Die erste Expedition zum Mars war von mehreren Staaten durchgeführt worden und hatte annähernd eine Viertelbillion Dollar gekostet. Diese zweite Expedition wurde größtenteils aus privaten Quellen finanziert und kostete weniger als ein Zehntel dieser Summe.
Nun waren in den sechs Jahren zwischen den beiden Missionen natürlich die Clipperships entwickelt worden, wiederverwendbare Raumfahrzeuge, mit denen die Kosten des Flugs in den Orbit von ein paar tausend Dollar pro Pfund auf ein paar hundert sanken. Die Masterson Corporation und die anderen großen Luftfahrtunternehmen hatten der Marsexpedition Dutzende von Flügen in den Erdorbit spendiert; das war gute Reklame für sie und ihre neuen Clipperships.
Und Dex' Vater hatte sogar an der Spitze der Kampagne gestanden, mit der das Geld für die Expedition aufgetrieben worden war. Der ältere Trumball hatte persönlich fast eine halbe Milliarde Dollar aus seiner Privatschatulle gespendet und dann weitere Milliardäre beschwatzt, moralisch unter Druck gesetzt oder auf andere Weise bewogen, ebenfalls einen Beitrag zu leisten.
Aber der wahre Grund für die geringeren Kosten war, dass diese zweite Expedition sich von dem ernähren würde, was sie auf dem Mars vorfand. Statt jedes Gramm Wasser, Sauerstoff und Brennstoff von der Erde zum Mars mitzunehmen, hatten sie automatisierte Anlagen vorausgeschickt, die auf dem Mars landen und Wasser, Sauerstoff und Brennstoff aus der Atmosphäre und dem Erdreich des Planeten erzeugen sollten. Dex Trumball taufte das Verfahren »Plan Z«, nach dem Ingenieur, der vor Jahrzehnten bahnbrechende Arbeit für das Konzept geleistet hatte: Robert Zubrin.
Dennoch war die Expedition trotz Plan Z auf Probleme gestoßen, noch bevor das erste Modul von der Erde abhob.
Atomraketen würden die Reisezeit zwischen der Erde und dem Mars fast halbieren, aber in den Vereinigten Staaten und Europa gab es immer noch so viele Kontroversen über den Einsatz eines Nuklearantriebs, dass die Expeditionsplaner das Hauptstartgelände in den Inselstaat Kiribati mitten im Pazifik verlegt hatten. Die Nukleartriebwerke wurden von dort mit Clipperships in den Orbit gebracht und dann mit den aus den Vereinigten Staaten und Russland ins All transportierten Wohn- und Ausrüstungsmodulen kombiniert. AntiAtomkraft-Demonstranten durften nicht näher als dreihundert Kilometer an das Startgelände auf der Insel heran.
Kiribati verlangte als Preis für diese Gefälligkeit, dass das Kontrollzentrum der Mission in seiner Hauptstadt Tarawa eingerichtet wurde. Pete Connors, der altgediente Astronaut der ersten Expedition, und die anderen Kontrolleure hatten nicht das mindeste dagegen, auf das Atoll mit seinem milden Klima umzuziehen. Und Kiribatis hervorragende Hotels und Touristeneinrichtungen standen mit einem Mal im Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit. Und der entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen.
Das größte Problem war die Auswahl der Mannschaft gewesen, die zum Mars fliegen sollte. Das Wissenschaftlerteam sollte nur aus zwei Biologen und zwei Geologen bestehen, und die Konkurrenz unter eifrigen, ernsthaften jungen Wissenschaftlern war äußerst heftig. Dex fragte sich manchmal, ob man ihn auch als einen der Geologen ausgewählt hätte, wenn sein Vater nicht so generös gewesen wäre. Ist doch egal, beantwortete er sich diese Frage immer selbst. Ich bin im Team, und die anderen können meinetwegen vor Wut unter der Decke kreiseln.
Trumball schnitt eine Grimasse, als er die VR-Elektronik mit seinem Headup-Display überprüfte. Das Diagnostik-Display flimmerte über seine Sichtscheibe. Alles funktionierte, bis auf die verdammten Handschuhe. Ihr Icon blinkte ihn rot an.
Das erste Gesetz der Technik: Wenn etwas nicht funktioniert, tritt dagegen. Während er an den haarfeinen Glasfaserdrähten ruckelte, die die Handschuhe mit dem Sender auf seinem Tornistergerät verbanden, sagte sich Trumball erneut, dass er der Einzige im Team war, der etwas von den ökonomischen Aspekten dieser Mission verstand. Und die entschieden darüber, was sich machen ließ und was nicht.
Waterman und die anderen Wissenschaftler schweben immer in höheren Regionen, dachte er. Sie sind hier, um wissenschaftliche Arbeit zu machen. Sie wollen ihre Neugier in Nobelpreise verwandeln. Ja, aber wenn niemand die verdammten Rechnungen bezahlen würde, säßen sie immer noch auf irgendeinem Campus auf der Erde und schlügen sich die Nächte mit Internet-Chats über den Mars um die Ohren.
Zum Teufel, ich will auch gute wissenschaftliche Arbeit machen. Aber der Punkt ist, dass jemand all das bezahlen muss. Sie blicken auf mich herab, weil ich der einzige Realist in dem ganzen Haufen bin.
Das Handschuh-Icon in seinem HUD wurde endlich grün. Die Virtual-Reality-Tour konnte beginnen.
Trumball löschte das Display von seiner Sichtscheibe und gab dann auf dem Tastenfeld an seinem Handgelenk die Radiofrequenz des Kontrollzentrums in Tarawa ein. Es würde achtundzwanzig Minuten dauern, bis sein Signal die Erde erreichte und ihre Bestätigung samt Startzeichen zu ihm zurückkehrte. Er verbrachte die Zeit mit der Planung der Route, die er bei diesem kleinen Reisebericht nehmen würde.
»Mission Control an Trumball«, kam endlich Connors sonore Baritonstimme über hundert Millionen Kilometer. »Sie können mit der VR-Tour beginnen. Wir haben sechzehn Komma neun Millionen Teilnehmer online, und wenn wir Ihre Startzeit durchgeben, werden sich noch mehr einloggen.«
Wir kommen mit Leichtigkeit auf zwanzig Millionen, dachte Trumball zufrieden. Bei zehn Dollar pro Kopf haben wir damit schon fast die Hälfte der Kosten unserer Bodenausrüstung wieder drin. Wir werden bei dieser Expedition schwarze Zahlen schreiben!
Die Ziemans — Vater, Mutter, neunjähriger Sohn und fünfjährige Tochter — saßen im Unterhaltungszimmer ihres Vorstadthauses in Kansas City vor dem Bildschirm, der die ganze Wand einnahm.
Nur eine Ecke des Bildschirms war aktiviert: Ein Schwarzer erklärte mit ernster Miene, dass die Übertragung vom Mars vierzehn Minuten brauchte, um die Distanz zwischen den beiden Planeten zu überwinden, obwohl das Signal mit Lichtgeschwindigkeit reiste, »die dreihunderttausend Kilometer pro Sekunde beträgt«, wie er betonte.
Der Neunjährige schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Es sind zweihundertneunundneunzigtausendsiebenhundertneunzig Kilometer pro Sekunde«, verbesserte er gewissenhaft.
»Schsch!«, zischte seine Schwester.
»Setzt eure Helme auf«, sagte ihr Vater. »In ein paar Sekunden geht's los.«
Alle vier setzten die Plastikhelme mit den gepolsterten Kopfhörern und herunterklappbaren Visieren auf, steckten die Finger in die angeschlossenen Datenhandschuhe — die Mutter half ihrer Tochter, der Junge machte es stolz allein — und klappten dann die Visiere herunter, als der Mann auf dem Bildschirm ihnen erklärte, die Tour werde gleich beginnen.
Die Stimme des Mannes zählte rückwärts: »Drei … zwo … eins …«
Und sie waren auf dem Mars!
Sie schauten auf eine rote, mit Steinen übersäte Ebene hinaus; eine rötliche, staubige Wüste erstreckte sich, so weit das Auge reichte; rostfarbene Felsbrocken waren über das kahle, sanft gewellte Land verstreut wie von einem achtlosen Kind liegen gelassenes Spielzeug. Der unebene Horizont schien viel zu nah zu sein. Der Himmel hatte die Farbe von hellem Karamell. Kleine, vom Wind geformte Dünen erhoben sich in präzisen Reihen, und an einigen größeren Felsen häufte sich der rötliche Sand. In der Ferne ragte eine Art Tafelberg über dem Horizont auf.
»Das hier ist unser Landeplatz«, vernahmen sie Dexter Trumballs Stimme. »Wir befinden uns in den westlichsten Ausläufern einer Region namens Lunae Planum — Ebene des Mondes. Damals in der alten Zeit haben die Astronomen der marsianischen Geographie bizarre Namen gegeben.«
Der Bildausschnitt veränderte sich, als Trumball sich langsam umdrehte. Sie sahen die Kuppel des Habitats.