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»Ja.«

»Aber was das Dorf betrifft, irrt er sich.« Sie sagte es leise, mit echter Traurigkeit in der Stimme.

»Du magst ihn auch, stimmt's?«

Vijay Shektar starrte auf das Monitorbild der verschatteten Nische hoch oben in der Felswand und antwortete sehr leise: »Ja, ich mag ihn auch.«

Abrupt drehte Rodriguez sich zum Computer um und schaltete ihn aus. Das Bild der Felsennische erlosch. Der Schirm wurde dunkel.

»Du hast Recht«, sagte er beinahe zornig. »Es ist spät. Ich sollte lieber ein bisschen schlafen.«

Shektar erhob sich von ihrem Stuhl. »Ja, ich glaube, das sollte ich auch.«

Rodriguez stand auf und bemerkte zum ersten Mal, wie klein sie in Wirklichkeit war. Geradezu winzig. Wie eine kleine Puppe. Mit Kurven. Ich könnte sie mit einer Hand hochheben.

Sie blickte zu ihm auf und sagte: »Tut mir Leid, dass ich dich gestört habe, Tom. Schlaf gut.«

Sie drehte sich um, ging zur Tür und ließ Rodriguez allein im Geologielabor stehen.

Sie mag Jamie, sagte er sich. Sie mag ihn, nicht mich. Ich bin nur einer ihrer Patienten, eins ihrer gottverdammten Studienobjekte. Tut ihr Leid, dass sie mich gestört hat. Von wegen. Sie weiß verdammt genau, welche Wirkung sie auf mich hat. Es macht sie an, mich schwitzen zu sehen.

Mit Wunschphantasien von ihr im Kopf schlief er ein.

MITTAG: SOL 18

Als die Kuppel ihres Basislagers endlich über dem rostroten Horizont auftauchte, hörte Jamie innerlich die Musik von Peter und der Wolf: den klimaktischen Marsch, zu dessen Klängen Peter den gefangenen Wolf zum Haus seines Großvaters zurückbringt.

Sie schleppten den alten Rover hinter sich her, eine triumphale Rückkehr ins Basislager mit einem zusätzlichen Ausrüstungsstück für ihr Inventar.

Sofern Possum Craig und die beiden Astronauten ihn instand setzen konnten.

Jamie fuhr den Rover, Trumball saß rechts neben ihm. Stacy Deschurowa machte eine wohlverdiente Pause, nachdem sie praktisch den ganzen Rückweg vom Canyon am Steuer gesessen hatte. Trudy Hall war bereits hinten an der Luftschleuse und zwängte sich in den Anzug, um ihre Flechtenproben ins Labor der Kuppel zu tragen.

Wir sollten einen Zugangstunnel bauen, dachte Jamie, damit wir von der Luke des Rovers ins Innere der Kuppel gelangen können, ohne uns in die verdammten Raumanzüge quetschen zu müssen.

»Weißt du, was wir bräuchten?«, fragte Trumball, einen Fuß lässig auf die Kontrolltafel gestellt. Ohne Jamies Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Einen flexiblen Tunnel. Du weißt schon, so was wie die Fluggastbrücken auf Flughäfen. Dann …«

Die Klänge des Triumphmarschs verstummten. Jamie erinnerte sich, dass es in der Wissenschaft nicht darauf ankommt, wer als Erster die Idee gehabt hat, sondern darauf, wer sie als Erster publiziert.

Mit einem halbherzigen Lächeln sagte er: »Das ist eine gute Idee, Dex. Ein Zugangstunnel wäre überaus sinnvoll.«

In Trumballs Augen blitzte freudige Überraschung auf, aber er unterdrückte sie rasch.

Den ganzen Nachmittag über untersuchte Jamie zusammen mit Possum den alten Rover. Es war eng darin, weil sie beide ihre Raumanzüge trugen. Über Helmlautsprecher hörte Jamie Craig seufzen und stöhnen wie einen Handwerker aus der Nachbarschaft, der herauszufinden versucht, wie viel er verlangen kann, ohne den Job loszuwerden.

»Brennstoffzellen sind total hinüber«, brummte Craig. Und dann etwas später: »Batterien sind auch im Arsch.«

Sie gingen wieder hinaus und stiegen die in die Flanke des vorderen Moduls eingebaute Leiter hinauf, um die Solarpaneele zu inspizieren. Craigs ernster Ton wurde geradezu düster. »Aus den Brüdern hier kriegt man nich mal mehr 'nen feuchten Furz raus.«

Als sie wieder in der Kuppel waren und sich aus ihren Anzügen geschält hatten, war Jamie bereit, den Rover komplett abzuschreiben.

Aber Craig rieb sich mit einer Hand das stoppelige Kinn und sagte: »Tja, großer Chef, wenn der Bohrer weiter brav is und die Scheiße auch sonst unterm Deckel bleibt, krieg ich ihn in einer Woche wieder hin, schätz ich mal.«

Überrascht entfuhr es Jamie: »In einer Woche?«

»Paar Tage mehr oder weniger.«

»Wirklich?« Jamie setzte sich auf die Bank, die sich an den Spinden für die Raumanzüge entlangzog.

Craig nickte weise und pflanzte einen Fuß auf die Bank, gleich neben Jamie. »Im Großen und Ganzen isser in Ordnung. Ersatzbatterien und zusätzliche Solarpaneele hamwer im Lagerbestand.«

»Genug …?«

»Muss das Inventar im Computer durchchecken und die Scheißdinger dann in der Ladebucht finden. Aber es müsste eigentlich klargehen.«

»Prima!«

»Die Brennstoffzellen sind wirklich das Letzte«, beklagte sich Craig. »Alte Dinger, die noch mit Wasserstoff und Sauerstoff laufen. Da werden wir wohl 'n bisschen Wasser aus dem Reserveaufbereiter elektrolytisch zerlegen müssen.«

Die Brennstoffzellen der neueren Rover arbeiteten mit Methan und Sauerstoff, wie Jamie wusste.

»Schon komisch«, fuhr Craig fort. »Ich hab mir eher Sorgen wegen Schäden an der Windschutzscheibe gemacht … Du weißt schon, Schrammen oder sogar kleine Risse von den Sandstürmen. Aber den vorderen Teil hatteste ja fein säuberlich in den Sand eingebuddelt, drum is mit der Windschutzscheibe alles okay.«

Jamie stand ein bisschen wacklig auf. »Ich hätte nie geglaubt …«

»Für den Elektrokram hamwer Reservematerial«, fuhr Craig fort. »Aber wenn die Windschutzscheibe im Eimer gewesen wär, dann — Adios.«

Als Jamie einen Blick ins Kommunikationszentrum warf, sah er Rodriguez mit mürrischer Miene an der Konsole sitzen. Und ihm fiel auf, dass der junge Astronaut sich offenbar einen Schnurrbart wachsen lassen wollte; auf seiner Oberlippe sprossen ein paar kurze, dunkle Haare.

»Què tal, Tomas?«

Rodriguez blickte beinahe schuldbewusst zu ihm auf. »Probleme, Mann.«

»Was ist denn los?« Jamie zog sich den anderen fahrbaren Stuhl heran und setzte sich neben ihn.

»Ich hab den Kontakt zu Nummer zwei verloren.«

»Dem Schwebegleiter?« Jamie fühlte eine dunkle Vorahnung in seinen Eingeweiden.

Rodriguez nickte unglücklich. »Hab versucht, den Kontakt wieder herzustellen. Nichts zu machen.«

»Wo war der Gleiter?«

»Erkundungsflug über Olympus Mons.«

Der unbemannte Schwebegleiter kartierte den riesigen Vulkan für Fuchidas bevorstehende Mission zu dessen Gipfel.

»Was ist passiert?«

Der Astronaut schüttelte den Kopf. »Ich hab mir die Flugdaten angesehen. Während des Aufstiegs ist er bei zirka zwanzigtausend Meter in irgendeine Turbulenz geraten, aber dann hat's wieder aufgehört.«

Olympus Mons war annähernd dreißigtausend Meter hoch, mehr als dreimal so hoch wie der Mount Everest.

»Vielleicht war's die Windscherung«, meinte Rodriguez, »aber in der Höhe ist die Luft so dünn, dass das eigentlich kein Problem sein dürfte.«

»Wie lange ist der Kontakt zu dem Gleiter schon abgerissen?«

Rodriguez warf einen raschen Blick auf die Digitaluhr an der Kommunikationskonsole. »Dreiundfünfzig, vierundfünfzig Minuten.«

Jamie stieß den Atem aus. »Na ja, wenigstens haben wir noch Nummer eins und einen Ersatzgleiter im Lagerbestand.«

»Aber nur den einen.«

»Wir werden ihn benutzen müssen, wenn Nummer zwei abgestürzt ist.«

»Ja, ich weiß. Aber ich will den Reservegleiter erst zum Berg schicken, wenn ich rausgefunden habe, was mit Nummer zwei schief gelaufen ist.«

Jamie stand auf. Er schaute noch einmal in Rodriguez' trübsinniges Gesicht hinunter, legte ihm dann die Hand auf die stämmige Schulter und drückte sie.

»Mach dir keine Vorwürfe deswegen, Tomas. Es ist nicht deine Schuld.«