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Später würde Dex Trumball mit den Zuschauern auf der Erde eine Virtual-Reality-Tour machen und ihnen den Landeplatz zeigen, während die anderen die Traktoren herausholten und das Raumfahrzeug entluden. Zunächst jedoch nahmen sie alle acht an der Ankunftszeremonie teil.

Als Missionsleiter oblag es Jamie, die erste Rede vor der Kamera zu halten. Es würde fast eine Viertelstunde dauern, bis seine Worte den Abgrund zwischen den beiden Welten durchquert hatten. Zwischen Mars und Erde gab es keine Gespräche, sondern nur in entgegengesetzte Richtungen laufende Monologe.

Vor sechs Jahren hatte er als letztes Mitglied der Expedition sprechen dürfen und einfach den alten Navajo-Gruß von sich gegeben: »Ya'aa'tey.« Es ist gut.

Nun war er jedoch Missionsleiter, und da erwartete man mehr von ihm.

Zumindest gab es bei dieser zweiten Expedition kein derart strenges Kontrollsystem wie bei der ersten damals. Statt der beinahe militärischen Hierarchie, die von den Geldgeberstaaten der ersten Marsexpedition eingesetzt worden war, hatte Jamie eine entspanntere, kollegialere Organisation von Gleichrangigen aufgebaut. Die zwei Astronauten und sechs Wissenschaftler lebten und arbeiteten als harmonisches Team zusammen — jedenfalls meistens.

»Bist du bereit?« Trumballs Stimme summte in Jamies Helmlautsprechern.

Jamie nickte, dann wurde ihm klar, dass niemand die Geste sehen konnte. »Bereiter geht's nicht«, sagte er, als er vor die handgroßen Videokameras trat. Trumball, der hinter den zierlichen Stativen stand, gab ihm mit dem Finger das Startzeichen.

Jamie hob die Hand und sagte: »Grüße vom Planeten Mars. Die zweite Marsexpedition ist wie geplant am Standort des von der ersten Expedition zurückgelassenen Habitats gelandet.«

Er drehte sich ein kleines Stück und zeigte in die ungefähre Richtung der Kuppel. »Wie Sie sehen, ist es in ausgezeichnetem Zustand, und wir freuen und schon darauf, die nächsten anderthalb Jahre darin zu verbringen.

Dr. Trumball wird Sie gleich auf eine Virtual-RealityTour durch das Gelände mitnehmen«, fuhr er fort. »Zunächst möchte ich jedoch dem Internationalen Universitätskonsortium, der Space Transportation Association und den Steuerzahlern der Vereinigten Staaten, Australiens, Japans, der Europäischen Gemeinschaft und des Inselstaats Kiribati für die Bereitstellung der finanziellen Mittel danken, die diese Expedition ermöglicht haben.«

Sie hatten vor Wochen Lose gezogen, um die Reihenfolge der Auftritte festzulegen. Als nächste trat Vijay Shektar in ihrem anonymen, unförmigen Raumanzug vor die Kamera; sie war nur an den hellgrünen Ringen an den Armen zu erkennen.

»Ich grüße euch alle auf der Erde, besonders die Bewohner Australiens«, sagte sie mit unverkennbar australischem Akzent. Ihre Stimme strafte ihre Herkunft Lügen: Shektar war hinduistischer Abstammung, mit dunkler Haut und großen, schwarzen Onyxaugen, aber sie war in Melbourne geboren und aufgewachsen. Sie war eine hervorragende Ärztin und Psychologin, die auch das Biologenteam unterstützen würde.

Nach Shektars kleiner Rede überbrachte Mitsuo Fuchida, einer der beiden Biologen der Expedition, seinen Gruß: zuerst auf Japanisch, dann auf Englisch.

Dex Trumball mit seinen königsblauen Armbändern folgte.

»… und ich möchte den Luftfahrtunternehmen danken, die uns so viel Ausrüstung gespendet und so viel Personal zur Verfügung gestellt haben«, sagte er nach den zeremoniellen Grußworten, »sowie den fast fünfzig Universitäten in aller Welt, die einen Beitrag zu dieser Expedition geleistet haben. Ohne ihre finanzielle, materielle und personelle Unterstützung stünden wir jetzt nicht hier auf dem Mars.«

Jamie rümpfte ein wenig die Nase. Ich hätte damit rechnen müssen, dass Dex Werbung einflicht. Er ist mehr daran interessiert, mit dieser Expedition Geld zu machen, als wissenschaftlich zu arbeiten.

»Und einen ganz besonderen Dank an meinen Vater, Darryl C. Trumball, dessen Energie, Weitsicht und Großzügigkeit von zentraler Bedeutung für das Zustandekommen dieser Expedition waren und uns alle inspiriert haben.«

Jamie und Dex hatten während der ganzen fünf Monate ihres Fluges zum Mars über die Ziele der Expedition diskutiert, anfangs höflich wie zwei wohlerzogene Akademiker, aber mit den langen Monaten ihrer Reise durch den Raum waren die ideologischen Differenzen unvermeidlich zu lautstarken Streitereien eskaliert; zwischen ihnen hatte sich richtig böses Blut entwickelt. Ich werde das ausbügeln müssen, sagte sich Jamie. Wir dürfen einander nicht weiter so anblaffen. Wir müssen als Team zusammenarbeiten können.

Finde das Gleichgewicht, flüsterte der Navajo in ihm. Finde den Weg, der zur Harmonie führt. Nur Harmonie kann dich zur Schönheit bringen.

Sein vernunftgeleitetes Ich stimmte zu, aber er schäumte noch immer über Trumballs ungenierte Unterstellung, dass die Expedition darauf ausgerichtet sein sollte, Gewinn zu erzielen.

Als Letzte trat Trudy Hall, die englische Zellbiologin, vor die Kamera.

»Ich habe diese Ansprache monatelang geprobt«, sagte sie mit vor Aufregung schriller Stimme, »aber jetzt, wo wir hier sind — tja, ich kann nur sagen: Mannomann! Dann ist 'n ganz schöner Hammer! Packen wir's an!«

Jamie lachte in seinem Helm insgeheim in sich hinein. So viel zur typischen Gelassenheit der Engländer, dachte er.

Als die kurze Zeremonie vorbei war, stellte Trumball die Kameras um, während die meisten anderen auf die Frachtluke des Raumfahrzeugs zusteuerten, um mit dem Entladen zu beginnen. Niemand sieht uns bei der Arbeit, dachte Jamie. Wie wir im Schweiße unseres Angesichts die Ausrüstung und den Proviant entladen, ist für die Medien und die Leute daheim nicht glamourös genug. Sie wollen Dramatik und Nervenkitzel — einfach nur dabei zuzusehen, wie wir die Vorräte vom L/AV zur Kuppel schleppen, ist ihnen nicht spannend genug.

Er drehte sich um und schaute in die Marslandschaft hinaus. Früher haben wir gedacht, sie wäre tot. Trocken, kalt und unfruchtbar. Aber jetzt wissen wir's besser. Er kniff die Augen zusammen und glaubte für einen Moment, das Navajo-Land in New Mexico vor sich zu sehen, wohin sein Großvater ihn so oft mitgenommen hatte. Vor vielen Sommern. Vor einem ganzen Leben, in einer anderen Welt. Jenes Land war ihm auch trocken und tot erschienen. Dennoch lebte und gedieh das Volk dort, in einem harten, rauhen Land.

Die Marslandschaft war von einer unheimlichen Schönheit. Sie brachte eine Saite in Jamie zum Klingen, diese rote Welt. Es war eine sanfte Landschaft, öde und leer, aber für ihn hatte sie etwas Freundliches und Verlockendes. Jamie sah, dass die im Schatten liegenden Flanken der Felsen und Dünen von einem leichten, pulvrigen Weiß überzogen waren, das funkelte und blinkte und verschwand, wo die vor kurzem aufgegangene Sonne sie berührte.

Ich bin daheim, dachte er. Nach sechs Jahren bin ich dorthin zurückgekommen, wohin ich gehöre.

»Was ist das für ein weißes Zeug?«

Jamie hörte Vijay Shektars ein wenig neugierige, rauchige Katzenstimme in seinem Helmlautsprecher. Er drehte den Kopf, aber der Helm versperrte ihm die Sicht; er musste den ganzen Körper drehen, um sie neben ihm stehen zu sehen.

»Raureif«, antwortete Jamie.

»Raureif?«

»Der Wasserdampf in der Atmosphäre friert auf dem Boden und den Felsen aus.«

»Aber wir haben Frühling, oder?« Ihre Stimme klang leicht verwirrt und unsicher.

Jamie nickte. »Das stimmt. Der Sommer kommt erst in vier Monaten.«

»Aber Raureif und Frost gibt es doch erst im Herbst, nicht im Frühling«, sagte sie.

Jamie lächelte. »Auf der Erde. Hier sind wir auf dem Mars.«

»Oh.« Sie schien einen Moment lang darüber nachzudenken, dann sagte sie in einem fröhlichen, singenden Tonfalclass="underline" »Können wir eine Schneeballschlacht machen?«

Jamie schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Das Eis lässt sich nicht pressen. Es ist nicht feucht genug; nicht genug Wasserstoffbindung.«