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Zeig niemals Furcht. Das hieß, dass er nie vor einer Herausforderung zurückweichen durfte. Niemals. Ob in einem Cockpit oder einer Bar, der stämmige kleine Latino mit dem breiten Lächeln ging keinem Konflikt aus dem Wege. Das sprach sich herum.

Die Furcht war immer da, fortwährend, aber er ließ sie sich nie anmerken. Und da war auch immer dieser geheime Zweifel. Dieses Gefühl, dass er irgendwie nicht hierher gehörte. Sie erlaubten dem kleinen chicano, so zu tun, als wäre er so schlau wie die weißen Jungs, erlaubten ihm, mit seinem kleinen Stipendium das College zu absolvieren, erlaubten ihm, die Fliegeruniform zu tragen und mit den tollen Düsenjägern zu spielen.

Aber in Wirklichkeit gehörte er nicht zu ihnen. Das machten sie ihm jeden Tag überdeutlich klar, auf tausend kleine Weisen. Er war ein Tacofresser, der nur solange geduldet wurde, wie er an dem ihm zugewiesenen Platz blieb. Versuch nicht, zu weit aufzusteigen; gib nicht zu sehr an; und vor allem, Finger weg von den Frauen, außer es sind welche von ›Deinen‹. Mit der Fliegerei war das jedoch etwas anderes. Allein in einem Flugzeug, fünfzehn-, sechzehntausend Meter hoch am Himmel, gab es nur ihn und Gott, und der Rest der Welt war weit weg; aus den Augen, aus dem Sinn.

Dann kam die Chance, sich das Astronautenabzeichen zu verdienen. Er musste sich der Herausforderung stellen. Wieder machten die anderen klar, dass er im Kreis der Bewerber nicht willkommen war. Aber Tomas nahm trotzdem an dem Auswahlverfahren teil — und eroberte sich einen Platz im Trainingscorps der Astronauten. »Die Vorzüge der Minderheitenförderung«, höhnte einer der anderen Piloten. Ganz gleich, was er erreichte, immer versuchten sie, ihm den Spaß daran zu verderben. Nach außen hin kümmerte Tomas sich nicht um sie, wie üblich; er hielt seine Wunden geheim und blutete nur innerlich.

Zwei Jahre, nachdem er sein Abzeichen erworben hatte, wurden Astronauten für die zweite Marsexpedition gesucht. Tomas bewarb sich mit seinem breitesten Lächeln. Keine Furcht. Er zeigte niemandem seine zusammengebissenen Zähne und bekam den Job.

»Na toll«, sagten seine Kumpels. »Du wirst hinter so 'ner russischen Braut die zweite Geige spielen.«

Tomas zuckte die Achseln und nickte. »Ja«, gab er zu. »Ich werde wohl von jedermann Befehle entgegennehmen müssen.«

Im Stillen fügte er hinzu: Aber ich bin dann auf dem Mars, ihr Arschgeigen, und ihr seid immer noch hier unten.

NACHT: SOL 48

Es war bereits Nacht auf der weiten, welligen Ebene von Lunae Planum, aber Possum Craig fuhr trotzdem weiter — vorsichtig, mit nur zehn Stundenkilometern. Dex Trumball und er waren der Meinung gewesen, sie könnten nach Sonnenuntergang noch ein paar Extrameilen hinter sich bringen, bevor sie für die Nacht Halt machten.

Trumball hatte das Funkgerät auf die allgemeine Kommunikationsfrequenz geschaltet, sodass sie Rodriguez und Fuchida zur gleichen Zeit landen hörten wie die vier im Basislager.

»Die armen Kerle kommen bis zu ihrer Rückkehr zur Kuppel nich mehr aus ihren Anzügen raus«, sagte Craig.

»Sieh's mal von der positiven Seite, Wiley. Sie dürfen das FBS testen.«

Die Anzüge hatten eine Spezialvorrichtung, mit der eine luftdichte Verbindung zum Sitz der chemischen Toilette möglich sein sollte. Die Techniker nannten es das Fäkalien-Beseitigungs-System.

»Der gute alte Donnerbalken«, brummelte Craig. »Wetten, dass sie am Schluss Kaoprompt einschmeißen?«

Dex, der neben ihm im Cockpit saß, erwiderte grinsend: »Während wir hier einen Komfort wie zu Hause haben.«

Craig machte ein nachdenkliches Gesicht. »Für so 'ne alte Gurke hält sich die Kutsche hier ziemlich gut. Keine Klagen.«

»Noch nicht.«

Dex hatte den größten Teil des Tages in seinem Anzug verbracht. Sie hatten alle hundert Klicks angehalten, damit er draußen Geo/Met-Baken aufstellen konnte. Jetzt saß er entspannt da, in seinem Overall, und beobachtete den kleinen Ausschnitt des Bodens, der von den Scheinwerfern des Rovers beleuchtet wurde.

»Du könntest ihn auf zwanzig hochkitzeln«, stachelte Dex ihn an.

»Ja, und ich könnt ihn in 'nen Krater schlittern lassen, bevor wir anhalten oder abbiegen könnten«, gab Craig zurück. Er tippte mit einem Zeigefinger auf das Display der Digitaluhr. »Is sowieso Zeit, für heute Schluss zu machen.«

»Schon müde?«

»Nein, und ich will nicht fahren, wenn ich müde bin.«

»Ich könnte 'ne Weile fahren«, sagte Dex.

Craig trat sanft auf die Bremspedale. »Machen wir Schluss, Kumpel. Wir haben ordentlich was geschafft. Genug ist genug.«

Trumball schien einen Moment darüber nachzudenken, dann hievte er sich aus dem Sitz im Cockpit. »Okay. Du bist der Boss.«

Craig lachte. »Na klar bin ich der.«

»Was soll das denn nun heißen?«, fragte Trumball über die Schulter hinweg, während er nach hinten zu der winzigen Kombüse ging.

Craig schob den wärmehaltenden Kunststoffschirm über die Windschutzscheibe, stand dann auf und streckte sich so ausführlich, dass Dex seine Sehnen knacken hörte.

»Das heißt, ich bin der Boss, solang du einverstanden bist.«

»Ich bin einverstanden«, sagte Dex.

»Dann is ja alles bestens.«

Trumball nahm eine der Fertigmahlzeiten von der Ablage im Gefrierschrank und sagte: »Nein, im Ernst, Wiley. Jamie hat dir die Leitung übertragen. Ich hab da nichts dran auszusetzen.«

Craig reckte sich immer noch. Seine Hände kratzten über die Deckenkrümmung. »Okay. Gut.«

»Nervt dich irgendwas?«

»Nee. Vergiss es.«

Als er die Schale mit dem Essen in die Mikrowelle stellte, sagte Dex: »Nun komm schon, Wiley. Hier draußen sind wir ganz unter uns. Wenn irgendwas nicht in Ordnung ist, sag's mir.«

In Craigs Miene mischte sich Ärger mit Verlegenheit. »Ach, ich glaub, es ist irgendwie albern.«

»Was ist es denn, Herrgott noch mal?«

Craig stieß müde den Atem aus und ließ sich auf seine Liege sinken.

»Na ja, es stinkt mir eben, dass ich hier nur 'n Bürger zweiter Klasse bin.«

Trumball sah ihn erstaunt an. »Bürger zweiter Klasse?«

»Ja, du weißt schon — die denken alle, ich bin bloß so 'ne Art Mechaniker, Scheiße noch mal.«

»Also …«

»Ich bin Wissenschaftler, genau wie du und die anderen«, knurrte Craig. »Kann schon sein, dass ich meinen Abschluss nich an 'ner Uni mit 'nem großen Namen gemacht hab, kann auch sein, dass ich fast immer bei Ölfirmen gearbeitet hab, aber ich hatte genug auf der Pfanne, um 'nen Haufen Jungs mit schickerem Stammbaum zu schlagen.«

»Na klar bist du 'n Wissenschaftler.«

»Dieser Fuchida. Der verdammte Japs is dermaßen steif, dass ich Angst hab, er fällt aus'nander, wenn er bloß niest. Schaut mich an, als wär ich 'n Diener oder so.«

»Das ist nun mal seine Art.«

»Und die Frauen! Die benehmen sich alle, als wär ich 'n Opa. Verdammt, ich bin jünger als Jamie. Ich bin jünger als Stacy, weißt du das?«

Zum ersten Mal begriff Dex Trumball, dass Craig gekränkt war. Und verletzlich. Dieser zottelige, gutmütige Bär von einem Mann mit den Hängebacken, der vorspringenden Nase und den ewigen nachmittäglichen Bartstoppeln wollte mit Respekt behandelt werden. Das machte ihn benutzbar, erkannte Dex.

»Hör mal, Wiley«, begann er, »ich wusste nicht, dass wir dich gekränkt haben.«

»Du gar nicht so sehr. Es sind die andern. Die denken, ich bin bloß als ihr verdammter Handwerker hier. Du nennst mich wenigstens Wiley. Possum hat mir nie gefallen. Mein Name ist Peter J. Craig.«