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Sie nickte nachdenklich. »Fünf oder sechs Grad also. Wenn die Satelliten fähig sind, einen so geringen Unterschied zu messen, können wir den ganzen Planeten kartieren und sehen, wo es Flechtenkolonien gibt.«

»Oder andere Lebensformen«, meinte Trumball.

»Bisher haben wir keine gefunden«, sagte sie.

»Das kommt noch«, antwortete Trumball zuversichtlich.

»Hoffentlich.«

»Holen wir uns mal die technischen Daten der Satellitensensoren auf den Bildschirm«, sagte Trumball. »Dann werden wir ja sehen, ob die Infrarotscanner deine Temperaturunterschiede messen können.«

Hall nickte eifrig, und Trumball zog den Laptop zu sich herüber und begann, auf der Tastatur herumzutippen. Jamie stand auf und ging nach vorn ins Cockpit. Wird Zeit, dass ich mich mit der Basis in Verbindung setze und den abendlichen Bericht durchgebe, dachte er.

ABEND: SOL 10

Vijay Shektar hatte gerade Dienst an der Kommunikationskonsole. Sie lächelte Jamie an. »Na, wie sieht's aus, Kamerad?«

»Sehr gut.« Jamie berichtete von ihrer Hypothese über die Flechte, die Wasser aus dem Innern ihres Wirtsgesteins saugte, und die Möglichkeit, den ganzen Planeten nach Flechtenkolonien abzutasten.

»Das ist ja großartig, Jamie«, sagte Shektar mit einem fröhlichen Lächeln.

»Trudy ist wirklich auf Draht«, sagte er. »Sie ist auf dem besten Wege zum Nobelpreis.«

»Schön für sie«, erwiderte Vijay ein bisschen abwesend, wie Jamie fand.

Dann verblasste ihr Lächeln, und sie fragte mit leiserer Stimme: »Wie läuft's zwischen dir und Dex?«

Jamie dachte an den vorletzten Abend, als er mit ihr hatte sprechen wollen, sie jedoch mit Trumball gechattet hatte.

Ohne sich etwas anmerken zu lassen, antwortete er: »Nicht schlecht. Er will den alten Rover bergen.«

»Ja, das hab ich in deinem gestrigen Bericht gelesen.«

»Und zu diesem Zweck hat er versucht, mich zu bestechen.«

»Dich zu bestechen?«

Jamie berichtete ihr von dem Vorschlag mit der Felsenbehausung.

Shektar sagte: »Aber das wolltest du doch ohnehin tun, oder?«

Er musste es zugeben. »Ich hatte es jedenfalls vor. Aber jetzt, wo Dex es offen angesprochen hat, bin ich irgendwie froh drüber.«

»Das ist gut.«

»Äh … du hast doch neulich abends mit ihm gesprochen, nicht?«

Ihr dunkelhäutiges Gesicht zeigte keine Spur von Überraschung. Ihre Onyx-Augen flackerten nicht. »Ich versuche, alle paar Tage mit jedem Mitglied des Teams zu sprechen, Jamie. Das gehört zu meinem Job.«

»Ich verstehe«, sagte er.

Sie lächelte. »Ja, natürlich.«

Auf einmal fühlte Jamie sich unwohl. Er hätte am liebsten stundenlang mit Vijay gesprochen, hätte gern über Gott und die Welt mit ihr geredet, nicht nur über die sachlichen Aspekte der Expedition. Aber er spürte, dass sie mehr darüber wusste als er selbst, was in ihm vorging.

»Wie steht's bei euch?«, hörte er sich fragen. »Alles in Ordnung?«

»Ja, alles bestens«, sagte Vijay. »Possums Bohrer hat die Zweihundert-Meter-Marke erreicht, und er holt jetzt die ersten Bakterienproben herauf. Er und Mitsuo untersuchen sie. Die beiden nehmen die ganze Laborausrüstung in Beschlag.«

»Lebende Bakterien?«

»Ja. Die Biologen auf der Erde tanzen auf der Straße, wenn man die beiden so reden hört.«

»Warum, zum Teufel, haben die mir nichts davon erzählt?«

Sie machte ein überraschtes Gesicht. »Ich dachte, das hätten sie. Heute Morgen haben sie gerade die erste Probe raufgeholt. Ich dachte, sie hätten dir sofort einen Bericht geschickt.«

Jamie holte tief Luft. »Vielleicht ist er in meiner Mail. Ich hab heute Abend noch gar nicht nachgesehen.«

»Bestimmt ist er drin.«

Ohne die Verbindung mit Shektar zu unterbrechen, holte er sich die Liste der eingegangenen Nachrichten auf den Bildschirm. Ja, da waren zwei von Fuchida, nur ein paar Minuten nacheinander abgeschickt, vor knapp drei Stunden.

Ich sollte mir meine Mail ansehen, bevor ich die Basis anrufe, ermahnte sich Jamie. Er merkte, dass er sich töricht benommen hatte, weil er sich so sehr gewünscht hatte, mit Vijay zu sprechen, dass er gar nicht auf die Idee gekommen war, vorher einen Blick in seinen Posteingang zu werfen.

»Mitsuo meint, die Vulkane wären vielleicht noch bessere Stellen für eine unterirdische Ökologie«, sagte sie. »Er kann es gar nicht erwarten, mit seiner Exkursion loszulegen.«

Jamie seufzte. »Das Gefühl kenne ich.«

»Geht's dir gut?«

Beinahe überrascht von ihrer simplen Frage, antwortete Jamie: »Klar, alles in Ordnung.«

»Du bist nicht müde oder vielleicht ein bisschen reizbar, vor allem abends?«

Jamie schüttelte den Kopf. »Nein, nichts dergleichen.«

»Wie ist es beim Aufwachen morgens? Irgendwelche Anzeichen von Niedergeschlagenheit?«

»Wovon redest du?« Er erinnerte sich daran, wie es ihm bei der ersten Expedition gegangen war, als Vitaminmangel zu Skorbut geführt hatte. Machte sich Vijay deswegen Sorgen?

Aber sie antwortete: »Vom Jetlag.«

»Jetlag?«

Shektar nickte ganz ernst. »Der Marstag ist über eine halbe Stunde länger als der Erdentag. Hier in der Basis haben einige Leute Schwierigkeiten gehabt, ihre innere Uhr darauf umzustellen.«

Jamie war sofort alarmiert. »Wer? Wie ernst ist es?«

»Es ist nicht ernst«, erwiderte Shektar. »Kein Grund zur Sorge. Und ich werde deshalb nicht die ärztliche Schweigepflicht verletzen.«

»Aber wenn es sich auf die Arbeit der Betreffenden auswirkt …«

»Bis jetzt ist das nicht der Fall, und ich bezweifle, dass es so weit kommen wird. Sie passen sich an; nur ein bisschen langsam, das ist alles.«

Jamie gab sich alle Mühe, sie nicht finster anzusehen. Daran hätten wir denken sollen, tadelte er sich. Wir haben die Schwerkraftanpassung durchgeführt, aber niemand hat an die Anpassung an die unterschiedliche Tageslänge gedacht.

»Mach nicht so ein Gesicht, Jamie«, sagte Vijay. Sie lächelte wieder. »Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen.«

»Bist du sicher?«

»Ja, ich bin absolut und vollkommen sicher.« Dann wurde ihr Lächeln schalkhaft. »Jedenfalls ziemlich.«

Sie unterhielten sich ein wenig über Biorhythmen und natürliche Zyklen. Jamie genoss es, mit ihr zu plaudern; er merkte, dass die Anspannungen des Tages sich allmählich von ihm lösten. Ihm fiel auf, wie weiß ihre Zähne in dem dunklen Gesicht glänzten. Ihre Haut wirkte glatt und weich. Wie gern würde er ihr Gesicht, ihre Schultern streicheln …

»Wo wir gerade von Biorhythmen sprechen«, sagte Vijay, »ich habe den Harem-Effekt im Auge behalten.«

Das machte seinen Phantasien ein Ende. »Den was

»Den Harem-Effekt«, sagte sie. »Die Tendenz zusammenlebender Frauen, ihren Menstruationszyklus zu synchronisieren.«

Davon will ich nichts hören, dachte Jamie. Aber er hörte sich fragen: »Ist das hier bei … euch der Fall?«

Shektar nickte. Ihr Blick war neckisch. »Ja, in der Tat, Kamerad. Ich habe vor kurzem mit Stacy gesprochen. Wir sind alle nicht mehr als drei Tage auseinander.«

»Der Harem-Effekt«, murmelte er.

»Ein Element der generellen Boshaftigkeit der Natur«, sagte sie.

»Ach wirklich?«

»Wir machen das nicht absichtlich, Jamie. Wir können unsere Zyklen nicht kontrollieren, jedenfalls nicht ohne Hormontherapie, und soweit ich weiß, nimmt keine von uns die Pille.«

Jamie dachte, vielleicht solltet ihr das tun, und fragte sich dann, warum sie es nicht taten. Weil sie nicht sexuell aktiv sein wollten?