Выбрать главу

Auf Trumballs Gesicht zeichneten sich im Bruchteil eines Moments alle möglichen Gefühle ab. Jamie wartete auf die Explosion.

Aber dann setzte Dex ein jungenhaftes Grinsen auf. »Okay, Häuptling. Possum ist der Medizinmann und ich bin bloß ein niedriger Krieger. Ich kann damit leben.«

»Gut«, sagte Jamie und verbarg vor Trumball, wie sehr ihm dessen spöttische Anspielungen auf seine Navajo-Herkunft zuwider waren.

Trumball zeigte mit einer beschuhten Hand auf die Schleuse und sagte zu Craig: »Okay, Boss, dann solltest du wohl als Erster durch die Luftschleuse gehen.«

Craig warf Jamie einen Blick zu, zog dann sein Visier herunter und stampfte zur Luke.

Vijay sagte: »Alles Gute.«

»Wird schon schief gehen«, antwortete Trumball. Craig winkte stumm, während er über die Schwelle der offenen Luke stieg.

Die drei standen in unbehaglichem Schweigen da, während die Pumpen der Luftschleuse arbeiteten. Als das Licht an der Tafel wieder auf Grün sprang, öffnete Trumball die Luke und ging hinein.

Bevor er sie jedoch schloss, drehte er sich zu Jamie und Vijay um.

»Übrigens, Jamie, ich hatte keine Gelegenheit mehr, mich von meinem Vater zu verabschieden. Würdest du ihn wohl anrufen und ihm sagen, dass ich unterwegs bin?«

»Natürlich«, sagte Jamie, verblüfft von Trumballs freundlichem, vernünftigem Ton.

Die Luke glitt zu. Jamie machte sich auf den Weg zum Kommunikationszentrum. Shektar ging neben ihm her.

»War das unbedingt nötig?«, fragte sie.

»Was?«

»Ihn zu demütigen.«

»Zu demütigen?« Jamie verspürte einen Stich, aber es war nicht Überraschung. Es war Enttäuschung, dass Vijay seine Entscheidung so sah.

»Du hast ihn Possum offiziell unterstellt«, fuhr sie fort. »Damit setzt du ihn herab.«

Während sie an den Trennwänden zwischen den Schlafkabinen des Teams entlanggingen, sagte Jamie: »Das war kein Affront gegen Dex, sondern Unterstützung für Possum.«

»Wirklich?«

»Dex würde bei jeder Meinungsverschiedenheit versuchen, Possum zu überrollen. So ist Possum am Drücker und kann die endgültigen Entscheidungen treffen. Das könnte beiden das Leben retten.«

»Wirklich?«, fragte sie erneut.

»Ja, wirklich.«

Er blickte auf sie hinab. Aus ihrer Miene sprach eine Menge Ungläubigkeit.

Als sie das Kommunikationszentrum erreichten, waren Craig und Trumball bereits in den Rover gestiegen und hatten den Stromgenerator angeworfen.

»Der Boss lässt mich fahren«, rief Dex. Seine Funkstimme quoll über vor gespielter Freude. »Juhu, juhu!«

Stacy Deschurowa ging die Rover-Checkliste mit ihm durch und gab ihnen dann die Starterlaubnis.

»Wir sind unterwegs zum Zauberer von Oz«, sagte Dex. »In zirka einem Monat sind wir wieder da.«

»Eher«, setzte Craigs Stimme hinzu.

»Eher wäre besser«, sagte Rodriguez, der neben Deschurowa saß, in sein Lippenmikro. »In vier Wochen ist Thanksgiving.«

»Bewahrt mir 'ne Keule auf«, sagte Dex.

Auf Deschurowas Bildschirm sah Jamie, wie der Rover vibrierend zum Leben erwachte und sich dann schwankend in Bewegung setzte. Er rollte zuerst langsam vorwärts, schlug dann einen Viertelkreis und fuhr Richtung Osten davon.

»Oh, Jamie«, rief Trumball, während sie zum Horizont rumpelten, »bitte vergiss nicht, meinen Vater anzurufen, okay?«

»Du kannst ihn selbst anrufen, jetzt sofort«, erwiderte Jamie.

»Nein, ich will mich aufs Fahren konzentrieren. Tu du's für mich, hm? Bitte.«

»Sicher«, sagte Jamie. »Ich schicke ihm sofort eine Nachricht.«

»Besten Dank, Chief.«

NACHMITTAG: SOL 48

Jamie ging in seine Unterkunft und schickte eine kurze Botschaft zur Erde, in der er Darryl C. Trumball mitteilte, sein Sohn sei auf dem Weg zum Ares Vallis und wolle ihn wissen lassen, dass alles gut laufe.

Als er vom Bildschirm seines Laptops aufblickte, sah er Stacy Deschurowa in der offenen Tür. Sie schaute noch mürrischer drein als beim Frühstück; ihre Miene wirkte beinahe gequält.

»Was ist los, Stacy?«

Die Kosmonautin betrat Jamies Kabine, nahm jedoch nicht auf dem leeren Schreibtischstuhl Platz. Sie blieb stehen.

Mit einem Kopfschütteln, bei dem ihre Haare hin und her flogen, antwortete sie: »Ich kann mir nicht helfen, ich finde, ich sollte bei den beiden im Rover sein.«

Jamie fuhr seinen Computer herunter und schloss den Deckel. »Stacy, das haben wir doch schon ein paar hundert Mal durchexerziert. Du kannst nicht überall sein.«

»Die Sicherheitsvorschriften besagen, dass bei jeder Exkursion ein Astronaut dabei sein muss.«

»Ich weiß, aber Dex' Treck ist ein zusätzlicher Programmpunkt, der nicht eingeplant war.«

»Trotzdem …«

»Setz dich«, sagte Jamie und zeigte auf den Stuhl. Er kam sich sofort albern vor; es gab nur diesen einen in der Kabine.

Sie ließ sich schwer auf den Stuhl fallen, wie eine müde alte Frau, und Jamie beugte sich vom Rand seiner Liege aus zu ihr vor. »Wir haben einfach nicht genug Leute, um dich mitzuschicken. Das weißt du.«

»Ja.«

»Und Possum ist ja schließlich auch ziemlich gut — für jemanden, der kein Astronaut ist.«

»Ja«, sagte sie erneut.

»Den beiden wird schon nichts passieren.«

»Aber wenn doch«, sagte sie, »dann werde ich mich dafür verantwortlich fühlen. Es ist mein Job, die Wissenschaftler zu begleiten und dafür zu sorgen, dass sie nicht ums Leben kommen.«

Jamie setzte sich aufrechter hin. »Wenn etwas passiert, trage ich die Verantwortung, nicht du. Ich habe die Entscheidung getroffen, Stacy.«

»Ich weiß, aber …« Sie verstummte.

»Hör zu: Tomas muss Mitsuo begleiten, da kommen wir nicht drum herum. Dich brauchen wir hier in der Basis. Und andere Astronauten haben wir nun mal nicht! Was erwartest du denn von mir, soll ich dich vielleicht klonen?«

Ein mattes Grinsen legte sich auf ihre verdrossene Miene. »Ich verstehe. Aber es gefällt mir nicht.«

»Sie werden schon heil und gesund wiederkommen. Possum ist kein Draufgänger.«

»Da hast du wohl Recht.«

»Wie macht sich Tomas?«

Das Grinsen verblasste. »Er hat eine ordentliche Portion zu Mittag gegessen. Er macht sich keine Sorgen wegen des Fluges.«

Jamie stellte fest, dass er das Mittagessen ausgelassen hatte. »Ich nehme an, er freut sich schon.«

»Ich würde mich jedenfalls freuen.«

Liegt es daran?, fragte sich Jamie. Ist sie sauer, weil Tomas zum Olympus fliegt und nicht sie? Aber sie hat gewusst, dass es so laufen würde. Himmel noch mal, diese Entscheidung haben wir schon getroffen, bevor wir nach Tarawa gefahren sind.

In den letzten drei Wochen hatte Rodriguez Testflüge mit dem Raketenflugzeug gemacht. Seine Spritztouren hatten mit einem einfachen Kreis um ihr Basislager begonnen und sich allmählich bis zum Olympus Mons und wieder zurück ausgedehnt. Stacy hatte kein einziges Mal darum gebeten, das Flugzeug fliegen zu dürfen. Sie hatte sich nie anmerken lassen, dass sie unglücklich darüber war, weil Tomas der Pilot sein würde, während sie die Kommunikationskonsole hier in der Basis ›flog‹.

Jetzt zeigte sie jedoch, wie unglücklich es sie machte. Astronauten sind Flieger, dachte Jamie. Sie ist Pilotin, aber sie darf nicht fliegen. Er erinnerte sich daran, wie er sich gefühlt hatte, als er den Eindruck gehabt hatte, bei der Auswahl für die Expedition zum Mars übergangen zu werden.

Er beugte sich näher zu ihr. »Stacy, die Navajos lehren, dass jeder Mensch den richtigen Weg für sein Leben finden muss. Tut mir Leid, dass dein Weg dich auf dem Boden festhält, während Tomas fliegen darf. Aber es wird andere Flüge geben, andere Missionen. Du kommst noch in die Luft, bevor wir den Mars verlassen, das versprechen ich dir.«