»Ja, klar«, sagte Dex. »Sojaburger aus der Mikrowelle und Auberginen.«
Das Lächeln des Biologen wurde breiter. »Keine Steaks auf dem Mars, mein Freund.«
Trumball beugte sich zwischen den Sitzen von Jamie und Deschurowa vor. »Und auch kein Sushi, Kumpel.«
»Oh, Fische könnten wir züchten«, gab Fuchida zurück. »Ich schreibe gerade einen Vorschlag, den Garten um Fischtanks zu ergänzen.«
»Genau das, was wir brauchen«, sagte Trumball forsch-fröhlich, »Fischkacke in unserer Wasserversorgung.«
Jamie warf ihm über die Schulter hinweg einen Blick zu und schaute dann wieder auf den Bildschirm. »Okay, wir werden mindestens bis zum Einbruch der Dunkelheit bei dem alten Rover sein. Vielleicht verbringen wir dort auch die Nacht.«
»Verstanden«, sagte Fuchida wieder ganz sachlich. »Ich werde Possum sagen, dass er dich anrufen soll, wenn er kommt.«
»Ich würde mir gern das Bildmaterial des Schwebegleiters ansehen, sobald Tomas es rüberschicken kann«, sagte Jamie.
Fuchida machte für einen ganz kurzen Moment große Augen. »Er hat es gestern Abend schon geschickt. Es müsste in deinem Posteingang sein.«
Überrascht sagte Jamie: »Ich schau mal nach … Moment.«
Er schaltete vom Bild des Biologen auf eine Liste der eingegangenen Nachrichten um. Tatsächlich, da war eine von Rodriguez mit dem Titel »Bildmaterial«: Mehrere Dutzend Gigabytes.
Jamie holte Fuchida wieder auf den Schirm. »Jawoll, alles klar, es ist da. Ich schau's mir heute Abend an. Sag Tomas schönen Dank, bitte.«
»Mache ich«, sagte Fuchida.
Nachdem Jamie die Verbindung beendet hatte, sagte Trumball leise: »Nicht in die Mail geguckt, hm? Vielleicht solltest du Rodriguez vorschlagen, Rauchsignale zu geben.«
Jamie drehte sich nicht zu Dex um. Er sah das blasierte Grinsen in dessen Gesicht auch so vor sich. Und er wollte nicht, dass Dex den Ärger in seinem sah.
Das war dumm, schimpfte er mit sich. Richtig dämlich. Du hättest gestern Abend einen Blick in deinen Posteingang werfen sollen. Den Fehler hast du jetzt schon zum zweiten Mal gemacht. Was ihn am meisten ärgerte, war nicht, dass er versäumt hatte, in seine Mail zu schauen, sondern dass Trumball und alle anderen es mitbekommen hatten.
»Wie nah willst du ran?«, fragte Deschurowa.
Jamie blickte auf und sah durch die Windschutzscheibe, dass sie keine hundert Meter von dem alten, aufgegebenen Rover entfernt waren.
»So nah, dass wir ein Abschleppseil anbringen können«, sagte er und fügte dann hinzu: »Aber pass auf, dass wir auf festem Boden bleiben.«
»Keine Angst«, erwiderte sie. »Ich will nicht, dass wir in dem Staub stecken bleiben.«
»Man kann den Rand des alten Kraters sehen«, sagte Trumball und zeigte mit ausgestrecktem Arm zwischen Deschurowa und Jamie hindurch. »Dürfte kein Problem sein.«
Es stimmte tatsächlich, stellte Jamie fest. Der phantomhafte Umriss des alten Kraters war ziemlich leicht zu erkennen, wenn man wusste, wonach man Ausschau halten musste. Das Oval des Kraters war von dunklem Gestein gesäumt, das sich ein paar Zentimeter über den Rest des ansteigenden Bodens erhob. Im Innern des Kraters formte der Staub winzige Dünen, wie kleine Wellen, die über einen Teich liefen.
Ich hätte sie sehen müssen, als ich den Rover gefahren habe, sagte sich Jamie. Ich hätte den Krater erkennen und drum herum fahren müssen. Kein Geologe sollte etwas so gottverdammt Offensichtliches übersehen, nicht einmal, wenn er krank und erschöpft ist.
Er schaute sich um. Der Gesichtsausdruck Trumballs kam ihm beinahe hämisch vor.
Während Deschurowa den Rover vorsichtig ans hintere Ende des alten Fahrzeugs heranbugsierte, langte sie mit der rechten Hand nach unten und schaltete den Laser-Entfernungsmesser ein.
»Lies ihn für mich ab, Jamie, ja?«
»Dreißig Meter«, sagte er, den Blick auf die grünen, digitalen Leuchtziffern gerichtet. »Achtundzwanzig … fünfundzwanzig …«
»Zehn Meter okay?«
»Prima«, antwortete Trumball.
»Jamie?«
»Prima«, sagte er.
Sie bremste den Rover noch mehr ab, während Jamie ausrief: »Neunzehn Meter … siebzehn …«
Bei genau zehn Metern stoppte Deschurowa den Rover. Das runde Heck des alten Fahrzeugs lag direkt vor ihnen, vom sechsjährigen Ansturm windgepeitschter eisenhaltiger Staubpartikel bis aufs glänzende Metall abgescheuert.
»Kinderspiel«, sagte Deschurowa und stellte die Fahrmotoren ab. Dann setzte sie hinzu: »Bis jetzt.«
Jamie, Trumball und Deschurowa stiegen nacheinander in ihre Raumanzüge, gingen durch die Luftschleuse hinaus und ließen Trudy Hall im Rover zurück. Im Notfall konnte sie die Basis anrufen und Hilfe herbeiholen. Als ob die Hilfe noch rechtzeitig kommen würde, dachte Jamie. Trotzdem verlangten die Sicherheitsvorschriften, dass zumindest eine Person immer im Rover blieb. Schlimmstenfalls würde Trudy allein zur Basis zurückfahren müssen. Sie gingen um das hintere Ende des Rovers herum.
»Auf dieser Seite hat sich der Sand angehäuft«, sagte Deschurowa. In Jamies Helmlautsprechern klang ihre Stimme ruhig, beinahe klinisch nüchtern.
»Ist ziemlich weich, das Zeug«, sagte Jamie. »Wie Staubflocken. Conners und ich konnten es wegschaufeln, nachdem wir auf dem Boden des Canyons in einen Sandsturm geraten waren.«
Trumball steckte eine beschuhte Hand in die Verwehung. »Staubflocken ist richtig. Schaut!« Er warf eine Hand voll Sand in die Luft; der Sand trieb wie Pulver dahin und sank in der geringen marsianischen Schwerkraft langsam zu Boden.
»Wir könnten darauf Ski fahren«, meinte Trumball. »He, das wäre doch was für die Touristen! Auf dem Mars Ski fahren!«
Er lachte, während Jamie mit den Zähnen knirschte. Meint er das ernst, fragte sich Jamie, oder will er mich nur auf die Palme bringen?
»Die Solarpaneele sind staubverkrustet«, bemerkte Deschurowa.
Jamie hob den Blick zum Dach der Segmente des Rovers und sah, dass sie Recht hatte. »Der Wind hat den Sand auf die Paneele geweht, ihn aber nicht wieder weggeblasen.«
Trumball sagte: »Das Zeug ist auch verdammt scharfkantig. Hat die Paneele wahrscheinlich gründlich zerkratzt.«
»Kommt hier rüber«, sagte Deschurowa. »Die Luke ist auf der Leeseite.«
Jamie folgte ihr, den Blick auf ihre Stiefelabdrücke im Boden gerichtet. Hier war er fest, aber ein paar Meter weiter war der Rand des Kraters.
Deschurowa drückte auf den Bedienungsknopf der Luke. »Tut sich nichts.«
»Wenn die Solarpaneele nicht mehr funktionieren, haben die Batterien bestimmt schon vor Jahren den Geist aufgegeben«, meinte Trumball.
»Dann müssen wir sie eben von Hand aufmachen«, brummelte Deschurowa und zog einen schmalen, schnurlosen Akkuschrauber aus dem Werkzeug-Set, das sich in die Oberschenkeltasche ihres Anzugs schmiegte.
Jamie sah zu, wie sie die Verkleidung über der manuellen Steuerung entfernte. Der scharfkantige Staub und die Zeit hatten die Schrauben festgesetzt, und sie ließen sich nicht bewegen. Deschurowa begann leise auf Russisch zu fluchen, während der elektrische Schraubenzieher immer wieder aufjaulte. Jamie hörte ihr Gemurmel in seinen Helmlautsprechern und befürchtete, sie könnte sich mit dem Schrauber den Handschuh zerreißen, wenn sie abrutschte. Ein Riss in den Handschuhen des Raumanzugs wäre weitaus schlimmer als ein abgeschürfter Knöchel.
Der elektrische Schraubenzieher bekam die erste Schraube schließlich los, und Deschurowas leise Flüche verstummten. Die anderen Schrauben ließen sich viel leichter lösen.
»Ist immer so«, sagte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken. »Die erste, die man sich aussucht, geht immer am schwersten.«
Das Rad, mit dem man die Luke von Hand öffnen konnte, saß noch fester. Deschurowa konnte es nicht bewegen. Trumball griff eilfertig zu, und zusammen zerrten die beiden ächzend daran herum, bis die Luftschleuse schließlich einen Spaltbreit aufging. Dann ließ es sich leichter drehen, und die Tür glitt ganz auf.