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»Wenn ich deinen Rat befolgt hätte, läge ich in Nagasaki in meinem Bett«, sagte er und bemühte sich, es locker und witzig klingen zu lassen.

»Na klar doch.«

Steif ging er auf die Spalte zu, die er zuvor gesehen hatte. Seine Helmlampe leuchtete hell, aber er musste sich ein wenig bücken, damit das Licht den Boden erreichte.

Da war sie. Ein schmales, leicht gerundetes Loch in der Basaltwand. Wie der Eingang zu einer Piratenhöhle.

Fuchida trat in die Öffnung und drehte sich von einer Seite zur anderen, sodass der Lichtkegel seiner Helmlampe über die Wände der Höhle strich.

Es war ein Lavaschlot, gar keine Frage. Wie ein von einem riesigen, extraterrestrischen Wurm gegrabener Tunnel wand er sich abwärts. Wie tief mochte er wohl hinuntergehen?

Fuchida erstickte eine Stimme in seinem Kopf, die von Angst und Gefahr wisperte, und ging in den kalten, dunklen Lavaschlot hinein.

SONNENUNTERGANG: SOL 49

Dex Trumball runzelte die Stirn, als er Jamie über die Satellitenverbindung des Rovers zuhörte.

»Die Meteorologen rechnen nicht damit, dass der Sturm den Äquator überquert, aber sie behalten ihn im Auge.«

»Und wo liegt dann das Problem?«, fragte Trumball mit einem Blick zu Craig, der den Rover fuhr.

Das Gelände, das sie durchquerten, stieg ein wenig an und war rauer als zuvor. Eine Kette zerklüfteter Hügel erhob sich zu ihrer Linken, und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne warfen ins Riesenhafte verlängerte Schatten und verwandelten selbst die kleinsten Steine in Phantome, die sich ausstreckten, um ihnen den Weg zu versperren.

»Es ist eine Frage des Timings«, erwiderte Jamie. »Ihr entfernt euch mit jedem Tag weiter von der Basis. Wenn wir euch erst zurückrufen, sobald der Sturm eine wirkliche Gefahr darstellt, könnte es zu spät sein.«

»Aber ihr wisst nicht, ob der Sturm eine wirkliche Gefahr darstellen wird, oder?«

»Das Klügste wäre, jetzt umzukehren und die Exkursion auf den Sommer zu verschieben, wenn die Sturmgefahr praktisch gleich Null ist.«

»Ich will aber nicht wegen einer theoretischen Gefahr umkehren, die wahrscheinlich nie zu einer echten werden wird.«

»Immer noch besser, als in einen Staubsturm zu geraten, Dex.«

Trumball sah wieder zu Craig hinüber. Der warf ihm einen Seitenblick zu und schaute dann wieder konzentriert nach vorn.

»Du hast doch schon mal einen Staubsturm überstanden, oder?«, sagte er.

Er dauerte eine Weile, bis Jamie antwortete. »Wir hatten keine andere Wahl. Ihr schon.«

»Also, ich will dir mal was sagen, Jamie. Ich wähle die Möglichkeit, weiterzufahren, Ich werde nicht wegen eines saublöden Sturms anhalten und umkehren, der ein paar tausend Klicks entfernt ist.«

Jamie, der vor der Kommunikationskonsole saß — Stacy neben ihm, Vijay in seinem Rücken —, knetete seine Oberschenkel mit den Fäusten.

Wenn ich ihm umzukehren befehle und er sich weigert, verliere ich jede Autorität über diese Leute, die ich jetzt noch habe. Aber wenn ich ihn weiterfahren lasse, gebe ich damit zu erkennen, dass Dex mir nach Lust und Laune auf der Nase herumtanzen kann.

Ihm wurde klar, dass Dex derjenige war, der die Entscheidungen traf. Craig die Leitung der Expedition zu übertragen, war von Anfang an eine Farce gewesen. Possum blieb stumm, er sagte kein einziges Wort.

Was soll ich tun? Welchen Weg soll ich einschlagen? Jamie dachte eine Weile gründlich nach. Vor seinem geistigen Auge entstand ein Bild von Trumballs Route durch Lunae Planum und nach Xanthe Terra hinein.

»Bleib einen Moment dran, Dex«, sagte er und unterbrach die Verbindung.

Er wandte sich an Deschurowa. »Zeig mir ihre Route, Stacy.«

Sie holte das Bild auf den Monitor vor Jamies Stuhl. Eine schwarze Linie schlängelte sich über die Karte; Blips kennzeichneten die erwartete Position am Ende jedes Tages. Jamie überflog sie rasch, dann drückte er wieder auf die Sendetaste.

»Dex?«

»Wir sind noch da, Chief.«

»Falls der Sturm den Äquator überquert und euch bedroht, wird das frühestens in vier oder fünf Tagen geschehen. Dann ist eure Entfernung zur Basis schon größer als die zum Treibstoffgenerator.«

»Und?« Trumballs Stimme klang wachsam.

»In zwei Tagen müsstet ihr genau in der Mitte zwischen Basis und Generator sein.«

»Stimmt.«

»Das ist der Moment der Entscheidung. Der Punkt, von dem aus es kein Zurück mehr gibt. Dann werde ich entscheiden, ob ihr weiterfahren könnt oder umkehren müsst.«

»In zwei Tagen.«

»Ja. In der Zwischenzeit werden wir den Sturm sehr genau beobachten. Und ihr meldet euch stündlich bei uns.«

Diesmal war es Trumball, der eine Weile zögerte, bevor er antwortete. »Okay. Geht klar.«

»Gut«, sagte Jamie.

»In einer Stunde gehen wir schlafen«, sagte Trumball. »Ich melde mich dann noch mal.«

»Gut«, wiederholte Jamie.

Er beendete die Verbindung und lehnte sich zurück. Er fühlte sich, als hätte er zehn Runden mit einem Profiboxer im Ring gestanden.

Eine Viertelstunde später war Jamie im Geologielabor und führte eine Analyse der Kernproben durch, die Craigs Bohrer heraufbefördert hatte. Er war froh darüber, mit Steinen und Erde zu tun zu haben statt mit Menschen. Sedimentäre Ablagerungen, kein Zweifel. Diese Kuppel steht auf dem Grund eines uralten Meeres. Wenn wir vor ein paar hundert Millionen Jahren hier gewesen wären, dachte er, hätten wir eine Taucherausrüstung gebraucht.

»Jamie«, ertönte Stacy Deschurowas scharfe Stimme aus den Lautsprechern, »wir haben einen Notruf von Rodriguez.«

Als Deschurowas Stimme durch die Kuppel hallte, vergaß er seine Grübeleien sofort. Er ließ die Kernprobe im eingeschalteten Elektronenmikroskop und sprintete durch die Kuppel zum Kommunikationszentrum.

Deschurowa gab Jamie wortlos und mit grimmiger Miene ein Headset.

Rodriguez' Stimme war ruhig, aber man hörte seine nervliche Anspannung. »… jetzt schon über zwei Stunden da unten, und der Funkkontakt ist abgebrochen«, sagte der Astronaut gerade.

Jamie setzte sich wieder auf den Bürostuhl neben Deschurowa, während er das Stiftmikro zurechtbog. »Hier ist Jamie. Was ist los, Tomas?«

»Mitsuo ist wie geplant in die Caldera runtergestiegen. Ungefähr fünfzig, sechzig Meter weiter unten hat er einen Lavaschlot entdeckt und ist reingegangen. Dann ist der Funkkontakt mit ihm abgebrochen.«

»Wie lange …«

»Jetzt schon über eine halbe Stunde. Ich hab am Seil gezogen, aber er reagiert nicht.«

»Was hältst du davon?«

»Entweder er ist bewusstlos, oder sein Funkgerät streikt. Ich meine, ich hab richtig an dem Seil gezerrt. Nichts.«

Die dritte Möglichkeit, dass Fuchida tot war, erwähnte der Astronaut nicht, aber der Gedanke loderte in Jamies Geist.

»Du sagst, der Funkkontakt mit ihm ist abgebrochen, als er im Lavaschlot war?«

»Ja, genau. Schon vor über 'ner halben Stunde.«

Tausend Möglichkeiten schossen Jamie durch den Kopf. Das Seil ist garantiert nicht gerissen, dachte er. Diese Buckyballs sind unglaublich belastbar.

»Es wird bald dunkel«, sagte Rodriguez.

»Du wirst ihm folgen müssen«, erklärte Jamie.

»Ich weiß.«

»Geh nur so weit, dass du feststellen kannst, was ihm zugestoßen ist. Finde raus, was passiert ist, und melde dich dann wieder hier.«

»Ja. Ist gut.«

»Es gefällt mir nicht, aber es geht nicht anders.«

»Mir gefällt's auch nicht«, sagte Rodriguez.

Durch einen Nebel aus Schmerz erkannte Mitsuo Fuchida die Ironie der Situation. Er hatte eine grandiose Entdeckung gemacht, aber er würde wahrscheinlich nicht lange genug leben, um jemandem davon zu erzählen.