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Die neue Kuppel war mit der unbemannten Nachschubmission von der Erde gekommen, zusammen mit einem flexiblen Zugangstunnel, der sich per Fernsteuerung mit der Luftschleuse eines Rovers verbinden ließ, und zwar entweder aus dem Innern der Kuppel oder aus dem Innern des Rovers heraus. Nun konnten die Forscher den Weg vom Rover zur Kuppel und umgekehrt ohne Raumanzug zurücklegen.

Der Nachschub-Lander hatte auch einen ähnlichen Tunnel für die alte Kuppel mitgebracht, die noch immer an ihrem ursprünglichen Platz auf Lunae Planum stand. Deschurowa und Fuchida montierten ihn gerade an die Luftschleuse.

Im Verlauf der letzten sechs Monate hatten die Forscher die Verbreitung der Flechte über das gesamte Antlitz des Mars kartiert. Fuchida war erneut zum Olympus Mons geflogen, um noch mehr Proben der Ares olympicus-Bakterien zu sammeln, und hatte dann — mit fast schon delirösem Entzücken — ähnliche Arten steinfressender Bakterien in zwei weiteren Tharsis-Schildvulkanen entdeckt.

Deschurowa hatte trotz ihrer brennenden Sehnsucht, wieder einmal in die Luft zu kommen, nur bei einem dieser Flüge mit Fuchida am Steuerknüppel gesessen. Die Pflichten der Missionsleiterin lasteten schwer auf ihr, aber sie konnte ihre Liebe zum Fliegen nicht ganz überwinden. »Mit dem Rang sind immerhin einige Privilegien verbunden«, sagte sie in bestimmtem Ton, als sie ihre Entscheidung bekannt gab, das Raketenflugzeug zu fliegen.

Fuchida organisierte sämtliche Exkursionen zu den Vulkanen und führte sie auch selber durch. Trudy Hall war eigentlich für die Hälfte davon eingeteilt, aber die beiden Biologen erklärten, Trudy wolle sich lieber mit der Flechte auf dem Boden des Canyons beschäftigen und Fuchida die Vulkane überlassen.

Als Dex Trudy damit aufzog, dass sie wohl Angst vorm Fliegen hätte, sprang ihr Tomas bei. »Glaubst du etwa, es ist nicht Furcht einflößend, an diesem Seil vier Kilometer rauf und runter zu fahren? Mann, ich fühl mich erheblich sicherer, wenn ich in irgendwas sitze, das wenigstens Flügel hat.«

Stacy arbeitete einen präzisen Arbeitsplan für alle acht aus. Dieser Plan sah vor, dass Jamie in der neuen Kuppel am Canyon blieb, während Stacy selbst die meiste Zeit in der alten Basis auf Lunae Planum verbrachte. Jamie staunte darüber, wie sie es schaffte, Vijay fern zu halten, wenn er und Dex am selben Ort waren. Er sah Vijay, wenn Dex nicht da war, und er wusste, dass sie Dex sah, wenn er nicht da war.

Jamie hatte nicht mehr mit Vijay geschlafen, seit er von seinem Posten als Missionsleiter zurückgetreten war. Er sagte sich immer wieder, dass sie mit Dex auch nicht schlief. Er gab sich alle Mühe, es zu glauben, und meistens gelang es ihm auch. Aber es gab Momente, wenn Dex mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht von einer Fahrt zur alten Kuppel zurückkehrte, da brannte Jamie innerlich.

Trotzdem verstand er sich gut mit Dex. Wenn Vijay nicht da war, arbeiteten und aßen sie Seite an Seite. Sie stellten Vermutungen über das marsianische Bauwerk und die Marsianer selbst an. Und sie machten sich Gedanken über den Tag, an dem Dex' Vater eintreffen würde, um seine kommerziellen Operationen in Angriff zu nehmen.

»Warum bringen wir das IUK nicht dazu, dieses Gebiet zu beanspruchen?«, schlug Dex eines Abends vor, als sie beide über zwei Bechern Kaffee in der Messe der neuen Kuppel hockten.

Jamie wandte sich über Connors an Dr. Li und über Li an den Vorstandsvorsitzenden des IUK.

Walter Laurences normalerweise stets gelassene Miene wirkte gequält, als er schließlich auf Jamies flehende Botschaften antwortete. Jamie wartete bis spät in der Nacht, ehe er Laurences Botschaft öffnete; in der Kuppel war es still, die Beleuchtung war gedämpft, die meisten anderen schliefen bereits.

Selbst auf dem Bildschirm von Jamies Laptop machte der Direktor des Internationalen Universitätskonsortiums einen aufgeregten, unglücklichen Eindruck.

»Dr. Waterman«, begann er steif, und seine erdbraunen Augen schauten etwas zu weit nach unten, auf sein Bild auf dem Monitor statt in die Kamera darüber, »der gesamte IUK-Vorstand hat ihre Bitte sehr ausführlich erwogen.«

Jamie sah schweigend zu, wie Laurence sich durch ein langes, verschlungenes Sortiment von Ausreden wand. Der Mann fuhr sich immer wieder mit einer Hand durch seine dichte, silberne Mähne, als wäre er in großen Nöten.

»Also, langer Rede kurzer Sinn«, schloss Laurence endlich, »der Vorstand ist der Ansicht, dass es unangebracht wäre, wenn das IUK das Nutzungsrecht für irgendeinen Teil des Mars beanspruchen würde — ebenso wie für irgendeinen anderen Himmelskörper im Sonnensystem. Wir haben uns der wissenschaftlichen Forschung verschrieben, nicht der Grundstückserschließung.«

Als Jamie zu Dex' Kabine ging, kam ihm der schon entgegen.

»Hast du Laurences Antwort gesehen?«, fragte Jamie überflüssigerweise.

»Hat so viel Rückgrat wie ein Schleimpilz, der Kerl«, grollte Dex. »Er und sein ganzer verdammter Vorstand.«

»Sie werden es nicht riskieren, sich den Zorn deines Vaters zuzuziehen.«

»Nein«, stimmte Dex zu. »Geld regiert eben die Welt.«

»Wir haben nur noch dreißig Tage, bis die Unterstützungsmission startet.«

»Mit dem lieben alten Dad an Bord.«

Sie gingen zusammen durch die halbdunkle Kuppel zur Messe. »Kommt dein Vater wirklich mit?«

»Er hat alle Tests bestanden. Hat mir ein Video geschickt — Dad im Raumanzug, wie er im großen Wassertank in Huntsville Notfallprozeduren übt.«

»Ja, ja, Geld regiert die Welt«, knurrte Jamie.

Während der ganzen letzten sechs Monate hatte Fuchida sich Jamie geschnappt, wann immer es möglich war, um ihn davon zu überzeugen, dass einer der Forscher absichtlich ihre Ausrüstung sabotierte.

Das defekte Radlager des Rovers, den Stacy gefahren hatte, war zum Zankapfel geworden. Mitsuo untersuchte es und behauptete, er sähe Hinweise darauf, dass jemand sich daran zu schaffen gemacht habe.

»Siehst du diese Kratzer hier an der Dichtung, die versagt hat?« Der Biologe zeigte sie ihm. »Das war Absicht! Jemand hat die Dichtung zielbewusst aufgestemmt, damit Staub eindringen konnte und das Lager sich festfraß.«

Jamie schaute sich das Radlager in Mitsuos Hand genau an. Er sah die Kratzer, musste dem Biologen aber sagen, dass man nicht erkennen konnte, ob sie durch eine absichtliche Beschädigung entstanden waren.

»Wie denn sonst?«, wollte Fuchida wissen.

»Durch Staubpartikel«, meinte Jamie. »Oder vielleicht durch Steinchen, die von dem Rad aufgewirbelt worden sind.«

Der Biologe schüttelte störrisch den Kopf.

»Ich könnte Wiley bitten, sich das Lager mal anzuschauen«, sagte Jamie. »Mal sehen, was er meint.«

»Bringt nichts, wenn er der Saboteur ist«, erwiderte Fuchida deprimiert.

Jedes Mal, wenn ein Gerät nicht funktionierte oder wenn es einen kleinen Unfall gab, wenn einer der Forscher stolperte oder sich auf irgendeine Weise eine Blessur zuzog, fügte Fuchida es der Liste der ›Indizien‹ hinzu, die er sammelte. Mindestens einmal pro Woche rief er Jamie an, meistens nachts, wenn alle anderen schliefen — und selbst dann wirkte er heimlichtuerisch, misstrauisch und argwöhnisch.

Schließlich blieb Jamie nichts anderes übrig, als ihm zu erklären: »Mitsuo, du wirst allmählich paranoid, was diese Sache betrifft.«

Überraschenderweise stimmte der Biologe ihm zu. »Ich weiß«, sagte er mit leiser, angespannter Stimme. »Ich frage mich langsam, ob ich verrückt werde. Warum bin ich der Einzige, der sieht, was hier vorgeht?«

Jamie versuchte, es von der leichten Seite zu nehmen. »Vielleicht bist du schlauer als alle anderen.«

»Oder verrückter«, gab Fuchida zu.

Durchaus möglich, dachte Jamie.