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Im Gegensatz dazu herrschte in dem mit dunklem Holz vertäfelten Salon des Metropolitan Club gedämpfte Stille. Während der Wind die kahlen Äste im Central Park schüttelte und an den Lämpchen in den Bäumen draußen vor dem überdachten Eingang des Clubs rüttelte, lehnte sich Darryl C. Trumball in seinen Lieblingsledersessel zurück, um sich seinen ersten Old Fashioned des Abends schmecken zu lassen.

Im Sessel gleich neben ihm saß Walter Laurence, geschäftsführender Direktor des Internationalen Universitätskonsortiums. Im Gegensatz zum Selfmademan Trumball stammte Laurence aus sehr reicher Familie, und anders als der Finanzier hatte Laurence sein Erwachsenenleben im öffentlichen Dienst verbracht, zuerst im Außenministerium, später dann in der verworrenen, oftmals chaotischen Welt des akademischen Lebens. Ähnlich wie Trumball genoss es Walter Laurence jedoch, über Macht zu verfügen, und wusste die Vorteile einer hohen Stellung durchaus zu schätzen.

Nun nippte er dezent an einem hohen, eisgekühlten Glas Wodka Tonic und sah aus wie das Inbild des ›elderstatesman‹: glattes, silbernes Haar, dünner grauer Schnurrbart, makellos geschnittener, perlgrauer Anzug.

»Ich verstehe nicht«, sagte er mit seiner leisen, kultivierten Stimme, »warum Sie diesen Nachrichtenmann hierher eingeladen habe. Er ist so ein ungehobelter Kerl.«

Trumball lächelte wissend. Es sah aus wie das zähnebleckende Grinsen eines Totenschädels. »Wissen Sie noch, was Ben Franklin über Sex mit älteren Frauen gesagt hat?«

Eine kaum wahrnehmbare Falte bildete sich in dem Raum zwischen Laurences Augenbrauen. »Im Dunkeln sind alle Katzen grau?«

»Nein, nein.« Trumball wedelte ungeduldig mit der Hand. »Er meinte, das Beste am Sex mit älteren Frauen sei, dass sie hinterher so verdammt dankbar seien!«

»Hmm.«

Trumball beugte sich näher zu ihm und senkte die Stimme. »Ich will Newell — und sein Network — auf unserer Seite haben.«

»Und welche Seite ist das?«

»Wir müssen diesen Indianer da oben, diesen Waterman, los werden.«

»Ihn loswerden? Wie denn? Der Mann ist auf dem Mars.«

»Ich will nicht, dass er die Expedition leitet. Ich wollte es nie, um die Wahrheit zu sagen. Ich habe mich nur von euch anderen dazu beschwatzen lassen.«

Laurence nahm einen größeren Schluck aus seinem hohen Glas. Dann: »Ich wüsste nicht, wie …«

»Er ist ein zu großer Träumer, ganz und gar nicht der Mann, der an der Spitze der Expedition stehen sollte«, sagte Trumball. »Und er befolgt keine Befehle. Er denkt, nur weil er da oben auf dem Mars ist, kann er tun, was er will.«

»Ah«, sagte Laurence. »Haben Sie spezielle Beispiele? Ich meine, das Team scheint sich doch nach dem Plan zu richten, auf den wir uns alle geeinigt hatten — mal abgesehen von dieser zusätzlichen Exkursion zur Bergung der alten Pathfinder-Sonde.«

»Ich habe extra Anweisung gegeben, dass mein Sohn nicht auf diese Reise geschickt werden sollte!«, zischte Trumball, und sein Gesicht wurde blass, während er sich bemühte, die Stimme nicht zu erheben. Trotzdem wandten sich mehrere Leute in der näheren Umgebung mit missbilligendem Stirnrunzeln zu ihm um.

»Ja, das mag sein, aber aus dieser Entfernung können wir nicht viel tun, nicht wahr?«

»Oh doch, das können wir«, sagte Trumball. »Ich will, dass er von seinem Posten als Expeditionsleiter abgelöst wird. Dass er degradiert wird. Fertig gemacht wird.«

Laurence seufzte. »Aber Darryl, verstehen Sie doch, das ist eine reine Formalie. Er wird trotzdem auf dem Mars sein und dort trotzdem die Befehlsgewalt haben. Nach allem, was ich so höre, haben die anderen Mitglieder des Teams eine außerordentlich hohe Meinung von ihm. Er ist ihr Held.«

»Ich will, dass er fertig gemacht wird!«

»Sie werden einen Märtyrer aus ihm machen.«

Trumball funkelte den IUK-Manager an. »Deshalb habe ich Newell zu uns gebeten. Ich will sicherstellen, dass die Nachrichtenmedien diese Story so behandeln, wie ich es wünsche.«

Laurence ließ sich in seinen Lehnsessel zurücksinken. »Ich glaube, Sie entfachen da einen Sturm im Wasserglas.«

»Nein, das tue ich nicht.«

»Es ist völlig egal, ob er offiziell Expeditionsleiter ist oder nicht.«

»Oh nein, keineswegs!«, fauchte Trumball. »Er will losfahren und irgend so ein mythisches Dorf suchen, das er bei der ersten Expedition gesehen zu haben behauptet. Als Missionsleiter kann er eine Expedition losschicken, wann immer er will. Wenn jemand anders die Leitung hat, wird er niemals die Erlaubnis dazu bekommen.«

»Glauben Sie, der neue Leiter würde sich weigern, ihm die Erlaubnis zu so einer Exkursion zu geben?«

»Ja, verdammt, das glaube ich!«

»Aber sie bewundern den Mann alle so sehr. Wer würde ihm die Chance verweigern, nachzusehen, ob sein Dorf wirklich existiert?«

»Der neue Leiter.«

Laurence ging ein Licht auf, aber er stellte die Frage trotzdem, obwohl er wusste, wie Trumballs Antwort lauten würde.

»Und wer könnte das sein?«

»Mein Sohn Dex, natürlich!«

»Natürlich«, murmelte Laurence, »natürlich.«

IN DER HÖLLENGRUBE

Rodriguez sah zu, wie Fuchida nach oben und von ihm weg schlitterte, eine matte Lichtpfütze, die sich langsam, aber stetig entfernte. Das schabende Geräusch, mit dem der Biologe über das vereiste Gestein gezerrt wurde, drang nicht durch die Isolierung seines Helms; er hörte nur seinen eigenen Atem, der viel zu schnell ging. Beruhige dich, befahl er sich. Bleib ruhig, dann wird schon alles gut gehen.

Sicher, antwortete eine ironische Stimme in seinem Kopf. Gar nichts dabei. Kinderspiel.

Dann kam ihm zu Bewusstsein, dass er mutterseelenallein im Dunkeln war.

Ist schon okay, sagte er sich. Mitsuo wird das Geschirr runterschicken, dann kann ich mich von der Winde hochziehen lassen.

Seine Helmlampe warf nur einen schwachen Lichtschein auf die dunkle, raue Felswand. Als Rodriguez sich umdrehte, wurde das Licht vom leeren Abgrund der Caldera verschluckt, der sich endlos weit und tief vor ihm ausdehnte.

Finsternis umgab ihm. Es war, als wäre er das einzige Lebewesen im ganzen Universum, als gäbe es überhaupt kein Universum, sondern nur die alles verschlingende Dunkelheit dieser kalten, schwarzen Höllengrube.

Wie von ungefähr kam ihm eine Zeile aus einem Stück in den Sinn, das er vor Jahren in der Schule gelesen hatte:

Wieso, ist dies hier denn nicht die Hölle?

Sei kein Idiot!, fuhr er sich an. Dir wird schon nichts passieren. Dein Anzug funktioniert prima, und Mitsuo ist mittlerweile da oben, nimmt das Geschirr ab und bereitet sich darauf vor, es zu dir runterzuschicken.

Von wegen. Er könnte bewusstlos sein, er könnte an einem Felsbrocken festhängen, oder vielleicht ist das verdammte Geschirr auch zerrissen, als die Winde ihn den Hang raufgeschleift hat. Oder die Winde hat sich aus ihrer Verankerung gelöst, und jetzt kommt er mitsamt Winde und allem wieder runter und auf mich drauf.

Die Vorstellung, wie sie beide von dem Sims gestoßen wurden und in die schwarze, bodenlose Höllengrube stürzten, ließ ihm das Blut gefrieren.

Keine Furcht, sagte sich Rodriguez. Keine Furcht. Er stützte sich mit einer beschuhten Hand an dem massiven Felsen ab. Bald bist du hier draußen, wiederholte er stumm. Dann fragte er sich, ob das Licht seiner Lampe schwächer wurde. Gehen die Batterien allmählich zur Neige?

Fuchidas Kopf knallte so heftig gegen die Innenseite seines Helms, dass er Blut im Mund schmeckte. Er kniff die Augen zusammen und sah den strengen, kompromisslosen Blick seines Vaters. Was für eine Enttäuschung für ihn, wenn er erfährt, dass ich auf dem Mars gestorben bin, wie mein Neffe Konoye.