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»Allein«, wiederholte sie.

Er zögerte nur einen winzigen Sekundenbruchteil, dann sagte er: »Allein.«

Vijays Gesicht war eine ausdruckslose Maske, als sie die Hand zu Jamie ausstreckte. »Na, dann komm. Du solltest es den anderen mitteilen.«

Die anderen versammelten sich in der Messe zu ihrem letzten Abendessen auf dem Mars — alle außer Trudy, die noch ans Bett gefesselt war. Die Verbrennungen in ihrem Gesicht würden kosmetische Operationen erfordern, und obwohl Rodriguez ihr immer wieder versicherte, dass alles gut werden würde, war sie in tiefe Depressionen versunken.

Rodriguez gab sich alle Mühe, sie aufzuheitern; er zog jedes Mal eine große Show ab, wenn er einen Verband loswerden konnte. Stacy, Jamie und sogar Mitsuo hatten stundenlang bei Trudy gesessen und ihr versichert, dass ihr seelischer Zusammenbruch nicht an die Öffentlichkeit gelangen werde, dass es weder Anklagen noch Vorwürfe geben werde. Diese Versicherungen schienen ihre Depressionen aber nur zu verstärken.

Vijay stellte ein Essenstablett für Trudy zusammen, während die anderen herumwuselten und ihre Auswahl trafen, ohne sich um die von den Ernäherungswissenschaftlern ausgearbeiteten Speisepläne zu kümmern.

»Was werde ich froh sein, wenn ich wieder ein echtes Steak zu sehen bekomme«, sagte Fuchida ganz ernst.

»Mit echtem Bier«, witzelte Rodriguez.

Wortlos machte sich Vijay mit dem Tablett auf den Weg zu Trudys Unterkunft. Hinter sich hörte sie Jamie verkünden: »Ich fliege nicht mit euch. Ich bleibe hier.«

Sie schob Trudys Tür auf, trat ein und knallte sie wieder zu.

Trudy saß aufrecht da; ihr Rücken war so weit verheilt, dass sie ihn an ein wassergefülltes Plastikkissen lehnen konnte. Als Vijay das Ding aus dem medizinischen Vorrat geholt hatte, war ihr durch den Kopf gegangen, dass sie sich nach demselben Prinzip Wasserbetten hätten machen können. Toller Zeitpunkt für solche Überlegungen, hatte sie sich über sich selbst geärgert.

»Wie geht's dir?«, fragte Vijay munter.

»Fliegen wir morgen ab?«, fragte Trudy. Sie hatte keine Verbände mehr im Gesicht; ihre Haut war wund und rosa. Wenn sie auf der Erde eintrafen, würde sie narbig und spröde sein. Augenbrauen und Wimpern waren verschwunden. Sie hat Glück, dass sie noch sehen kann, dachte Vijay und fragte sich dann, was für ein Glück es war, in den Spiegel schauen zu können, wenn man ein so schrecklich verbranntes Gesicht hatte.

»Ja.« Vijay sorgte dafür, dass ihre Stimme weiterhin unbeschwert und fröhlich klang. »Morgen.«

Trudy schaute auf das Tablett hinab, das Vijay ihr auf den Schoß gestellt hatte. Endlich sagte sie leise: »Ich hab ein furchtbares Schlamassel angerichtet, nicht wahr?«

Vijay antwortete sanft: »Das kann man wohl sagen.«

»Ich hätte Tommy töten können. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich ihn in Gefahr bringen würde.«

Vijay hätte am liebsten gesagt, dass Trudy sie alle in Gefahr gebracht hatte, aber sie hielt ihre Zunge im Zaum. Trudy Hall würde ein wunderbares Thema für einen psychologischen Forschungsbericht abgeben, dachte sie. Ich werde auf dem Rückflug fünf Monate Zeit haben, sie zu studieren, ihre Motive zu ergründen …

»Ich liebe ihn«, sagte Trudy mit Tränen in den Augen. »Ich wollte ihn zur Erde zurückbringen, wo er in Sicherheit sein würde, wo wir alle in Sicherheit sein würden.«

»Ich verstehe.«

Trudy blickte wütend zu ihr hoch. »Wirklich? Wie kannst du? Woher willst du wissen, wie es ist, einen Mann so zu lieben, dass man bereit wäre, für ihn zu sterben?«

Vijay war so verblüfft, dass ihr keine Antwort einfiel.

»Oh, es tut mir Leid«, platzte Trudy heraus. »Es tut mir so schrecklich Leid. Ich habe alles dermaßen vermasselt. Tommy wird mich nicht mal ansehen wollen, wenn wir nach Hause kommen. Ich liebe ihn so, und er wird mich nicht mal ansehen wollen.«

Auf einmal war Vijay zum Heulen zumute.

»Du kannst nicht allein hier bleiben«, sagte Deschurowa klipp und klar, als Jamie den fünfen, die am Tisch in der Messe versammelt waren, seinen Entschluss mitteilte.

»Klar kann ich das.« Jamie versuchte, es simpel und ganz banal klingen zu lassen.

»Wird nich leicht sein«, meinte Craig, »selbst wenn du vier Monate lang hier drin hockst und fernsiehst.«

»Auf mich wartet ein Haufen Arbeit«, sagte Jamie. »Allein mit der Sichtung der Daten, die ihr auf eurer Exkursion zum Ares Vallis angehäuft habt, hätte ich schon vier Monate und länger zu tun.«

»Und du willst versuchen, Solarzellen zu bauen?«, fragte Dex.

»Aus den Grundstoffen im Boden, ja.«

»Einer von uns sollte bei dir bleiben«, meinte Fuchida.

»Nein«, erwiderte Jamie, »das ist nicht nötig. Ich könnte keinen von euch bitten, dieses Opfer zu bringen. Ihr fliegt heim! Ich komme hier schon klar.«

»Mitsuo hat Recht«, sagte Rodriguez. »Jemand sollte bei dir bleiben.«

»Das ist nicht nötig«, wiederholte Jamie.

»Du bleibst nicht wegen der Wissenschaft hier«, sagte Stacy beinahe anklagend.

»Nein«, gab Jamie zu, »das stimmt.«

Dex wirkte fasziniert und erfreut. »Du bleibst hier, damit du den Anspruch der Navajos aufrechterhalten kannst.«

»So ist es.«

»Hab ich mir gedacht.«

»Ich muss das tun«, sagte Jamie.

»Mhm. Tja, ich muss auch so einiges tun.«

»Zum Beispiel?«

»Also, mein Plan ist folgender«, sagte Dex mit seinem alten großspurigen Grinsen. »Sobald ich wieder auf der Erde bin, gründe ich eine Stiftung, eine gemeinnützige Organisation, die sich speziell der Erforschung des Mars widmet. Ich werde sie Mars Research Foundation nennen, glaube ich.«

Jamie sah ihn verdutzt an.

»Dadurch werden wir ständig und kontinuierlich Geld aufbringen können und müssen nicht mehr für jede einzelne Expedition mit dem Hut in der Hand rumgehen. Wir werden die Erforschung des Mars auf eine solide finanzielle Grundlage stellen und die Leute dazu bringen, kontinuierlich zu spenden, als würden sie Aktien oder Anleihen erwerben.«

»Aber sie werden keinen Gewinn damit machen«, wandte Fuchida ein.

Dex' Augen tanzten. »Nein, aber sie können ihre Spenden von der Steuer absetzen. Wird eine nette kleine Steuererleichterung für sie bedeuten.«

Jamies Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Du hast schon lange darüber nachgedacht, stimmt's?«

Dex grinste zurück. »Ungefähr so lange wie du darüber, allein hier zu bleiben.«

»Wird deine Stiftung mit der Navajo Nation zusammenarbeiten?«

»Und ob. Vielleicht richten wir die Zentrale in Arizona oder in New Mexico ein, im Navajo-Reservat.«

Jamie nickte vergnügt. Der Gedanke, dass Dex im Reservat sitzen würde, gefiel ihm.

»Okay, Kumpel«, sagte Dex und streckte die Hand aus, »du hältst hier die Stellung, und ich gehe gleich nach unserer Landung zum Navajo-Präsidenten.«

»Nicht zu deinem Vater?«, fragte Jamie und ergriff Dex' Hand.

Dex lachte. »Ja, okay, ich glaube, ich sollte die Sache mit Dad lieber früher als später austragen.«

Als sie einander so gegenüberstanden, Hand in Hand, schaute Jamie dem jüngeren Mann in die Augen. Er sah keine Spur von Furcht oder Feindseligkeit. Dex ist hier auf dem Mars erwachsen geworden. Er ist jetzt ein ausgewachsener Mann und kein verzogenes Kind mehr.

Auf einmal zog Dex Jamie impulsiv an sich und legte ihm die freie Hand um die Schultern. Jamie tat das Gleiche und klopfte Dex auf den Rücken, als wäre dieser der jüngere Bruder, den er nie gehabt hatte.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Dex sehr leise. »Ich regle die Angelegenheit mit meinem Dad und arbeite mit deinen Navajos zusammen. Du wirst den Mars nicht verlieren.«