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»Wir haben uns vor dem Abflug von der Erde bereit erklärt, auf die Pille zu verzichten«, erklärte Shektar. »Wir sind alle drei freiwillige Teilnehmerinnen eines medizinischen Experiments über den Harem-Effekt.«

»Wirst du eine Abhandlung darüber schreiben?«

»Nach unserer Rückkehr, ja. Publizieren oder krepieren, du weißt schon.«

Jamie konnte nicht erkennen, ob sie es ernst meinte oder ob sie ihn triezen wollte.

»Falls eine von uns glaubt, sie hätte Anlass dazu«, fuhr sie fort, »kann sie natürlich eine ›Pille danach‹ nehmen. Von denen habe ich einen ordentlichen Vorrat dabei.«

Jamie hörte sich fragen: »Hat schon jemand …?«

Ihr Lächeln wurde strahlend. »Ärztliche Schweigepflicht, Jamie. Meine Lippen sind versiegelt.«

Er seufzte frustriert. Es klang eher wie ein Knurren.

Auf einmal wechselte Shektar das Thema. »Du hast seit deiner Abreise von der Basis keine medizinische Diagnose mehr machen lassen, weißt du.«

»Ich brauche keine …«

»Du hast die Vorschriften gebilligt, Jamie. Wir haben uns alle bereit erklärt, uns an sie zu halten.«

»Ja, ich weiß.«

»Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass du körperlich und seelisch gesund bleibst.« Sie war jetzt vollkommen ernst. »Aber das kann ich nicht, wenn du nicht kooperierst.«

»Haben die anderen …?«

»Dex und Trudy waren sehr kooperativ. Stacy hat die typische Abneigung der Astronauten gegen Ärzte, aber sie hat gestern eine Diagnose machen lassen. Ich habe die Daten hier.«

»Ich würde mich lieber von dir persönlich untersuchen lassen als von dieser blöden Maschine«, entfuhr es ihm.

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Tatsächlich?«

Jamie verfluchte sich für seine Dummheit. »Ich wollte damit nur sagen, dass …«

Aber Vijay lächelte schon wieder. »Ich untersuche dich gern, wenn du zurückkommst. Aber für den Augenblick ist die Diagnosemaschine leider der Gipfel der Romantik.«

»Romantik?«

Sie lachte. »Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht durcheinander bringen. Ist nur mein bösartiger Humor.«

Er zwang sich, ihr Lächeln zu erwidern. Mit begrenztem Erfolg. »Ich bin nicht durcheinander. Ist schon in Ordnung.«

»Ja, das sehe ich.«

Jamie versuchte, das Gespräch wieder in den Griff zu bekommen. »Ich muss mit Tomas sprechen.«

»Jetzt?«

»Bevor ich mich verabschiede.«

»Möchtest du deinen formellen Bericht abliefern?«

»Ich möchte, dass er einen der Schwebegleiter darauf programmiert, einen Erkundungsflug zu der Felsenbehausung durchzuführen.«

MORGEN: SOL 11

Trotz der ganzen Staubsaugerei wirkten die Anzüge allmählich schmutzig und gebraucht, stellte Jamie fest. Die einstmals glänzend weißen Stiefel und Unterteile hatten jetzt einen leicht rötlichen Ton. Die Handsauger entfernten offenbar nicht den ganzen Staub. Ihm fiel wieder ein, wie fleckig und gebraucht die Anzüge bei der ersten Expedition schon nach ein paar Wochen ausgesehen hatten.

»Hier ist das Gerät«, sagte Dex Trumball und reichte Jamie den Helm. Das Visier war bereits geschlossen; die VR-Kameras befanden sich knapp über Augenhöhe. Stacy Deschurowa hatte das Modul mit der Virtual-Reality-Elektronik in den Tornister von Jamies Anzug gepackt.

»Okay.« Jamie setzte den Helm vorsichtig auf und verschloss den Halsring. »Sobald ich die VR-Handschuhe anhabe, bin ich bereit für meine große Chance im Showbiz.«

Trumball war ganz sachlich. »Mach immer schön langsam. Keine plötzlichen Bewegungen. Du willst doch nicht, dass den Zuschauern zu Hause schwindlig wird.«

Deschurowa hatte bereits ihren Raumanzug an. Ihr Visier war hochgeklappt, und sie war bereit, Jamie zu überprüfen, bevor er durch die Luftschleuse hinausging. Jamie hörte ihre Stimmen gedämpft durch seinen gepolsterten Helm. Dann kam Deschurowa über die Helmlautsprecher: »Funkcheck.«

»Laut und klar, Stacy.«

»Dann hast du grünes Licht für die Exkursion.«

Jamie stapfte unbeholfen in die Luftschleuse und setzte den Pumpzyklus in Gang. Wir könnten ein paar Proben mit hineinnehmen, dachte er. Solange sie in Probenbehältern eingeschlossen sind, kann nichts passieren. Die Behälter sind isoliert und das UV-Licht kommt nicht durch. Aber dann dachte er: Wozu ein Risiko eingehen? Lassen wir sie draußen; in ihrer natürlichen Umgebung sind sie besser aufgehoben.

Das Lämpchen an der Anzeigetafel sprang auf Rot. Jamie drückte mit einem behandschuhten Daumen auf den Knopf, der die Außenluke öffnete. Dann trat er wieder einmal auf den roten Sand des Mars hinaus.

Der Boden war von Stiefelabdrücken übersät. Jamie entfernte sich ein Dutzend Schritte vom Rover und schaute dann an der gigantischen Steilwand hinauf, die sich in beiden Richtungen bis zum Horizont erstreckte. Da der Helm des hartschaligen Raumanzugs sein Blickfeld begrenzte, konnte er den oberen Rand der Felswand nicht sehen, auch wenn er sich so weit wie möglich nach hinten bog.

Ihm stockte der Atem, als ihm wieder einmal klar wurde, dass er sich auf einem anderen Himmelskörper befand, einem großartigen, markanten neuen Planeten mit einer ganzen Welt voller Überraschungen und Rätsel, die sie entdecken und lösen konnten. Er spürte, wie die Wärme der Morgensonne in die am Boden verstreuten Steine und die über sein Blickfeld hinaus aufragende massive Felswand drang.

Hier gab es einmal einen Fluss, dachte Jamie. Einen gewaltigen, reißenden Strom, der häusergroße Felsbrocken mit sich getragen hat. Aber wann? Vor wie langer Zeit? Und was ist aus ihm geworden?

Die Felsenbehausung ist keine fünfzig Klicks von hier, sagte er sich. Wir könnten hinfahren, sie uns rasch ansehen und noch vor Sonnenuntergang wieder hier sein.

Er drehte sich um und ließ den Blick über den Boden des Canyons schweifen. Die Felswände auf der anderen Seite waren hinter dem Horizont, außer Sichtweite. Der Horizont selbst wirkte zu nah, beunruhigend nah, und so scharf, als wäre der Rand der Welt mit dem Rasiermesser gezogen. Ein ganzer Planet, den es zu erforschen galt. Eine ganze Welt. Wenn es hier draußen wirklich eine Felsenbehausung gibt, wie viele andere werden wir dann noch finden?

Aber die Stimme der Pflicht antwortete: Nicht heute. Du kannst dich nicht auf die Suche nach deiner Felsenbehausung machen. Nicht auf dieser Mission. Du würdest die Treibstoffreserve des Rovers angreifen und ein unnötiges Risiko eingehen.

Nur Geduld, riet er sich. Erst soll der Schwebegleiter einen Erkundungsflug über das Gebiet machen. Dann kannst du eine spezielle Exkursion dorthin planen.

Falls die Kameras des Schwebegleiters etwas zeigen, das eine genauere Untersuchung lohnt.

»Kann es losgehen mit deiner Viertelstunde des Ruhms?« Stacy Deschurowas Stimme in den Helmlautsprechern riss Jamie aus seinen Gedanken.

Als er sich wieder zum Rover umdrehte, sah er sie in ihrem Raumanzug an der Luftschleuse stehen, mit leicht rosa gefleckten Stiefeln und Beinen. Aber die gelben Streifen an den Ärmeln waren noch immer so hell und makellos wie Butterblumen.

»Ich denke schon«, sagte er.

»Tarawa ist bereit für deine Übertragung«, sagte sie. »Pete Connors sitzt an der Kommunikationskonsole.«

»Auf welcher Frequenz ist er?«

»Zwei.«

Jamie holte tief Luft, während er auf dem Tastenfeld am Handgelenk seine Eingabe vornahm. Es wäre schön, mit Pete zu reden, dachte er. Einen netten, langen, freundlichen Plausch zu halten. Aber Jamie wusste, dass die Entfernung diese Hoffnung zunichte machte. Es würde fast eine Viertelstunde dauern, bis seine Worte die Erde erreichten, und noch einmal so lange, bis Connors' Antwort bei ihm eintraf. Allein die Begrüßung könnte schon den halben Vormittag dauern, wusste Jamie.