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»Tut mir Leid«, sagte Dex leise.

»Aber deinem Vater nicht«, murmelte Jamie.

»Nein, verdammt. Der wird hocherfreut sein.«

Trudy Halls Hände, Arme, Gesicht, ihr ganzer Oberkörper war von einem antiseptischen Sprühverband bedeckt. Ihre Augen waren bedeckt, ein Atemschlauch führte in ihre Nasenlöcher. Wo ihr Mund sein sollte, war ein schmaler Schlitz. Die Überreste ihrer Haare sahen aus wie die versengten Stoppelfedern eines schlimm verbrannten Hühnchens.

Die medizinischen Monitoren an einer Seite des engen kleinen Krankenreviers summten jedoch alle friedlich vor sich hin. Blutdruck, Herzschlag und die meisten anderen Indikatoren waren stabil. Ihr Atem ging rauh, aber das war nicht anders zu erwarten, nachdem sie die vom Feuer erhitzte Luft eingeatmet hatte.

»Hat sie überhaupt schon das Bewusstsein wiedererlangt?«, fragte Jamie im Flüsterton.

Vijay stand auf der anderen Seite des Bettes und hängte einen neuen Beutel Salzlösung an den Tropf.

»Nur kurz«, antwortete sie. Ihre Stimme war etwas lauter als seine. »Ich habe ihr starke Beruhigungsmittel gegeben, weißt du. Sonst hätte sie große Schmerzen.«

»Ich muss mit ihr reden«, sagte er.

»Da wirst du dich noch eine Weile gedulden müssen, Kamerad.«

»Und Tomas?«

»Der ist in viel besserer Verfassung«, sagte Vijay und gestattete sich ein winziges Lächeln. »Mit dem kannst du so viel reden, wie du willst.«

Rodriguez lag in seiner Kabine auf dem Bauch, den Kopf und die Schultern auf einen kleinen Berg von Kissen gestützt. Jamie erkannte sie: Es waren Matratzen aus einem der Rover, fest aufgerollt und mit Klebeband umwickelt.

»Ich konnte einfach die Augen nicht offen halten«, erklärte er Jamie, und aus seiner Miene sprachen Schuldgefühl und Verwirrung. »Ist mir noch nie passiert. Ich konnte einfach die Augen nicht offen halten.«

»Trudy hat dir Schlaftabletten in den Kaffee getan«, sagte Jamie. Er hatte sich den Schreibtischstuhl in der Kabine zum Rand der Liege gezogen. »Vijay hat mir erzählt, dass sie Tabletten bekommen hat …«

»Ich hab nie gesehen, dass sie welche genommen hat«, stieß Rodriguez hervor.

Jamie zuckte die Achseln. »Anscheinend hat sie die Pillen gesammelt, um sie dir zu geben.«

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie so was tun würde.«

»Sie ist psychisch krank«, sagte Jamie. »Gar keine Frage.«

»Ja, vermutlich.«

»Der Rauchalarm hat dich aufgeweckt?«

Rodriguez nickte und zuckte zusammen. Sein Rücken muss ihm höllisch wehtun, dachte Jamie.

»Ja. Weißt du, ich hab mich gefühlt, als wär ich betäubt worden. Konnte mich zuerst gar nicht schnell bewegen, alles kam mir ganz langsam vor, als wär ich völlig benebelt.«

»Trudy war nicht im Kommunikationszentrum?«

»Nein. Ich hab den Rauch aus der Gewächshausluke kommen sehen. Nirgends eine Spur von ihr, deshalb bin ich rein, um nachzuschauen, ob sie im Gewächshaus gefangen war. Und da war sie.«

Da war sie, dachte Jamie. Ein armer, verängstiger kleiner Spatz, bei dem es irgendwann ausgehakt hatte. Warum? Was war in ihr geschehen, dass sie derart übergeschnappt war?

Eine andere Stimme in seinem Kopf höhnte: Was spielt das schon für eine Rolle? Sie hat diese Expedition zugrunde gerichtet und den Mars Trumball und seinen Weltenzerstörern ausgeliefert.

NACHT: SOL 388

Sie kehrten zur Kuppel Eins zurück, entmutigt, müde, eine traurige Prozession geschlagener Männer und Frauen. Trudy musste getragen werden; Rodriguez konnte mit Müh und Not laufen. Jamie und Dex stützten ihn.

Nachdem Craig und Deschurowa die Stromversorgung der Kuppel über die Brennstoffzellen des L/AV sichergestellt hatten, gingen sie zum Treibstoffgenerator hinaus, um ihn an die Brennstoffzellen anzuschließen.

Fuchida stand kopfschüttelnd in der Mitte der Kuppel. »Der Mars hat uns besiegt«, sagte er leise.

Jamie unterdrückte den Drang, ihm einen Fausthieb zu versetzen. »Das war nicht der Mars«, fuhr er ihn an. »Wir haben uns selbst besiegt.«

Stunden später half Jamie Vijay bei der Überprüfung der medizinischen Ausrüstung, indem er das tatsächlich vorhandene Material auf den Borden des Krankenreviers mit den Angaben im Computer verglich. Die Nachschubmission brachte eine neue Fracht medizinischer Vorräte mit, aber sie mussten vor ihrem Abflug sicherstellen, dass das Computerverzeichnis korrekt war.

»Erinnerst du dich noch an unsere erste Nacht hier?«, fragte Jamie. »An die Feier?«

»Ich weiß noch, dass du dich in deiner Unterkunft versteckt hast, während wir anderen gefeiert haben«, antwortete Vijay.

»Ich erinnere mich auch an andere Nächte«, sagte Jamie. Er saß an ihrem winzigen Schreibtisch, das Bestandsverzeichnis auf dem Computerbildschirm vor sich.

Sie wandte sich von dem offenen Schränkchen ab und sah ihn an. »Ich auch«, sagte sie mit leiser Stimme.

»Sie waren schön.«

Vijay nickte, dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu.

Jamie merkte, dass er sich nicht auf das Bestandsverzeichnis konzentrieren konnte. Er musste ständig an Trumball und die Navajo Nation denken und daran, dass diese Expedition so ein Desaster gewesen war, obwohl sie das marsianische Bauwerk gefunden hatten und es überall auf dem Mars ähnliche Bauwerke geben musste, ja sogar Überreste von Städten, unmöglich, dass auf einer ganzen ehemals von intelligenten Wesen bevölkerten Welt nur dieses eine Gebäude übrig geblieben sein sollte, er musste daran denken, wie sehr er Vijay begehrte, die so nah bei ihm stand, dass er die Hände nach ihr ausstrecken und sie in die Arme nehmen konnte, die aber dennoch Meilen, ja, Lichtjahre entfernt war, weil er sie aus seinem Leben vertrieben und kein Recht, keine Hoffnung, nicht einmal den Hauch einer Chance hatte, sie wieder zurückzugewinnen.

»Ich fliege nicht mit«, hörte er sich sagen. Seine Stimme klang so verdammt beherrscht, sie verriet keine Spur von Gefühl.

Vijay schloss das Schränkchen. Als sie sich umdrehte, waren ihre leuchtenden Mitternachtsaugen traurig. »Ich weiß.«

Das gab ihm einen Ruck. »Woher? Ich wusste es ja selbst bis eben noch nicht.«

Sie lächelte zerknirscht. »Denk daran, ich bin hier die Psychologin. Und ich kenne dich. Als Dex dir erzählt hatte, dass der Anspruch der Navajos verfallen würde, wenn wir alle weggingen, wusste ich, dass du hier bleiben würdest.«

»Dann hast du es früher gewusst als ich.«

»Nein«, sagte Vijay kopfschüttelnd. »Du hast es da auch schon gewusst, aber du musstest erst all die logischen Schritte vollziehen. Du musstest es überdenken und dich selbst überzeugen, dass du hier vier Monate oder länger ganz auf dich allein gestellt überleben könntest.«

Er nickte widerstrebend. »Ich schätze, du hast Recht.«

»Dann bist du also zu dem Schluss gekommen, dass du's schaffen kannst?«

»Ich glaube schon. Ich wüsste nicht, warum nicht.«

»Ganz allein?«

Nicht, wenn du bei mir bleibst, hätte er am liebsten gesagt, aber er wusste, dass er das nicht von ihr verlangen konnte. Es war seine Sache, mehr als vier Monate lang den Hals auf dem Mars zu riskieren; er konnte sie nicht bitten, dieses Risiko mit ihm zu teilen. Es bedeutete zu viel, es gab zu viele Komplikationen.

Daher nickte er nur knapp und sagte: »Ganz allein, ja.«

»Nur du und der Mars, hm?«

Er zuckte die Achseln. »Es dürfte kein gar so großes Problem sein. Der Garten hier ist in Ordnung. Die ganzen Geräte funktionieren. Ich werde nicht verhungern, und mir wird auch nicht die Luft ausgehen.«

»Du willst zu dem Bauwerk fahren und noch ein bisschen rumstöbern, stimmt's?«

»Nein«, sagte Jamie fest. »Ich bleibe hier und hole einen Teil der geologischen Arbeiten nach, die seit Monaten liegen geblieben sind.« Dann setzte er hinzu: »Und ich werde versuchen, ein paar Solarzellen aus hiesigen Rohstoffen herzustellen. Es wäre eine große Hilfe, wenn wir genug Strom aus Sonnenlicht erzeugen könnten, um die ganze Kuppel damit zu betreiben.«