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Stacy tippte Vijay mit einem schweren, dicken Finger auf die Schulter. »Oder ist es vielleicht eine Projektion, wie ihr Psychologen das nennt?«

»Eine Projektion?«

»Du kannst dich nicht auf Jamie festlegen, also glaubst du, dass Trudy dasselbe Problem hat.«

»Ich kann mich nicht …?« Vijays dunkle Augen blitzten auf, dann wandte sie den Blick von Deschurowa ab.

Mit einem grimmigen Lächeln sagte Deschurowa: »Dex und Jamie sind beide in der zweiten Kuppel. Ich glaube, es ist gut, dich von ihnen fern zu halten. Keine Party.«

Und damit marschierte sie aus dem Krankenrevier.

Statt einer Party brachte Deschurowa alle acht Forscher beim Abendessen auf elektronische Weise zusammen. Sie stellte ein Bildtelefon ans Ende des Tisches in der Messe von Kuppel Eins und befahl Jamie, in Kuppel Zwei dasselbe zu tun.

»Möge dieser Meilenstein im Zeichen von Einheit und Kameradschaft stehen«, sagte sie vom Kopfende ihres Tisches aus und hob ein Glas Grapefruitsaft.

»Einheit und Kameradschaft«, wiederholte Jamie am Kopfende seines Tisches.

Doch als er einen Blick auf die drei anderen warf, die bei ihm waren, wurde Jamie klar, dass der Toast jedes Inhalts entbehrte. Fuchida hatte den Verdacht, dass einer ihrer Kameraden ein wahnsinniger Saboteur war, und Rodriguez ließ den Kopf hängen, weil er jetzt gern bei Trudy gewesen wäre.

Als er Dex ansah, dachte Jamie, dass er sich im letzten Jahr sehr verändert hatte. Besonders seit wir das Gebäude gefunden haben, sagte er sich. Aber was seinen Vater betrifft, ist er innerlich zerrissen. Und tief drin, dort, wo es drauf ankommt, will er den Mars nach wie vor in ein profitables Unternehmen verwandeln.

Einheit und Kameradschaft, wiederholte Jamie stumm. Wer's glaubt, wird selig.

Nach dem Essen ging Jamie ins Kommunikationszentrum, vor allem, um von den anderen wegzukommen. Aber es sollte nicht sein. Er hatte kaum angefangen, das Arbeitsprogramm für den nächsten Tag noch einmal durchzugehen, als Fuchida eintrat und sich wortlos den zweiten Stuhl heranzog.

»Was ist los, Mitsuo?«, fragte er und fürchtete die Antwort.

Fuchida zog eine Minidisk aus der Brusttasche seines Overalls.

»Ich glaube, ich weiß, wer unser Saboteur ist«, sagte er beinahe im Flüsterton.

Unwillkürlich fragte Jamie: »Wer denn?«

Fuchida hielt ihm die Scheibe hin. »Sieh dir das an.«

Jamie schob sie in den Laufwerksschacht des Computers. »Was ist das?«

»Ich habe jeden so genannten ›Unfall‹ mit unseren jeweiligen Aufgaben zum entsprechenden Zeitpunkt korreliert«, sagte der Biologe.

Jamie sah ein verwirrendes Diagramm auf dem Computerbildschirm: Acht gezackte Linien in acht verschiedenen Farben marschierten über einen Gitternetz-Hintergrund.

»Sieht wie die Alpen aus«, brummte Jamie.

Fuchida beugte sich näher heran und fuhr die hellblaue Linie auf dem Schaubild nach. »Jede Linie stellt einen von uns dar. Das hier bin ich.« Sein Finger bewegte sich zu der roten Linie. »Das bist du.«

»Und die Achsen?«

»Die Abszisse ist die Zeitachse; die Ordinate zeigt die Position jedes Einzelnen. Siehst du? Hier bist du bei der ersten Exkursion zum Canyon, mit Dex, Trudy und Stacy.«

Jamie nickte. »Okay.«

»Und jetzt …« Fuchida beugte sich vor und tippte auf eine Taste. An einem halben Dutzend Stellen am unteren Rand des Schaubilds begannen rote Pfeile zu blinken.

»Die Pfeile stehen für die Zeitpunkte, an denen ›Unfälle‹ geschehen sind. Hier« — er berührte den Bildschirm — »wurde beispielsweise die Gartenkuppel durchlöchert.«

»Okay«, wiederholte Jamie.

Ein paar weitere Tastendrücke, dann sagte Fuchida: »So, jetzt habe ich alles Überflüssige entfernt.«

Jamie sah, dass die meisten Linien aus dem Schaubild verschwunden waren. Aber die roten Pfeile blinkten immer noch anklagend.

»Beachte bitte, dass nur eine Person zum Zeitpunkt und am Ort jedes einzelnen ›Unfalls‹ anwesend war.«

»Die gelbe Linie«, sagte Jamie.

»Genau!«

»Und wen stellt sie dar?«

»Stacy.«

»Stacy?« Jamie hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand mit einem Schlag die Luft aus den Lungen getrieben. »Soll das heißen, Stacy ist die Saboteurin?«

Mit einer Handbewegung zum Bildschirm sagte Fuchida: »Die Tatsachen sprechen für sich.«

Jamie sagte nichts, aber seine Gedanken rasten. Es kann nicht Stacy sein. Mitsuo muss sich irren. Er hat nur ein paar halbgare Statistiken zusammengeschmissen …

Fuchida unterbrach seinen Gedankengang. »Stacy war allein im Kommunikationszentrum, als die Gartenkuppel beschädigt wurde. Wir anderen waren in unseren Kabinen, erinnerst du dich?«

»Ja, aber …«

»Sie war allein im Rover, als das Radlager kaputtging.«

»Sie war auch nicht annähernd in der Nähe des Brennofens, als Tomas sich die Hand verbrannt hat.«

»Stimmt, aber sie hat am Brennofen gearbeitet, unmittelbar bevor Rodriguez sie abgelöst hat.«

»Es kann nicht Stacy sein«, beharrte Jamie. »Verdammt, Mitsuo, wir wissen nicht mal, ob es überhaupt einen Saboteur gibt. Diese Unfälle sind wahrscheinlich bloß Zufälle.«

Fuchida schüttelte ernst den Kopf.

»Nun mal langsam, Mitsuo«, sagte Jamie. »Was ist mit deinem eigenen Unfall? Auf dem Olympus Mons. Hat Stacy dir vielleicht den Knöchel verrenkt?«

Der Biologe sah Jamie an wie ein vom Vortrag eines Schülers enttäuschter Lehrer. »Einige Unfälle waren wirklich bloß Zufälle«, sagte er geduldig. Seine Stimme war so leise, dass er fast schon zischte.

»Und wieso können die anderen dann nicht auch Zufälle sein?«

»Es sind zu viele!«, beharrte Fuchida. »Ich habe eine statistische Analyse durchgeführt und sie mit Aufzeichnungen anderer Expeditionen verglichen.«

»Es hat erst eine Expedition zum Mars gegeben.«

»Nein, nein, Expeditionen in die Antarktis, Tiefseemissionen, Trecks durch die Sahara und so. Unsere Unfallquote ist doppelt so hoch wie normal!«

Jamie holte bewusst tief Luft. Bleib ruhig, sagte er sich. Geh rational an die Sache heran.

»In Ordnung, Mitsuo«, sagte er leise. »Ich weiß die Arbeit zu schätzen, die du in diese Sache gesteckt hast, aber ich kann einfach nicht glauben, dass Stacy oder sonst jemand von uns die Ausrüstung zu sabotieren versucht.«

Fuchida setzte zu einer Erwiderung an, aber Jamie schnitt ihm das Wort ab. »Warum? Warum sollte jemand die Gartenkuppel durchlöchern oder den SolarBrennofen manipulieren? Das ergibt doch keinen Sinn.«

»Genau das meine ich ja«, flüsterte Fuchida eindringlich. »Diese Person denkt nicht rational. Sie ist wahnsinnig.«

»Aber würde eine Wahnsinnige nicht auch noch andere Symptome zeigen?«

Fuchida spreizte die Hände. »Ich weiß es nicht.«

»Ohne echte Beweise können wir niemanden beschuldigen«, sagte Jamie.

»Und meine statistische Analyse ist kein echter Beweis?«

»Würde sie vor Gericht standhalten?«

»Das weiß ich nicht.«

»Ich auch nicht«, sagte Jamie.

»Ich soll morgen zur Kuppel Eins zurückfahren«, erklärte Fuchida. »Wenn Stacy merkt, dass ich sie verdächtige, könnte sie versuchen, einen weiteren ›Unfall‹ für mich zu arrangieren.«

»Das kann ich nicht glauben«, wehrte Jamie ab.

»Ich würde es vorziehen, hier zu bleiben und ihr aus dem Weg zu gehen«, sagte Mitsuo steif.

Jamie überlegte rasch. Wenn Mitsuo hier bleibt, muss Dex mit Tomas zur Kuppel Eins zurück, denn Tomas holt Trudy dort ab. Das heißt, Dex wird für die nächsten vier Wochen mit Vijay zusammen sein.

»Mir wäre es lieber, du würdest fahren, wie geplant«, sagte Jamie.

»Du könntest an meiner Stelle fahren«, erwiderte Fuchida.

Dann könnte ich bei Vijay sein, dachte er. Aber er hörte sich antworten: »Nein, Mitsuo, das geht nicht. Mein Platz ist hier.«