beugte sich so nah heran, dass seine Sichtscheibe beinahe den Stein berührte. »Seht mal, hier sind Punkte, da und da … das hier sieht aus wie ein Kreuz oder ein x.«

Dex tat es mit einem »Narben im Stein« ab.

»Nicht dieses x-Symbol«, beharrte Fuchida.

Jamie starrte konzentriert auf die primitiven Zeichnungen. Er wusste mit der ganzen Gewissheit uralter Weisheit, dass der primitive Künstler ihnen etwas mitteilen wollte. Er hat nicht bloß irgendwelche Graffiti hingeworfen. Diese Symbole haben ihm etwas bedeutet. Sie bedeuten auch jetzt etwas. Aber was? Was wollte er sagen? Was wollte er im Stein festhalten? Wie lautet die Botschaft, die er uns hinterlassen hat?

»Die Philologen werden sich prächtig damit amüsieren«, sagte Hall.

Dex richtete sich langsam auf. Die Gelenke seines Anzugs knarzten leicht. »Die drehen garantiert total durch.«

Jamie merkte, wie sein Rückgrat knirschte, als er ebenfalls aufstand. »Ja, vor Frustration. Sie haben keine Möglichkeit, diese Inschrift zu entschlüsseln. Die Bilder vielleicht, aber nicht die Inschrift.«

»Kein Stein von Rosette«, sagte Fuchida.

»Genau«, sagte Jamie. »Die Sprachen des Altertums konnte man nur übersetzen, wenn man bereits vorhandene Übersetzungen in bekannte Sprachen fand. Man braucht einen Schüssel.«

»Und den gibt es hier nicht«, erkannte Dex das Problem. »Es ist alles marsianisch.«

»Keine Verbindung zu irgendeiner Sprache auf der Erde«, sagte Fuchida.

»Vielleicht helfen die Bilder«, meinte Hall.

»Vielleicht.«

»Ich würde nicht darauf wetten«, sagte Jamie.

Dex lachte. »Eins ist sicher.«

»Was?«

»Sie werden Myriaden unterschiedlicher Erklärungen für jedes Symbol an dieser Wand erfinden.«

»Und keine zwei davon werden übereinstimmen.« Fuchida brach in ein Kichern aus.

»Aber sie werden Unmengen von Abhandlungen darüber schreiben«, sagte Hall und begann ebenfalls zu lachen.

Jamie stand in seinem Anzug stumm da, während die anderen drei am Rande der Hysterie lachten. Sie lassen Dampf ab, erkannte er. Sie müssen lachen oder weinen oder es laut in die Welt hinausschreien. Ich kann's ihnen nicht verdenken. Es ist die größte Entdeckung aller Zeiten. Aber was bedeutet sie?

Was, in Dreiteufelsnamen, bedeutet sie?

Er starrte die Symbole an. So hübsch und ordentlich am Anfang. Professionelle Arbeit. Sie waren stolz darauf. Aber unten am Boden nur Gekritzel.

Was ist hier passiert? Was ist mit diesen Leuten geschehen?

Ihm war kalt, und er fühlte sich so schwach, als könnten ihn seine Beine nicht länger tragen. Der Weg endet hier, Großvater. Sie haben eine Botschaft hinterlassen, aber wir können sie nicht verstehen.

»Jamie? Alles in Ordnung?«

Es war Dex' Stimme. Jamie bewegte sich, richtete den Blick auf die drei anderen Menschen in ihren unpersönlichen Raumanzügen.

»Ja, ja. Alles okay.«

Dex sagte: »Ich hab grade gesagt, wir müssen DiNardo und seinen Ausschuss davon unterrichten.«

Jamie nickte in seinem Helm. »Und die ganze Welt.«

Sie hatten sich von ihrer ersten Reaktion erholt. Jetzt waren sie wieder sachlich und nüchtern. Fuchida belichtete ein Bild nach dem anderen.

»Wir sollten die Videoausrüstung herholen«, sagte Hall.

»Und das VR-Gerät«, ergänzte Dex. »Jeder Tourist auf der Welt wird das sehen wollen!«

Jamie drehte sich um und entfernte sich von den anderen. Einen wahnwitzigen Moment lang dachte er, es wäre besser, das ganze Bauwerk mit Dynamit zu sprengen, es unter Tonnen von Gestein zu begraben, sodass niemand es jemals wieder fand, es in Frieden zu lassen und dafür zu sorgen, dass nie wieder ein Mensch seinen Fuß hineinsetzte.

TAGEBUCHEINTRAGUNG

Sie geben mir die Schuld an allem. Ich bin ihr Sündenbock. Wenn etwas schief geht, ist es meine Schuld. Sie sind viel zu clever, als dass sie unumwunden damit herausrücken würden, aber ich merke es an der Art, wie sie hinter meinem Rücken über mich reden, an der Art, wie sie mich anschauen, wenn sie glauben, ich kann sie nicht sehen. Sie sind so begeistert von der Felsenbehausung und der Inschrift. Sie werden niemals abreisen wollen. Aber ich werde sie alle überlisten. Ich werde dafür sorgen, dass sie abreisen MÜSSEN, ob sie wollen oder nicht.

BOSTON

»Eine Inschrift?«, fragte Darryl C. Trumball. »Sie haben tatsächlich eine Inschrift gefunden?«

Er saß in seiner Limousine, die sich durch den fast schon stehenden Verkehr am Storrow Drive quälte. Autos hupten. Ein kalter Winterregen wurde von einem böigen Nordweststurm durch die Straßen gepeitscht. Der Charles River war wieder über die Ufer getreten und brachte den Verkehr noch mehr zum Erliegen als sonst.

Sein persönlicher Assistent, ein nichts sagender junger Mann, der in Harvard seinen Abschluss in Betriebswirtschaft gemacht hatte, war augenscheinlich ganz aus dem Häuschen. Sein Bild auf dem Monitor zwischen den beiden nach hinten weisenden Sitzen der Limousine war klein und körnig, aber der Mann schien drauf und dran zu sein, einen Freudentanz aufzuführen.

»Eine Inschrift! Ja, Sir! Marsianische Schrift! Es ist phantastisch, ein einmaliger Fund, die größte Entdeckung aller Zeiten, wirklich!«

Trumball hatte seine Erregung besser im Griff. Die Aktienkurse der größten Reiseveranstalter waren erheblich gestiegen; die Aktien der Luft- und Raumfahrtunternehmen liefen noch besser. Jede neue Nachricht über die Marsexpedition trieb die Kurse weiter in die Höhe.

»Sir«, sagte sein Assistent, »ich glaube, es wäre an der Zeit, in dieser Sache eine viel proaktivere Position zu beziehen.«

»In welcher Sache?«, knurrte Trumball und lehnte sich tiefer in den üppig gepolsterten Rücksitz der Limousine. Er warf einen Blick auf die Bar neben sich, aber er hatte sich geschworen, abends erst etwas zu trinken, wenn er zu Hause war.

»Wir müssen eine Organisation aufbauen, um Touristen zum Mars zu bringen«, antwortete sein Assistent ungeduldig. »Die Nachfrage steigt, und nachdem nun auch noch diese marsianische Inschrift entdeckt worden ist, werden die Leute hinfliegen und sie mit eigenen Augen sehen wollen! Wie die Sixtinische Kapelle oder diese Höhlenmalereien in Spanien.«

»Sie meinen, es gibt jetzt schon eine messbare Nachfrage?«

»Durchaus möglich, Sir — wenn Sie die Führung übernehmen und den Trend prägen.«

»Und was schlagen Sie vor?«, fragte Trumball verdrießlich. Er konnte die dunklen Umrisse der Gebäude, die den Drive flankierten, kaum ausmachen, so heftig prasselte der Regen herab. Was er jetzt brauchte, war ein gutes, wärmendes Gläschen Bourbon, aber er wusste, wenn seine Frau bei seiner Rückkehr Schnaps in seinem Atem roch, würde sie wieder einen ihrer tränenreichen Vorträge über seinen gottverdammten Blutdruck vom Stapel lassen.