»Tars Tarkas?«, fragte Jamie.
»Ein knapp fünf Meter großer, grüner, vierarmiger Marsianer«, erklärte Hall mit sichtlichem Abscheu. »Aus irgend so einem wüsten SF-Schmöker, den Dex in seiner vergeudeten Jugend gelesen haben muss.«
»Klingt, als hättest du ihn auch gelesen, Verehrteste«, sagte Trumball, während er wieder nach vorn ins Cockpit kletterte.
Hall erwiderte: »Du bist nicht der Einzige mit einer vergeudeten Jugend, Dex.«
Trumball nahm auf dem anderen Notsitz Platz, und sie verstummten alle für eine Weile. Jamie bot Deschurowa an, sie am Steuer abzulösen, aber sie schüttelte den Kopf.
»Ich will nicht anhalten. Außerdem ist es nicht so schlimm, wie ich dachte.«
Jamie nickte, dann wurde ihm klar, dass er vor sechs fahren am Steuer gesessen hatte, als der Rover in die Sandfalle gepflügt war. Natürlich waren sie alle elend krank gewesen vom Skorbut, aber trotzdem, er hatte das Fahrzeug gelenkt, er hatte sie in diese schlimme Lage gebracht.
»Schaut!«, rief Trumball. »Ich sehe ihn!«
»Der alte Rover«, sagte Jamie.
Er sah wie eine riesige metallene Raupe aus, die sich in den Boden zu graben versuchte. Das vordere Modul steckte bis zur Hälfte im Sand. An der linken Seite hatte sich vom Wind angewehter Staub aufgehäuft; die rechte Seite war helles, nacktes, vielleicht sogar blank gescheuertes Aluminium.
»Er ist also noch da«, sagte Hall.
Trumball lachte. »Wieso, hast du gedacht, jemand hätte ihn mitgenommen?«
»Wohl kaum.«
»Vielleicht sollten wir's tun«, sagte er.
»Was?«
»Den alten Rover mitnehmen.«
Jamie warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Was meinst du, großer Häuptling?«, fragte Trumball. »Wenn wir ihn aus dieser Sandfalle rausziehen könnten, hätten wir einen zusätzlichen Rover zum Spielen.«
»Wir brauchen keinen zusätzlichen Rover«, sagte Jamie.
Deschurowa war noch langsamer geworden, während sie in einigem Abstand zu dem trügerischen, mit Sand gefüllten Krater vorsichtig um den Bereich herummanövrierte. Sie sahen alle den schwachen Umriss des Kraters und die kleinen Sandkämme darin, wie kleine Wellen in einem Teich. Jamie war zu krank und zu erschöpft gewesen, um sie zu bemerken, als er den Rover in die Sandfalle gelenkt hatte.
»Klar könnten wir einen zusätzlichen Rover brauchen«, sagte Trumball in von Enthusiasmus befeuertem Ton.
»Wir haben nur acht Leute hier, Dex«, sagte Jamie. »Und nur drei qualifizierte Fahrer. Wir …«
»Wenn du einen Rover fahren kannst«, fiel ihm Trumball ins Wort, »dann kann ich's garantiert auch. Wir haben alle in den Simulatoren geübt.«
»Die Exkursionen sind in allen Einzelheiten geplant, Dex. Wozu brauchen wir einen weiteren Rover?«
Trumballs Grinsen war strahlend. »Um uns den Pathfinder zu holen.«
»Den Pathfinder?«, entfuhr es Jamie und Deschurowa wie aus einem Munde.
»Na klar! Der steht bei der Sagan-Station, drüben im Ares Vallis. Und der kleine Sojourner-Buggy auch!«
»Das sind über tausend Kilometer, Dex«, sagte Deschurowa.
»Eher viertausend«, gab Trumball zu, »von unserem Basislager aus.«
Sie fuhren langsam an dem alten Rover vorbei, krochen über den festeren Boden dahin, dort, wo Jamie gegangen, getaumelt, gekrochen war, um eine Sicherheitsleine zu den Russen zu bringen, die gekommen waren, um sie zu retten.
»Wir könnten doch zumindest mal anhalten und nachsehen, ob die alte Karre noch zu benutzen ist«, drängte Trumball.
Mit einem Blick zu Deschurowa, die den Rover noch mehr abbremste, fragte Jamie: »Wozu? Wie willst du nach Ares Vallis kommen, selbst wenn wir den Rover bergen?«
Mit einem noch breiteren Grinsen sagte Trumbalclass="underline" »Also, ich habe folgenden Plan. Falls der alte Rover zu benutzen ist, fahren wir ihn zur Basis zurück. Oder schleppen ihn höchstwahrscheinlich hin.«
»Wir sollen ihn schleppen?«, brummelte Trudy Hall.
Trumball beachtete sie nicht. »Dann reparieren Wiley und ich alles, was repariert werden muss, bis er wieder voll funktioniersfähig ist.«
Stacy Deschurowa fragte lakonisch: »Würden Sie von diesem Mann einen Gebrauchtwagen kaufen?«
»Dann fahre ich damit zur Sagan-Station und hole mir die Pathfinder-Sonde und den Sojourner.«
»Aber wozu?«, wollte Hall wissen.
Trumball bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. »Hast du eine Ahnung, wie viel ein Museum für dieses Material zahlen würde? Das Luft- und Raumfahrtmuseum in Washington, beispielsweise?«
»Nicht viel«, sagte Deschurowa. »Denk daran, das ist eine staatliche Einrichtung.«
»Okay, was ist mit Disney? Oder einem dieser Casinos in Las Vegas? Oder irgendwelchen großen Unterhaltungskomplexen in Japan oder Europa?«
»Mit wie viel rechnest du denn?«, fragte Hall.
Statt direkt darauf zu antworten, erwiderte Trumbalclass="underline" »Eins kann ich euch sagen, es wird ein Haufen Geld sein. Für wie viel ist dieses Bild von Picasso letztes Jahr über den Tisch gegangen? Fünfzig Milliönchen? Und das war nur ein Stück Leinwand mit ein paar draufgeschmierten Farben. Wir sprechen von einer kompletten Raumsonde, die auf dem Mars gewesen ist, verdammt noch mal!«
»Glaubst du wirklich …?«
»Das wird einen richtigen Run auslösen«, behauptete Trumball eifrig. »Die ganzen großen Player werden sich voll reinschmeißen. Die Disney-Manager. Die Trumps und Yamagatas und wer nicht alles. Die treiben den Preis in Nullkommanichts auf eine Milliarde hoch.«
»Aber das Ding gehört dir doch gar nicht«, wandte Hall ein. »Es ist Eigentum der NASA, oder nicht? Oder der amerikanischen Regierung.«
Trumball wackelte mit dem Kopf. »Nee! Ich hab's nachgeschlagen. Es gibt das Bergungsgesetz …«
»Das bezieht sich auf gesunkene Schiffe«, sagte Hall.
»Oder auf Schätze«, fügte Deschurowa hinzu.
»Es bezieht sich auf Sachen, die verloren oder aufgegeben worden sind«, erwiderte Trumball in bestimmtem Ton. »Gilt im Weltraum genau wie auf der Erde. Dieser Typ — wie hieß der gleich noch? Gunn, oder? Der hat den ersten Vanguard-Satelliten geborgen, glaube ich. So was in der Art. Es ist Bergungsgut.«
»Das heißt, wenn man's sich schnappen kann, gehört es einem?«, fragte Hall.
»Jawoll«, erwiderte Trumball forsch.
Jamie sah, dass sie an dem halb begrabenen Rover vorbeigefahren waren. Der Boden des Canyons war jetzt nur noch ein paar Klicks entfernt; er war immer noch in Nebelranken gehüllt, die jedoch allmählich dünner wurden. Der Gedanke, die alte Pathfinder-Sonde von ihrem Landeplatz wegzuholen, beunruhigte Jamie tief unterhalb der rationalen Ebene. Es hatte etwas von einem Sakrileg, von der Entweihung eines heiligen Ortes.
Aber er hielt den Mund, weil er wusste, dass seine Stimme sonst von Zorn erfüllt sein würde.
Stacy Deschurowa schwieg jedoch nicht. »Selbst wenn wir mal annehmen, du hast Recht, Dex — keiner dieser Rover hat eine Reichweite von achttausend Klicks hin und zurück.«
»Das weiß ich«, sagte Trumball herablassend. »Ich bin ja nicht gehirnamputiert. Wir fliegen den Reserve-Treibstoffgenerator nach Ares Vallis, dann kann der Rover dort aufgetankt werden, wenn er ankommt.«
»Fliegen den … das ist verrückt!«
»Vorher müssen wir noch den Reserve-Wasseraufbereiter wieder auf den Treibstoffgenerator setzen«, fügte Dex hinzu.
»Noch verrückter.«
»Der Treibstoffgenerator steht nur zwei Klicks von der Basis entfernt, als Ersatzgerät für den Notfall, nicht wahr? Und da der Garten jetzt funktioniert, brauchen wir den zusätzlichen Wasseraufbereiter nicht. Also, warum führen wir sie nicht einer nützlichen Verwendung zu?«
»Wie willst du ihn denn hinfliegen?«, wollte Stacy wissen.