Craig warf ihm einen verdrießlichen Blick zu. »Aha. Wir zerlegen das Wasser.«
»Genau. Mit Strom aus den Solarpaneelen.«
»Und was trinken wir, Amigo?«
»Wasser aus den Brennstoffzellen.«
»Also, nun mal …«
»Nein, hör mir zu, Wiley. Die Sache läuft so: Wir nehmen das Wasser an Bord, zerlegen es und betreiben mit dem Wasserstoff die Brennstoffzellen.«
»Was ist mit dem Sauerstoff?«
»Den speichern wir oder lassen wir ab, ist doch egal. Sauerstoff haben wir ja in rauen Mengen. So weit alles klar?«
»Wir pumpen den Wasserstoff in die gottverdammten leckenden Brennstoffzellen. Tolle Sache.«
»Ja, aber wir holen uns unseren Nachtstrom aus den Brennstoffzellen statt aus den Lithiumbatterien.«
»Also, weshalb, zum Teufel …«
»Dann macht es nichts aus, wenn die Brennstoffzellen lecken; wir lassen sie arbeiten und bekommen Strom von ihnen, noch ehe der Wasserstoff entweichen kann.«
Beide Hände am Lenkrad des Rovers, den Blick auf das Gelände vor ihnen gerichtet, schaute Craig drein wie jemand, der darauf wartete, von einem KartenhAl beschummelt zu werden.
»Und was erzeugen die Brennstoffzellen noch, außer Strom?«, fragte Trumball und grinste bis über beide Ohren.
»Wasser.«
»Davon trinken wir ein bisschen was und spalten den Rest in Sauerstoff und frischen Wasserstoff auf, mit dem wir dann wieder die Brennstoffzellen betreiben!«
Craig schüttelte den Kopf. »Toll. Du hast das Perpetuum Mobile erfunden.«
»Quatsch. So dumm bin ich nicht, Wiley. Wir werden die ganze Zeit Wasserstoff verlieren, schon klar. Aber das wird so langsam gehen, dass wir unseren Nachtstrom auf dem ganzen Weg bis zum Ares Vallis und zurück zum Generator von den Brennstoffzellen beziehen können! Und die Batterien halten wir in Reserve.«
»Haste's mal durchgerechnet?«
»Grob überschlagen. Ich schick's durch den Computer, sobald du mir genaue Zahlen für die normale Leistung der Brennstoffzellen gibst.«
Craig rieb sich das stoppelige Kinn. »Die Daten müssten im Computer sein.«
»Okay, dann her damit.«
Craig zögerte. »Wir brauchen 'ne Genehmigung. Ich muss Jamie sagen, was wir vorhaben, und er wird's wahrscheinlich nach Tarawa weiterleiten.«
Trumball zeigte ihm sein breitestes Grinsen. »Meinetwegen kannst du um so viele Genehmigungen bitten, wie du willst, Wiley, solange wir's trotzdem machen.«
»Also, Moment mal …«
»Was werden sie sagen?«, unterbrach ihn Trumball. »Wenn sie nein sagen, brechen sie die Exkursion de facto ab. Und das werden wir nicht zulassen, oder?«
»Du meinst, selbst wenn sie nein sagen, machen wir's trotzdem?«
»Klar! Warum nicht? Wie wollen die uns dran hindern?«
»Ihr wollt die Brennstoffzellen für die Nachtstromversorgung benutzen?«, fragte Jamie. Er war nicht sicher, ob er Craig richtig verstanden hatte.
»Is ungefähr so, als würde man aus 'ner Zitrone Zitronenlimonade machen«, erwiderte Possum.
Jamie schaute auf den Bildschirm. Craigs unrasiertes Gesicht war völlig ernst. Er schien in seinem Overall im Cockpit zu sitzen. Dex saß offenbar direkt neben ihm am Steuer des Rovers. Ein Blick auf die Daten auf den Monitoren neben dem Hauptbildschirm zeigte, dass der Rover mit stetigen dreißig Stundenkilometern dahinpflügte.
»Klingt riskant, finde ich«, sagte Jamie, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
»Wir haben's durchgerechnet«, erwiderte Craig. »Müsste hinhauen.«
»Und wenn nicht?«
»Dann fahren wir ohne Reservestromversorgung weiter, so wie jetzt.«
»Gefällt mir nicht.«
»Die Alternative wäre«, warf Trumballs Stimme ein, »die Exkursion abzubrechen und mit eingeklemmtem Schwanz zurückzukommen.«
»Das will dein Vater«, sagte Jamie. Er hatte vorgehabt, bis zum Abend damit zu warten und mit Dex unter vier Augen über den Zorn des älteren Trumball zu sprechen. Dex' Vater hatte in den vergangenen zwölf Stunden drei Antworten auf Jamies letzte Botschaft geschickt, jede wütender als die vorherige.
Eine Hand verdunkelte das Bild vom Cockpit des Rovers und drehte die Kamera zu Dex.
»Der gute alte Dad neigt zu Wutausbrüchen«, sagte er lässig und grinste. »Leite seine Nachrichten einfach an mich weiter. Ich werde schon mit ihm fertig.«
»Kann sein, dass du gerade der nächsten Expedition den Geldhahn zudrehst, Dex«, sagte Jamie.
Trumball schüttelte energisch den Kopf. »Garantiert nicht. Wenn wir die Pathfinder-Sonde mitbringen, werden uns die Investoren die Bude einrennen und uns das Geld nur so in den Hintern blasen.«
Sodass du zum Mars zurückkommen und alles plündern kannst, was du in die Finger kriegst, dachte Jamie.
Er stellte sich Trumball mit dem eisernen Kürass und dem Helm eines Conquistadors vor.
Eine Hand schwenkte die Kamera erneut herum. »Ich mach mir keine Sorgen um die nächste Expedition«, sagte Craig düster. »Ich will nur diese Exkursion heil hinter mich bringen.«
»Ich werde mit Tarawa reden müssen«, sagte Jamie und verabscheute sich zugleich dafür, dass er die Entscheidung nach oben abschob.
»Okay, in Ordnung«, sagte Trumballs Stimme. »Wir brauchen noch mindestens eine Woche bis zum Generator.«
Verdammt, dachte Jamie, während er das Gespräch mechanisch weiterführte. Dex weiß ganz genau, dass die Chance, sie zurückzurufen, umso geringer ist, je weiter sie weg sind.
Sobald er sich verabschiedet und die Verbindung zum Rover abgebrochen hatte, schlängelte sich ein anderer Gedanke in sein Bewusstsein: Je länger sie da draußen unterwegs sind, desto länger ist Dex weg von hier. Weg von Vijay.
Dafür verabscheute er sich noch mehr.
»Fertig?«, fragte Rodriguez.
Fuchida hatte sich das Klettergeschirr um den Raumanzug geschnallt. Das Seil war in das Joch eingeklinkt, das unter seinen Armen hindurchlief.
»Ich bin so weit«, gab der Biologe mit einer Selbstsicherheit zurück, die er in Wirklichkeit nicht verspürte. Der dunkle, gähnende Abgrund weckte eine urtümliche Furcht in beiden Männern, aber Fuchida wollte sich das nicht eingestehen und es erst recht nicht seinem Teamkameraden gegenüber zugeben.
Rodriguez hatte den Vormittag damit verbracht, alles für die Kletterpartie vorzubereiten, während Fuchida Steinproben sammelte und dann eine halbstündige VR-Show für die Zuschauer auf der Erde inszenierte. Die Steine waren hier oben auf dem Gipfel des Olympus Mons dünner gesät als unten auf der Ebene, und keiner von ihnen wies die farbigen Intrusionen auf, die auf Kolonien der Marsflechte hindeuteten.
Trotzdem war das Sammeln von Proben der erste Punkt auf der Tagesordnung des Biologen. Er betrachtete es als sein Geschenk an die Geologen, weil er das unerfreuliche, aber sichere Gefühl hatte, dass hier auf dem Dach dieser Welt keine biologischen Prozesse stattfanden. Aber unten, in der Caldera … das war vielleicht etwas anderes.
Fuchida trug immer noch das Virtual-Reality-Gerät an seinem Helm. Sie würden nicht in Echtzeit senden, aber die Aufzeichnung des ersten Abstiegs in die Hauptcaldera des Olympus Mons würde sowohl für die Wissenschaft als auch für die Unterhaltungsbranche von großem Wert sein.
»Okay«, sagte Rodriguez. Sein Widerwille war ihm deutlich anzuhören. »Meinetwegen kann's losgehen.«
Fuchida nickte in seinem Helm. »Dann sollten wir anfangen.«
»Vorsicht jetzt«, sagte Rodriguez, als der Biologe langsam von ihm zurücktrat.
Fuchida antwortete nicht. Er drehte sich um und stieg über den sanft gerundeten Rand des riesigen Loches im Boden. Die Caldera war so groß, dass er eine halbe Stunde brauchen würde, bis er so tief unten war, dass Rodriguez ihn nicht mehr sehen konnte, ohne seine Position an der Seilwinde zu verlassen.
Ich hätte zur Vorbereitung auf dieses Unternehmen Dantes Inferno lesen sollen, dachte Fuchida bei sich.