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»Ich verstehe nicht.«

»Es ist wie sehr trockener, sehr pulvriger Schnee. Viel trockener und pulvriger als jeder Schnee auf der Erde.« Jamie fragte sich, ob sie in Australien jemals Ski gelaufen war. Vielleicht in Neuseeland, dachte er. Da haben sie gute Wintersportgebiete.

»Dann kann man also keine Schneebälle machen«, sagte Shektar. Sie klang enttäuscht.

Jamie hob den Arm, zeigte zum Horizont und antwortete: »Vor langer Zeit konnte man's. Hier gab es mal ein Meer … oder zumindest einen größeren See. Höchstwahrscheinlich so ähnlich wie der Golf von Mexiko: ziemlich flach und warm von der Sonne.«

»Wirklich?«

»Aber ja. Siehst du die Terrassierung? Die muschelförmigen Vertiefungen?«

»Die stammen von einem Meer?«

Jamie nickte im Innern seines Helms. »Es ist gegen den Hang des Tharsis-Buckels ein ganzes Stück westlich von hier geplätschert. Wir stehen wahrscheinlich im ehemaligen Küstenbereich. Kann sein, dass es unter unseren Füßen fossile Muscheln gibt.«

»Und wie sähen marsianische Muscheln wohl aus?«, fragte Dex Trumball scharf. »Woran würde man hier eine Versteinerung erkennen? Die Formen wären ganz anders als auf der Erde.«

Jamie drehte sich um und sah in ungefähr hundert Meter Entfernung Dex' Raumanzug mit den königsblauen Armbändern. Dex hatte sie auf ihrer Anzug-zu-Anzug-Frequenz belauscht.

»Es gibt ja schließlich die Bilateral-Symmetrie.« Jamie versuchte, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen.

Trumball lachte.

»Irgendwas mit Beinen wäre ganz hilfreich«, setzte Vijay hinzu.

Dex kam mit großen Sätzen über den eisenroten Sand auf sie zu, einen Probenbehälter aus Kunststoff in der behandschuhten Hand. »Aber dieses Zeug über das Meer ist gut. Das könnte ich bei meiner VR-Tour benutzen. Zwei, drei Stunden am Computer, und ich könnte den Zuschauern daheim sogar eine visuelle Simulation zeigen

Dex versprühte jugendliche Begeisterung und Energie. Jamie war eindeutig verstimmt.

Der Geophysiker kam mit Zweimeterschritten die kleine felsige Anhöhe zu Jamie und Vijay herauf.

»Es ist Raureif, stimmt. Seht euch das an! Kommt mit, ich will ein paar Proben sammeln, bevor die Sonne alles verdunsten lässt.« Er schwenkte den isolierten Probenbehälter.

Ohne auf Jamie zu warten, machte sich Dex auf den Weg zu den mit Eis überzogenen Dünen hinunter.

Jamie schaltete über das Tastenfeld an seiner linken Manschette auf die Basisfrequenz des Anzugfunks. »Waterman an Basis. Shektar, Trumball und ich gehen ins Dünenfeld runter.«

Stacy Deschurowas Stimme klang ein wenig verärgert, als sie antwortete. »Dann seid ihr außerhalb des Bereichs der Kameras, Jamie.«

»Verstanden«, sagte Jamie. »Wir werden nicht länger als als eine halbe Stunde unterwegs sein, und wir bleiben in Gehweite.«

Deschurowa gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Seufzer und einem Schnauben lag. »Verstanden. Maximal eine halbe Stunde in Gehweite.«

Als ältere der beiden Astronauten war Deschurowa für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zuständig. Sie war hauptsächlich im Kommunikationszentrum der Kuppel postiert, wo sie jeden, der draußen arbeitete, mittels der um die Kuppel herum aufgebauten Überwachungskameras beobachtete.

Ich kann verstehen, dass sie genervt ist, dachte Jamie. Wir sollten eigentlich bei der Kuppel sein und mithelfen, die Ausrüstung und die Nahrungsmittel zu verstauen, statt in der Gegend herumzulaufen. Die anderen ließen die beiden kleinen Traktoren zwischen ihrem L/AV und der Kuppel dahinrumpeln.

Dennoch kehrte er der Arbeit den Rücken und ging langsam neben Vijay her, bereit, ihr die Hand zu reichen, falls sie über einen der überall herumliegenden Steine stolperte. Er musterte das Gelände mit den Augen des Geologen. Das ist unter Garantie ein sehr alter Impaktkrater, sagte er sich im Stillen. Der Verwitterungsprozess auf dem Mars dauert Äonen, und der Rand ist fast bis zum Sandboden herunter erodiert. Muss ein heftiger Schlag gewesen sein, nach der Größe des Beckens zu urteilen. Beziehungsweise nach der Größe dessen, was davon übrig ist.

Trumball lag bereits im Schatten auf den Knien und schabte die zerbrechliche, papierdünne Eisschicht vorsichtig in ein offenes Probengefäß.

»Es ist tatsächlich Wassereis«, sagte er über die Anzug-zu-Anzug-Frequenz, während sie auf ihn zukamen. »Garantiert von der gleichen Isotopenzusammensetzung wie das Eis am Nordpol. Das Zeug sublimiert da oben zu Dampf, und die Atmosphäre trägt es zum Äquator runter.«

Vijay zeigte mit einem behandschuhten Finger hin. »Es schmilzt, wo die Sonne darauf fällt.«

»Es sublimiert«, sagte Trumball, ohne von seiner Arbeit aufzublicken. »Es schmilzt nicht, es sublimiert.«

»Wird von Eis zu Gas«, erklärte Jamie, »ohne flüssige Phase dazwischen.«

»Ich verstehe«, erwiderte sie.

»Die Atmosphäre ist so dünn, dass flüssiges Wasser sofort verdunstet.«

»Ja, ich weiß«, sagte sie mit einer leichten Schärfe im Ton.

Trumball verschloss das Gefäß und steckte es in den Probenbehälter. »Das wird uns helfen, definitive Erkenntnisse über die globale Zirkulation der Atmosphäre zu gewinnen.«

»Ist dieses Wasser auch mit Kohlensäure versetzt?«

Trumball schloss die Kunststoffbox und erhob sich. »Klar. Genau wie das Wasser aus der Permafrostschicht im Boden. Marsianisches Perrier, mit Kohlendioxid drin.«

Jamie gab das Startzeichen für die Rückkehr zur Basis. Er fühlte sich aus dem Gespräch ausgeschlossen, wusste aber nicht, wie er sich einbringen sollte, ohne den Eindruck zu erwecken, dass er mit dem jüngeren Mann konkurrierte.

»Das Leben hat hier dieselben Bedürfnisse wie auf der Erde«, sagte Vijay.

»Wieso auch nicht?«, erwiderte Trumball und wedelte mit der freien Hand. »Im Grunde ist es überall gleich: DNA, Proteine — dasselbe auf beiden Planeten.«

»Aber es gibt Unterschiede«, sagte Jamie. »Die marsianische DNS hat dieselbe Doppelhelix-Struktur wie unsere, aber die Basenpaare bestehen aus anderen chemischen Stoffen.«

»Ja, klar. Und in marsianischen Proteinen gibt's ein paar andere Aminosäuren. Aber Wasser brauchen sie trotzdem.«

Sie hatten den Kamm des Randfelsens erreicht. Jamie konnte die Kamera auf dem hohen, dünnen Mast sehen, die zu ihnen herüberspähte.

Widerstrebend sagte er: »Wir sollten uns ein bisschen beeilen, damit wir den anderen noch beim Ausladen helfen können.«

Shektar antwortete: »Ja, finde ich auch.«

Jamie konnte Trumballs Gesicht hinter der stark getönten Sichtscheibe von dessen Helm nicht sehen, aber er hörte den jüngeren Mann lachen.

Trumball hob seine Box hoch und sagte: »Tja, ein paar von uns haben was Wichtiges zu tun. Viel Spaß beim Stauer spielen.«

Und er ging mit großen Schritten über den mit Steinen übersäten Boden zur Basis zurück und ließ Jamie und Shektar auf dem Rand des alten Kraters stehen.

VIRTUELLE TOUR: SOL 1

Später an diesem Nachmittag steckte der immer noch aufgeregte C. Dexter Trumball die beiden miniaturisierten VR-Kameras in die Slots direkt über seinem Visier. Sie machten die Bewegungen seiner Augen mit, wenn die Elektronik richtig funktionierte. Mit ihnen und den molekulardünnen Datenhandschuhen, die er bereits über die Handschuhe seines Raumanzugs gefummelt hatte, würde er den Millionen Zuschauern auf der Erde alles zeigen können, was er selbst sah oder berührte.

Er schaute sich kurz zu den anderen um, die jetzt Frachtcontainer und sperrige Behälter durch die Luftschleuse der Kuppel schleppten. Sie würden den Rest des Tages damit verbringen, Geräte aufzubauen und die Kuppel bewohnbar zu machen. Trumballs Job war es, die Menschen daheim zu unterhalten, die einen finanziellen Beitrag zu dieser Expedition leisteten.