»Hier«, sagte er. »Hat keinen Sinn, bei Eins zu landen, da ist ja niemand.«
»Ich möchte wissen, wie es im Garten aussieht«, sinnierte Trudy, ohne den Blick von ihrem Bildschirm zu nehmen.
Rodriguez zuckte die Achseln. »Die Pflanzen müssten eigentlich noch 'ne Weile durchhalten. Kein Ungeziefer, kein Unkraut, nichts, was ihnen Probleme bereiten würde. Stacy sagt, sie hat den Batteriestrom angelassen; also wird die Heizung verhindern, dass sie nachts erfrieren. Wenn wir zurückkommen, bevor die Batterien den Geist aufgeben, können die Pflanzen es schaffen.«
Trudy nickte. Sie sah die Spiegelung ihres Gesichts auf dem Bildschirm. Blass, verhärmt, besorgt.
»Die Nährstoffpumpen auch?« Sie fand selbst, dass ihre Stimme klein und schwach klang. Ängstlich.
»Ja, die Pumpen auch. Aber wir müssen dorthin zurück und das Stromsystem des L/AV mit dem Treibstoffgenerator verbinden.«
Sie schaute zu ihm hinüber und lächelte. »Meldest du dich freiwillig?«
Rodriguez grinste. »Klar, warum nicht? Harte körperliche Arbeit liegt bei uns in der Familie.«
Trudy drehte sich wieder zum Bildschirm und dachte: Nein, das kann ich nicht zulassen. Es wäre nicht richtig-Fast eine halbe Stunde später stand sie auf und streckte sich. »Ich hol mir einen Kaffee. Willst du auch?«
»Ja. Wird mir helfen, wach zu bleiben.« Trudy ging mit raschen, leisen Schritten in die Kombüse. Sie füllte zwei Becher mit heißem Kaffee. In einen davon tat sie mehrere der Schlaftabletten, die Vijay ihr aufgrund ihrer Klagen über Schwierigkeiten beim Einschlafen gegeben hatte.
»Die sind sehr leicht«, hatte Vijay gesagt. »Wenn's damit nicht klappt, sag mir Bescheid, dann versuchen wir was anderes.«
Trudy hatte die Tabletten ausprobiert, und sie hatten wunderbar funktioniert. Eine kleine Pille, und sie schlief traumlos. Aber wie viele würde man brauchen, um Tommy einschlafen zu lassen? Drei schienen die richtige Menge zu sein.
Und tatsächlich, eine halbe Stunde später wurden Rodriguez' Augen glasig.
»Herrje«, murmelte er mit belegter Stimme, »ich kann die Augen nicht offen halten.«
»Macht doch nichts«, sagte Trudy sanft. »Ruh dich ein paar Minuten aus. Ich komme schon allein zurecht.«
»Bist du sicher?«
»Natürlich. Wenn irgendwas los ist, wecke ich dich.«
»Sollte eigentlich nicht …« Seine Worte gingen in einem gewaltigen Gähnen unter.
»Schlaf, mein Schatz«, redete Trudy ihm sanft zu. »Schlaf ein.«
Dex Trumball erwachte aus einem bösen Traum. Er war wieder sieben oder acht Jahre alt und bat seinen Vater inständig, zu einem Baseballspiel auf dem Sportplatz der Schule zu kommen und ihm zuzuschauen. Sein Vater verwandelte sich in ein Gewitter, in furchteinflößende Blitze und einen kalten, windgepeitschten, sintflutartigen Regen, der den Platz sumpfig machte, die Schule überflutete und alle Autos auf dem Parkplatz in einen riesigen Strudel hinabtrug, einen Strudel, der Dex und all seine Mannschaftskameraden in sich hineinzog, hinab in kalte, nasse Dunkelheit.
Er schoss auf seiner Liege hoch, in Schweiß gebadet.
Verdammt! Ich habe immer noch Angst vor dem alten Mann.
Eine Weile saß er nur da, lauschte seinem laut schlagenden Herzen und wartete darauf, dass sein keuchender Atem sich wieder normalisierte.
Ich werde mit all dem Schluss machen, sagte er sich. Ich werde mich ihm gegenüber behaupten, wenn ich zurückkomme. Ich werde dich in deinem eigenen Spiel schlagen, Pop.
Ja, sagte er sich. Aber erst musst du mal die Nacht hinter dich bringen, ohne dir in die Hose zu machen.
Er schlug das verschwitzte, zerknitterte Laken zurück und stand auf. Er zog den Overall an, der über dem Schreibtischstuhl hing, und tappte barfuß zur Toilette.
Es wird nicht leicht werden, sagte sich Dex. Dad wird mich bis aufs Messer bekämpfen. Er ist wütend wegen Jamies Navajo-Aktion. Hat bestimmt die Hälfte aller Anwälte in Nordamerika darauf angesetzt, ihren Anspruch für ungültig erklären zu lassen.
Als er die Toilette verließ, sah er Trudy Hall aus dem Kommunikationszentrum kommen.
Er setzte ein Grinsen auf und winkte ihr zu. Sie schien überrascht, ihn zu sehen.
Sie gingen beide zur Kombüse.
»Du solltest nicht in der Kuppel rumwandern«, schimpfte Hall in einem scharfen Flüsterton.
»Ich musste mal kurz wohin«, gab Dex genauso leise zurück.
»Na, da warst du ja nun. Jetzt geh wieder in deine Kabine.«
Überrascht von der Schärfe in ihrem Ton warf Dex ihr einen spöttischen Salut zu. »Ich habe meine Pflicht getan, Käpt'n Bligh, und kehre jetzt in mein Logis zurück.«
Trudy lächelte nicht. Dex fand, dass sie eher verärgert als belustigt wirkte.
Auf dem Rückweg zu seiner Kabine warf er einen raschen Blick durch die offene Tür ins Kommunikationszentrum. Rodriguez war über die Konsole gebeugt, sein Kopf lag auf den verschränkten Armen.
Das kann doch wohl nicht wahr sein, dachte Dex. Tommy macht ein Nickerchen. Kein Wunder, dass Trudy so sauer ist. Er sollte nicht mitkriegen, dass ihr Freund pennte.
Trudy klopfte das Herz bis zum Hals, während sie heimlich von der Toilette aus beobachtete, wie Dex zu seiner Kabine zurückkehrte und hineinging. Sie rührte sich nicht von der Stelle, bis sie seine Falttür zugleiten sah und das leise Klicken des Riegels hörte.
Es wäre so einfach gewesen, wenn sie den Garten nur mit einer Kunststoffhülle ummantelt hätten, wie ursprünglich geplant. Dann hätte sie nur den Kunststoff durchlöchern und die subarktische marsianische Nachtluft ihr tödliches Werk tun lassen können. Aber diese Möglichkeit hatte sie selbst zunichte gemacht, als sie die Schutzhülle der Gartenkuppel während des Staubsturms durchlöchert hatte.
Jetzt war der Garten von festen Glasmauern geschützt. Die konnte sie höchstens mit einem der Traktoren zerbrechen, und selbst dann würde sie so lange dazu brauchen, dass die anderen herauskommen und sie aufhalten würden, bevor sie fertig war.
Nein, sagte sich Trudy, Feuer ist genau das Richtige. Feuer reinigt. Ein Feuer wird ihnen die Augen öffnen, und dann sehen sie endlich, an was für einem seidenen Faden unser Leben hier hängt, wie nah wir bei jedem Atemzug dem Tode sind. Ein Feuer wird uns nach Hause bringen, dorthin, wo wir in Sicherheit sind, wo es warm ist und wir nachts hinausgehen, zu den Sternen hinaufschauen und Wolken vorbeijagen sehen können, ohne uns Sorgen machen zu müssen, der Anzug könnte versagen, der Staub könnte einen erwischen oder man könnte bei einem Ausfall der Heizung erfrieren.
Trotz Fuchidas Warnungen und Jamies Vorsichtsmaßnahmen war es lächerlich einfach gewesen, genug Methan in den Garten zu schmuggeln. Man zapfte einfach welches vom Treibstoffgenerator ab, wenn man draußen war, und brachte es in Probenbehältern in den Garten. In den gut isolierten Behältern blieb es flüssig — nicht für immer, aber lange genug. Zwei Ausflüge haben gereicht, dachte Trudy. Jetzt ist genug Methan da, um ein Feuer anzuzünden. Ein wunderbares, reinigendes Feuer.
Sie tat einen tiefen schmerzhaften Atemzug, dann ging sie zum Kommunikationszentrum zurück und rief das Diagramm der Rohrleitungen für die Versorgung des Gartens auf. Während sie die Befehlsliste über den Bildschirm des Computers neben dem schnarchenden Rodriguez laufen ließ, blickte sie liebevoll auf Tomas hinab. Das tue ich für dich, mein Schatz, damit wir heil und gesund zur Erde zurückkehren und wieder ein normales Leben führen können.
Sie fand die Befehlssequenz, die die Nährlösungszufuhr in die Pflanzenkästen im Garten abschaltete, und vergaß auch nicht, als erstes den akustischen Alarm auszuschalten, damit keine warnenden Pieptöne durch die stille, schlafende Kuppel hallten. Dann unterbrach sie die Nährlösungszufuhr zu den Pflanzen. Sie wollte, dass die Kästen trocken waren, wenn sie Feuer legte.