Jamie sah das schiefe, selbstsichere Grinsen auf Trumballs Gesicht und erinnerte sich an sein höhnisches Worin besteht denn eigentlich sein Beitrag zum Gebiet der Geologie?
»Und was passiert mit den einheimischen Lebensformen?«, fragte er ruhig.
»Wie gesagt, die müssen geschützt werden.«
»Mal angenommen, das wär alles machbar«, sagte Craig, »wer soll das finanzieren?«
Trumballs großspuriges Grinsen wurde breiter. »Das ist das Schöne daran. Das Projekt finanziert sich selbst.«
»Wie denn?«
»Kolonisierung.«
»Kolonisierung?«, fragten mehrere Stimmen.
»Klar, warum nicht? Touristen waren doch auch ganz scharf darauf, in dieses Orbitalhotel zu fliegen, oder? Und die Mondbasis baut Einrichtungen für Pensionäre. Warum sollten wir den Mars nicht kolonisieren?«
»Sehr teure Angelegenheit, meinst du nicht?«, sagte Deschurowa.
Jamie merkte, dass etwas wie weiß glühende Lava in seinen Gedärmen zu brodeln begann.
Trumball verschränkte lässig die Finger hinter dem Kopf. »Also, ihr solltet wirklich mal den Kopf aus dem Sand ziehen. Es gibt schon jetzt einen Haufen Leute, die für einen Trip zum Mars bezahlen würden. Und wenn es zehn Millionen Dollar pro Person kostet — was ist das schon für den Generaldirektor von Masterson Aerospace oder den Chef von Yamagata Heavy Industries? Oder für irgendeinen Fernsehstar? Und der Preis wird sinken, sobald wir hier auf dem Mars Anlagen zum Wiederauftanken und zum Anbau von Nahrungsmitteln errichten.«
»Damit man dauerhafte Kolonien auf dem Mars bauen kann«, sagte Rodriguez leise.
»Klar«, wiederholte Dex. »Warum nicht?«
»Guter Gott«, murmelte Hall.
»Die Großkonzerne werden die Führungsrolle übernehmen«, fuhr Trumball fort, »und die Tourismusindustrie wird mit beiden Füßen zugleich reinspringen. Ferien auf dem Mars! Besuchen Sie den Grand Canyon! Besteigen Sie den höchsten Berg im Sonnensystem!«
»Warum nicht gleich mit Skiern runterfahren?«, murmelte Deschurowa.
»Schnee könnten wir auch machen, klar!«
»Aber Touristen bleiben nicht lange …«
»Schon richtig, aber das wird erst der Anfang sein«, gab Dex mit wachsendem Enthusiasmus zurück. »Wir werden Touristeneinrichtungen bauen müssen, stimmt's? Ich sag's euch, das ist die erste Keimzelle von dauerhaften Kolonien.«
»Nein«, sagte Jamie.
Trumball drehte sich langsam zu ihm um, immer noch mit dem schiefen Grinsen auf seinem hübschen Gesicht. »War mir klar, dass du das nicht gut finden würdest.«
»Der Mars wird weder ein Urlaubsort für Touristen noch eine Kolonie werden.«
»Wetten?«
»Ich halte das für totalen Unsinn«, sagte Hall mit einem Schnauben.
»So hat dein Großvater auch über Flitterwochen im Orbit gedacht«, schoss Trumball zurück, »aber jetzt fliegen die Leute zu diesem Zweck dorthin, oder?«
»Das, wovon du da redest«, sagte Deschurowa, »die Umwandlung des ganzen Planeten — das nennt man Terraformen, richtig?«
»Terraformen, stimmt.« Trumball nickte.
Jamie versuchte, die Wut zu bezähmen, die in ihm kochte. »Du willst also den ganzen Planeten verändern, ihn zu einer zweiten Erde machen.«
»Das ist die Grundidee. Damit reduzieren wir die Gefahren für die Besucher. Dann können wir dauerhafte Siedlungen auf dem Mars bauen. Städte, Kolonien.«
»Genau wie die Europäer in Amerika«, sagte Jamie.
Trumball lachte schallend. »Ich wusste, dass dir das gegen den Strich gehen würde. Kulturell bedingte Vorurteile und so weiter.«
»Und du willst die Flechte in ein Reservat stecken, wo die Besucher sie begaffen können.«
Trumballs Grinsen verblasste nicht im mindesten. »Also, nun flipp mal nicht aus, Das ist das kommende Ding. Und du hast mehr als sonst jemand hier dazu beigetragen, es zu ermöglichen.«
»Ach tatsächlich?«
»Aber ja«, sagte Trumball. »Du warst doch derjenige, der bei der ersten Expedition auf die Fahrt zum Grand Canyon gedrängt hat, oder nicht? Ohne dich hätte man die Flechte nie gefunden.«
Jamie fühlte sich plötzlich aus dem Gleichgewicht. Lob von Trumball hätte er als Letztes erwartet.
»Und du hast sogar einen ziemlichen Wirbel um eine Felsenbehausung gemacht, stimmt's?«, fuhr Dex fort. »Also, das wäre doch eine Wahnsinns-Touristenattraktion! Ein echtes marsianisches Dorf. Glaub mir, die Leute würden ein Vermögen dafür bezahlen, es zu sehen.«
»Nicht, solange ich lebe«, sagte Jamie mit aller eisernen Härte, die er in sich spürte.
»Du wirst es nicht verhindern können, Chief«, sagte Trumball genauso stahlhart. »Es ist unvermeidlich. Wir kommen, wir sehen, wir erobern.«
»Nicht, solange ich lebe«, wiederholte Jamie. Dann fügte er hinzu: »Und auch nicht, solange du lebst.«
»Ach nein? Was wollen wir wetten, dass bei der nächsten Expedition zum Mars schon Touristen dabei sind? Nur ein paar stinkreiche alte Fürze, denen es nichts ausmacht, ein paar Millionen hinzublättern, um sich zu beweisen, was für knallharte Typen sie sind. Aber sie werden kommen.«
»Journalisten vielleicht«, meinte Fuchida leise.
»Und den Mars kaputtmachen, so wie die Europäer alles kaputtgemacht haben, worauf sie ihren Fuß gesetzt haben«, sagte Jamie.
»Was heißt kaputtgemacht?«, konterte Trumball. »Wenn deine hochverehrten amerikanischen Ureinwohner sich durchgesetzt hätten, würdest du jetzt nicht zum Mars fliegen. Du würdest noch Büffel jagen und Decken weben.«
Jamie stand auf. Er war so wütend, dass er befürchtete, er könnte die Beherrschung verlieren.
Er zeigte mit dem Finger auf Trumball, als würde er eine Pistole auf ihn richten. »Niemand wird den Mars versauen, Dex. Weder du noch sonst jemand. Das schwöre ich dir.«
Dex grinste träge. »Wie willst du uns denn daran hindern, Chief?«
Darauf hatte Jamie keine Antwort.
MORGEN: SOL 3
Jamie stand allein in der uralten Stadt. Die heiße Sonne am klaren goldenen Himmel war so hell, dass ihr greller Widerschein auf den Alabastergebäuden ihm schmerzhaft in die Augen stach. Es war ein gutes Gefühl, die Sonnenwärme auf der nackten Haut zu spüren. Nichts rührte sich in der verlassenen, stillen Stadt, aber sie war so schön wie an dem Tag, als die Erbauer ihre Arbeit beendet hatten.
Während Jamie barfuß den Platz im Zentrum überquerte, fragte er sich, wo die Menschen sein mochten, die diesen wundervollen Ort erschaffen hatten. Links und rechts von ihm standen die kannelierten Säulen prächtiger Tempel. Vor ihm erhob sich ein Palast, dessen Stufen bis in den Himmel reichten.
Wohin sind sie alle verschwunden?, fragte er sich.
Auf einmal wurde die friedliche Stille vom Getöse Tausender Menschen zerbrochen, die sich von allen Seiten auf den Platz ergossen; in nicht enden wollenden Scharen strömten sie herbei, Männer, Frauen und Kinder mit kurzen Hosen, T-Shirts und Baseballkappen, die mit ihren Fotoapparaten knipsten, was ihnen vor die Linse kam, Burger mit Fritten mampften und Saft aus Plastikbechern tranken.
Einige der Leute kannte er. Er sah eine schöne dunkelhäutige Frau in einem smaragdgrünen Tanga, die lang ausgestreckt auf einem der hohen Tempelsimse lag; sie sonnte sich, allein und abseits des Menschengewühls, in dem er immer wieder angerempelt wurde.
Der Lärm von Hammerschlägen und Motorsägen ließ die Luft erzittern; Baukräne ragten in den Himmel, während immer mehr Menschen in die alte, zum Untergang verurteilte Stadt drängten.
Ein hagerer Mann mit harten Augen und kahlrasiertem Schädel dirigierte die Menge; jedes Mal, wenn er irgendwohin zeigte, hasteten Leute dorthin.
»Ihr geht dort rüber zu dem Tempel. Schaut euch die Wandbilder gut an, bevor wir ihn abreißen und mit nach Hause nehmen. Die anderen können einstweilen in dem neuen Fast-Food-Laden, den wir gerade bauen, einen Imbiss zu sich nehmen.«