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TAGESANBRUCH: SOL 376

Trudy sah sich den Start der Nachschubmission auf dem Hauptbildschirm im Kommunikationszentrum an, wobei sie den Ton über den Ohrstöpsel des Headsets laufen ließ, um Rodriguez, der immer noch friedlich neben ihr schlief, nicht zu wecken. Die Rakete hob in einem tosenden Flammenmeer und dicken, wogenden Dampfwolken von Tarawa ab.

Dann wandte sie sich dem Monitor des Garten-Überwachungssystems zu. Grelle rote Lichter blinkten am oberen Rand. Die Kästen für die Nährlösung waren trocken, warnten die Sensoren. SOFORTMASSNAHME ERFORDERLICH blinkte in grellen Neonlettern am unteren Rand des Bildschirms.

Sofortmaßnahme, dachte Trudy. Ja.

Sie schaltete die Deckenlampen im Garten ein. Die Pflanzen sahen bereits welk aus. Aber das Aussehen konnte täuschen, wie sie wusste.

Sie verließ das Kommunikationszentrum und ging mit raschen Schritten zur offenen Luke der Luftschleuse zum Garten-Gewächshaus hinüber. Die Kuppel und das Gewächshaus waren nicht mit einer normalen Luftschleuse verbunden, sondern durch einen Cermet-Tunnel, der sich nun über ihr wölbte. Die zweite Luke war geschlossen, aber Trudy konnte sie mühelos von Hand öffnen.

Fünfzig Kastenreihen erstreckten sich vor ihr, erhellt von den Neonröhren an der Decke, fünfzig Reihen grüner Lebewesen, die bald sterben würden.

Sie schleppte ihre Probenbehälter mit flüssigem Methan zu den nächsten Kästen. Mehrere Tage lang hatte sie hin und her überlegt, wie sie das Feuer anzünden sollte. Es gab weder Streichhölzer noch Feuerzeuge im Inventar. Jamie und alle anderen hatten sich für so schlau gehalten, weil sie damit verhinderten, dass jemand in der Kuppel ein offenes Feuer entfachte, aber sie war schlauer gewesen. Ein simpler elektrischer Funke reichte. Sie musste nur eins der Kabel durchschneiden, die an den Kästen entlangliefen, und dann das Methan entzünden.

Es war nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte, aber endlich hatte Trudy den Probenbehälter geöffnet, und das Methan darin verkochte zu unsichtbarem Gas. Mit nur geringfügig zitternden Händen führte sie die zwei blanken Enden des durchtrennten, Strom führenden Kabels aneinander. Pass bloß auf, dass du dir nicht selbst einen elektrischen Schlag versetzt, warnte sie sich.

Das Gas entzündete sich fauchend zu einer gewaltigen Flamme, die Trudy schmerzhaft gegen den Kasten auf der anderen Seite des Gangs warf. Die Hitze versengte ihr das Gesicht, und sie hob schützend die Arme. Sie krabbelte zu den anderen beiden Probenbehältern hinüber und machte sich daran, sie ebenfalls zu öffnen. Die Flammen schienen über die Decke des Gewächshauses hinwegzugreifen und zu ihr herabzutauchen. Sie schrie laut auf.

Das schrille Kreischen des Rauchalarms riss Jamie aus dem Schlaf. »Was, zum Teufel …?« Er war sofort wach, aber das Blöken des Alarms ließ ihn einen Moment lang vor Furcht und Verwirrung erstarren.

Der Rauchalarm war bisher erst ein einziges Mal ausgelöst worden, als Craig ein paar Abfälle verbrannte. Sie hatten darüber gesprochen, den Detektor abzuschalten, aber Tarawa hatte auf der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften bestanden.

Jamie zog seinen Overall im Laufen an und eilte halb hüpfend, halb rennend in den offenen Bereich der Kuppel hinaus. Schmutziggrauer Rauch quoll aus der Gewächshausluke. Er stürzte zum Kommunikationszentrum und stieß mit Rodriguez zusammen, der herausgetaumelt kam.

Das Kreischen des Alarms weckte Rodriguez aus seinem drogeninduzierten Schlaf. Adrenalin schoss ihm durch die Adern, als er die blinkenden roten Lichter auf dem Monitor sah.

»Trudy!«, rief er. »Trudy!«

Er stemmte sich vom Stuhl hoch und taumelte, immer noch nicht ganz bei sich, zur Tür des Kommunikationszentrums.

Jamie packte Rodriguez an den Schultern und fragte: »Was ist passiert?«

»Keine Ahnung«, antwortete der Astronaut mit schwerer Zunge. »Trudy …«

»Heilige Mutter Gottes!«, brüllte Dex hinter ihm. »Im Gewächshaus brennt's!«

»Trudy ist da drin«, presste Rodriguez hervor.

Als Jamie sich zu dem verräucherten Durchgang umwandte, sah er, dass alle anderen quer durch die Kuppel auf ihn zugerannt kamen.

»Stacy, übernimm das Kommunikationszentrum«, rief er und setzte sich in Richtung Luke in Bewegung.

Rodriguez schüttelte sich und lief ihm nach; Dex folgte ihm dichtauf. Jamie hörte Craig schreien: »Macht die gottverdammten Luken dicht und lasst die Luft da drin ab!«

»Nein«, brüllte Rodriguez. »Trudy ist da drin!«

Jamie kam bis zur Luke, aber die Hitze und der dicke schwarze Rauch trieben ihn zurück; er hustete und rieb sich die Augen. Rodriguez drängte sich an ihm vorbei und stürzte sich durch die Luke.

»Warte!«, brüllte Jamie, aber es war zu spät. Rodriguez verschwand im Rauch.

»Hier, nimm das.« Jamie drehte sich um und sah, dass es Vijay war. Sie gab ihm eine Sauerstoffmaske.

»Schnelle Reaktion«, sagte er und zog sich das Plastikding über Mund und Nase.

Vijay klatschte ihm den kleinen Sauerstoffbehälter auf den Rücken und befestigte ihn mit Klettband.

»Fertig«, rief sie über das Prasseln der Flammen hinweg. Der kalte, metallische Geruch des Sauerstoffs stieg Jamie in die Nase.

»Macht die Luke hinter mir zu«, sagte er.

»Nein!«, entfuhr es Vijay.

»Macht sie zu!«, befahl er.

»Ich mach's«, sagte Dex. »Klopf einfach, wenn ich sie wieder aufmachen soll.«

Mit einem Nicken tauchte Jamie durch die Luke. Sofort begannen ihm die Augen zu tränen. Im Tunnel war es heiß; es kam ihm vor, als würde er in einen Hochofen hineingehen.

Mit zusammengekniffenen Augen, sich vor den Flammen duckend, die ihm entgegen schlugen, rückte Jamie langsam vor. Dann fühlte er, wie sich von hinten ein Schwall Wasser über ihn ergoss.

Dex schloss zu ihm auf und grinste ihn durch die Plastikmaske an. Er hielt eine tropfende Kiste in beiden Händen, in der Wasser schwappte.

»Fuchidas Idee«, sagte er.

Jamie nickte. »Mach dich auch nass.«

Durch die offene Luke sah Jamie, dass das Gewächshaus ein Meer aus Flammen und rußigem Rauch war. Da drin kann nichts leben, heulte eine Stimme in seinem Kopf. Da drin ist nichts mehr am Leben.

Aber Jamie arbeitete sich Schritt für Schritt weiter voran. Er spürte die Hitze der Flammen auf seinem Gesicht. Dex blieb an seiner Seite.

Direkt bei der zweiten Luke sah er zwei ausgestreckt daliegende Körper: Rodriguez auf Trudy, beide rußgeschwärzt und voller Brandblasen.

Dex übergoss sie mit seinem restlichen Wasser, warf die Kiste dann weg, bückte sich und half Jamie, das verletzte Paar durch die Luke herauszuziehen.

»Sag ihnen, sie sollen die Innenluke schließen!«, befahl Jamie. Dex drehte sich um und eilte durch den Tunnel zurück. Jamie stellte sich vor, dass die Wände glühend heiß sein mussten.

Die Luke schwang zu, und die beißende, sengende Hitze blieb dahinter zurück. Jamie sank zu Boden. Durch den dünnen Stoff seines Overalls fühlten sich die Bodenplatten warm an. Der Rauch begann sich zu verziehen. Dex, Mitsuo und Wiley erschienen.

»Sind sie tot?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Jamie. »Ich glaube, zumindest Tomas atmet noch.«

Behutsam hoben sie die verbrannten Körper hoch und trugen sie in die Hauptkuppel. Sobald die Männer sie auf den Boden gelegt hatten, begann Vijay, mit einer winzigen chirurgischen Schere ihre Overalls aufzuschneiden. Rodriguez stöhnte; seine Beine bewegten sich ein wenig.

Stacy kam aus dem Kommunikationszentrum. Sie war völlig ruhig, hatte alles im Griff. »Das Feuer ist aus. Ich habe die Luft aus dem Gewächshaus abgepumpt, sobald die Innenluke zu war.«

»Sie sind beide am Leben«, verkündete Vijay. »Bringen wir sie ins Krankenrevier. Nein, da ist nur ein Bett drin. Bringt Trudy ins Krankenrevier, die hat's schlimmer erwischt. Schafft Tommy in seine Kabine.«