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Jamie, Dex und Mitsuo trugen den Astronauten; sein Overall war am ganzen Oberkörper verbrannt, die Haut war geschwärzt und nässte. Stacy und Wiley nahmen Trudy, während Vijay zum Krankenrevier vorauslief.

Nachdem sie Rodriguez auf seine Liege verfrachtet hatten, merkte Jamie, dass ihm die Knie weich wurden. Dex legte ihm einen Arm um die Schultern und sagte leise: »Komm mit, Kumpel, du hast dir 'n Gläschen O-Saft verdient.«

Als sie müde am Tisch in der Messe saßen, sah Jamie, dass Fuchida in der Nähe stand und ihn ernst ansah.

»Du hattest Recht, Mitsuo«, sagte er matt.

»Ich wünschte, es wäre nicht so«, erwiderte der Biologe kopfschüttelnd.

»Wer von den beiden war's denn?«, fragte Dex, während er Jamie einen Becher Saft reichte und sich schwer auf den Stuhl neben ihm fallen ließ.

Jamie lehnte sich zurück und schaute in die Schatten der Kuppel hinauf. Es roch nach Rauch. Und Schweiß. Und Angst.

»Das ist nicht wichtig«, sagte er.

»Nein?«

Er zuckte die Achseln. »Nein. Das Wichtige ist, dass diese Expedition ruiniert ist. Wir können nicht länger hier bleiben. Es ist zu viel Schaden angerichtet worden. Wir müssen unsere Sachen packen und uns auf den Rückflug zur Erde machen.«

MORGEN: SOL 376

Jamie hatte Pete Connors noch nie so ernst gesehen. »Es ist wirklich ein totales Schlamassel«, sagte der Flugkontrolleur. »Ihr habt Glück, dass ihr noch am Leben seid. Sie berufen eine Sondersitzung des IUK-Ausschusses ein; die werden die Sache garantiert als Unfall hinstellen wollen und sich irgendein Lügenmärchen zurechtbasteln. Niemand will der Öffentlichkeit erzählen, dass einer von euch ein Irrer ist.«

Jamie nickte, den Blick auf den Bildschirm gerichtet. Draußen vor dem Kommunikationszentrum nahmen die anderen mechanisch ihr Frühstück ein.

»Tolles Timing übrigens«, fuhr Connors fort. »Die Nachschubmission hat genau elf Minuten, bevor eure Nachricht einging, die Triebwerke zum Einschuss in die Übergangsbahn gezündet. Sie sind auf dem Weg zum Mars. Werden an Sol fünfhundertzweiundzwanzig da sein, in fünf Monaten. Sie glauben, dass sie ein paar Wochen mit euch zusammen verbringen können, um sich einzurichten und zu orientieren. Jetzt werden sie allein landen und arbeiten müssen.«

Connors redete immer weiter, eher um etwas zu sagen, um das Gefühl zu haben, dass er etwas tat, als aus irgendeinem anderen Grund, dachte Jamie. Diese Katastrophe hat ihn fast ebenso hart getroffen wie uns.

»Ihr müsst rausbekommen, wer von den beiden es getan hat, wer der Verrückte ist. Wir werden nichts verlauten lassen, macht euch deswegen keine Sorgen. Niemand hier will zugeben, dass einer von unseren eigenen Leuten die Expedition sabotiert hat. Aber wir müssen es wissen, wir müssen uns das psychologische Profil und den Hintergrund anschauen. Für die Zukunft, um sicherzustellen, dass so jemand gar nicht mehr in die engere Auswahl für zukünftige Missionen kommt.«

Für zukünftige Missionen?, dachte Jamie. Wird es zukünftige Missionen geben? Sie werden es nicht ewig geheim halten können. Früher oder später wird jemand die Geschichte durchsickern lassen. Er sah schon die Schlagzeilen vor sich: Wissenschaftlerin verliert auf dem Mars den Verstand, versucht Expedition auszulöschen.

»Wenn ihr mich fragt«, fuhr Connors fort, »ich denke, es war Hall. Ich kann nicht glauben, dass ein Astronaut, ein Flieger, dermaßen durchdreht. Es war nicht Rodriguez; darauf würde ich meinen Kopf verwetten.«

Jamie nickte stumm und zustimmend.

Nachdem Connors sich verabschiedet hatte, stand Jamie auf und ging zur Gewächshausluke. Falls jemand bemerkte, dass er das Kommunikationszentrum unbeaufsichtigt verließ, so sagte er kein Wort.

Er stieß die Innenluke auf und betrat das Gewächshaus. Nichts hatte sich verändert. Die Pflanzen waren zu Asche verbrannt, die Kästen nur noch verdrehte, verbogene Metallgebilde. Die Glasbausteine der Decke und einer Wand waren verrußt, der Boden mit verbranntem Schutt übersät. In der Luft hing ein beißender, leicht muffiger Geruch, den Jamie seit seiner Kindheit nicht mehr gerochen hatte, als er sich in dem unbenutzten Kamin seines Elternhauses versteckt hatte. Nichts war nass. Nichts tropfte. Im ganzen Gewächshaus war kein Laut zu hören, es war so still wie der Tod. Ein Schlamassel. Ein schreckliches, sinnloses Schlamassel.

Als er schließlich aus dem Gewächshaus kam und trübselig zur Messe ging, saßen die anderen drei Männer noch bedrückt am Tisch. In der Luft hing nach wie vor ein leichter Brandgeruch. Einbildung, sagte er sich. Aber vielleicht auch nicht.

»Stacy ist im Krankenrevier und hilft Vijay, Trudys Verbände zu wechseln«, sagte Dex ungefragt.

»Wie geht's den beiden?«, fragte Jamie.

Craig wackelte mit der Hand. »Trudy hat Verbrennungen zweiten Grades, überall oberhalb der Taille. Sieht ziemlich übel aus.«

»Auch im Gesicht?«

»Ja.«

»Und Tomas?«

»Hauptsächlich Hände und Arme. Schultern. Als hätte er versucht, Trudy rauszuschleifen, als der Rauch ihn erledigt hat.«

»Geschieht ihm recht, wenn er im Dienst schläft«, knurrte Dex.

»Tomas? Er hat geschlafen?«

»So gegen drei Uhr früh hat er an der Konsole ein Nickerchen gemacht«, sagte Dex wütend. »Ich hab ihn gesehen.«

»Rodriguez? Nein«, sagte Fuchida und schüttelte den Kopf.

»Aber ich hab's doch gesehen.«

»Dann muss Trudy ihn betäubt haben«, beharrte der Biologe. »Ich kenne Tom. Er würde niemals im Dienst schlafen.«

»Dann hat Trudy also das Feuer gelegt?«, fragte Jamie rhetorisch.

»Und während des Sturms Löcher in die Gartenkuppel gebohrt«, sagte Fuchida mit fester Stimme. »Und die anderen ›Unfälle‹ gehen auch auf ihr Konto.«

Jamie machte ein paar Schritte zum Schrank mit den Nahrungsmitteln, um sich etwas zum Frühstück zu holen, merkte dann aber, dass er gar keinen Appetit hatte. Er drehte sich dann zu den anderen um. »Kommt, holen wir die Videokameras und dokumentieren wir den Schaden. Tarawa wird das Bildmaterial brauchen.«

Craig und Fuchida standen vom Tisch auf und gingen davon. Dex stand ebenfalls auf, blieb jedoch stehen, während die anderen beiden sich entfernten.

»Was ist los, Dex?«, fragte Jamie.

»Wir machen Schluss hier?«

Jamie nickte. »Sobald wir mit der Schadensermittlung fertig sind, machen wir uns auf den Rückweg zur Kuppel Eins und starten zur Erde.«

»Wir fliegen nach Hause, mit eingeklemmtem Schwanz.«

»Uns bleibt kaum was anderes übrig«, sagte Jamie. »Kein Hauptstromgenerator in Kuppel Eins; kein Garten hier. Zwei Leute schlimm verletzt, eine davon eine Wahnsinnige. Diese Expedition ist gescheitert.«

Dex schaute genauso grimmig drein wie Connors vorhin. Oder noch grimmiger.

»Das Problem ist«, sagte er langsam, »wenn wir abfliegen, vermasseln wir damit den Navajos ihren Anspruch auf dieses Gebiet.«

Ein Blitz der Angst zuckte durch Jamies Nerven. »Was soll das heißen?«

Sehr sanft, wie ein Arzt, der dem Hinterbliebenen die Nachricht vom Tod des geliebten Menschen beibringt, sagte Dex: »Man muss sich auf dem betreffenden Grund und Boden befinden, um einen gesetzmäßigen Anspruch auf die Nutzungsrechte aufrechtzuerhalten. Sobald wir abfliegen, kann jedermann Anspruch auf dieses Gebiet erheben.«

Jamie wurde es flau im Magen. »Aber wir müssen abfliegen. Ein Unfall …«

»Spielt keine Rolle«, sagte Dex. »Ich hab das Gesetz, die Verträge und alle internationalen Vereinbarungen studiert. Wenn du dieses Gebiet verlässt, geht dein Rechtsanspruch den Bach runter.«

Jamie sank auf den nächsten Stuhl.