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»Dort werden wir die nächsten anderthalb Jahre wohnen. Morgen führe ich Sie im Innern herum. Im Moment sind die anderen Mitglieder der Expedition noch dabei, alles in Ordnung zu bringen; Sie wissen schon, Großreinemachen und so. Morgen werden wir aber einen Rundgang durch die Kuppel machen können, dann zeige ich Ihnen, wie es dort aussieht.«

Keiner der Ziemans sagte ein Wort. Überall im Land, überall auf der Welt saßen die Menschen da und sahen sich fasziniert und überwältigt die Bilder vom Mars an.

»Hören Sie dieses leise Wispern?«, fragte Trumball. »Das ist der Wind. Er weht mit ungefähr dreißig Knoten. Auf der Erde wäre das ein waschechter Sturm, aber hier auf dem Mars ist die Luft so dünn, dass er nicht einmal den Staub vom Boden aufwirbelt. Sehen Sie?«

Sie spürten, wie ihre rechte Hand in einem Beutel am Bein des hartschaligen Raumanzugs herumtastete. »Jetzt schauen Sie sich das an«, sagte Trumball.

Sie zogen einen rot-weißen Hufeisenmagneten aus dem Spielwarenladen hervor.

»Der Sand hier auf dem Mars ist reich an Eisenerzen«, erklärte Trumball, »deshalb können wir mit diesem Magneten …«

Sie hockten sich in dem klobigen Anzug mühsam hin und schrieben mit dem Magneten die Buchstaben M-A-R-S in den Sand, während Trumball erläuterte: »Sehen Sie, wir brauchen den Sand nicht zu berühren. Der Magnet stößt das Eisen in den Körnchen ab.«

»Ich will meinen Namen schreiben!«, rief die Tochter der Ziemans.

»Halt die Klappe!«, blaffte ihr Bruder.

Beide Eltern brachten sie mit einem »Pst!« zum Schweigen.

Trumball steckte den Magneten wieder ein, bückte sich und hob einen handtellergroßen Stein auf. Die Zuschauer fühlten sein Gewicht und seine Festigkeit in ihrer behandschuhten Hand.

»Die Felsbrocken, die hier überall herumliegen, wurden aus dem Boden gerissen«, erklärte Trumball, während er sich aufrichtete. »Einige könnten von Vulkanausbrüchen stammen, aber die meisten sind beim Einschlag von Meteoriten weggesprengt worden. Der Mars ist nämlich viel näher am Asteroidengürtel als die Erde und wird darum viel häufiger von Meteoriten getroffen.«

Sie schienen von der Kuppel wegzugehen, hin zu einem hausgroßen Felsblock. Roter Sand häufte sich an einer Seite.

»Sie sehen da draußen ein Sanddünenfeld«, sagte Trumball, und sie sahen, wie seine behandschuhte Hand hinzeigte. »Die Dünen müssen ziemlich stabil sein, weil sie bei der Landung der ersten Expedition vor sechs Jahren auch schon da waren.«

Die zeigende Hand schwenkte vor dem lohfarbenen Himmel. »Dort drüben steigt das Land allmählich an, wie Sie sehen. Das ist der Ostrand des Tharsis-Buckels, auf dem die großen Vulkane liegen. Pavonis Mons ist ungefähr sechshundert Kilometer von uns entfernt, fast genau im Westen.«

Das Bild verschob sich erneut so schnell, dass manchen Zuschauern ein bisschen schwindlig wurde. »Im Süden sind die Badlands, Noctis Labyrinthus, und ungefähr sechshundert Kilometer südöstlich von hier liegt Tithonium Chasma, das westliche Ende des großen Grand Canyon. Dort hat die erste Expedition die Marsflechte gefunden.«

Trumball drehte sich erneut um und ging zu einem kleinen Traktor, der fast wie ein Dünenbuggy aussah, nur dass die Räder dünn waren und elastisch wirkten. Er war ganz offen, ohne Kabine; die Sitze waren von einem Käfig aus außerordentlich dünnen Metallstangen umgeben.

Die Zuschauer sahen sich auf den Fahrersitz rutschen. Der Sohn der Ziemans murmelte: »Voll cool!«

»Ich möchte Ihnen unseren Reserve-Treibstoffgenerator zeigen«, sagte Trumball, als er den Motor des Traktors anwarf. Er tuckerte wie ein Diesel, aber in der dünnen Marsluft klang das Geräusch merkwürdig hoch. »Er befindet sich ungefähr zwei Klicks — Kilometer — von der Kuppel entfernt. Steht schon seit über zwei Jahren da draußen, gewinnt Kohlendioxid aus der Luft und Wasser aus dem Permafrost im Boden und erzeugt Methan für uns. Methan ist ein natürliches Gas; es ist der Kraftstoff, den wir für unsere Boden-Rover benutzen werden.«

Bevor er mit dem Traktor losfuhr, drehte Trumball sich um und beugte sich ein wenig über den Rand des Fahrzeugs. »Schauen Sie sich die Stiefelabdrücke an«, sagte er. »Menschliche Abdrücke im roten Sand des Mars. Hier ist noch nie ein Mensch gegangen, jedenfalls nicht genau an dieser Stelle. Vielleicht werden Sie eines Tages Ihre Spuren auf dem Mars hinterlassen.«

»Yah!«, jubelte der Neunjährige.

Trumball fuhr mit den achtundzwanzig Millionen zahlenden Zuschauern (und deren Freunden und Familienangehörigen) langsam zum Treibstoffgenerator.

»Macht nicht viel her«, gab er zu, »aber für uns ist er ein sehr wichtiger Ausrüstungsgegenstand. Sogar ein so wichtiger, dass wir noch einen zweiten mitgebracht haben.«

Als sie bei dem gedrungenen, zylindrischen Modul eintrafen, stieg Trumball vom Traktor und legte eine behandschuhte Hand auf die glatte, gebogene Metallverkleidung des Generators.

»Spüren Sie die Vibration?« Dutzende Millionen spürten sie. »Der Generator tuckert vor sich hin und erzeugt Brennstoff für uns. Er produziert auch Trinkwasser für uns.«

»Ich hab Durst«, jammerte die Fünfjährige.

Trumball führte sie um das automatische Modul herum, fand den Hauptwasserhahn und goss ein bisschen Wasser in einen Metallbecher, den er mitgebracht hatte.

»Das ist Marswasser«, sagte er und hielt den Becher hoch. »Es stammt aus der Permafrostschicht unter der Oberfläche und ist mit Kohlendioxid versetzt, so ähnlich wie Sprudel. Aber man kann es trinken — sobald wir die Verunreinigungen herausgefiltert haben.«

Während er sprach, verkochte das Wasser, und der Becher war wieder knochentrocken.

»Die Marsluft ist so dünn, dass das Wasser kocht, obwohl die Temperatur unter dem Gefrierpunkt liegt«, erklärte Trumball. »Aber der springende Punkt ist: Unter unseren Füßen gibt es ein Meer aus Wasser, das seit Abermillionen Jahren gefroren ist. Genug Wasser, um eines Tages Abermillionen Menschen zu versorgen.«

»Das wusste ich gar nicht«, sagte Mrs. Zieman leise.

Genau nach einer Stunde sagte Trumbalclass="underline" »So, das war's für heute. Ich muss jetzt Schluss machen. Morgen zeige ich Ihnen die Kuppel. In ein paar Tagen bricht ein Team mit einem der Boden-Rover zum Grand Canyon auf. Später fliegen dann zwei Leute mit dem Raketenflugzeug zu den Schildvulkanen. Und mit den unbemannten Schwebegleitern werden wir noch größere Entfernungen überwinden. Wenn alles gut geht, schicken wir sie zum Landeplatz der alten Viking I und vielleicht noch weiter nach Norden, bis zum Rand der Eiskappe.«

Währenddessen starrten die Zuschauer in die marsianische Szenerie hinaus.

»Aber das liegt alles noch in der Zukunft«, schloss Trumball. »Jetzt sage ich erst einmal Auf Wiedersehen vom Mars. Danke, dass Sie bei uns waren.«

Die Ziemans saßen noch eine ganze Weile reglos da, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich nahmen sie widerstrebend die Helme ab.

»Ich will zum Mars«, verkündete der Neunjährige. »Wenn ich groß bin, werde ich Wissenschaftler und fliege zum Mars.«

»Ich auch!«, setzte seine Schwester hinzu.

ESSENSZEIT: SOL 1

Jamie fand seine alte Kabine unverändert vor; es sah darin noch genauso aus wie vor sechs Jahren. Die Liege mit den dünnen Marsschwerkraft-Beinen wartete auf ihn. Die Plastikkombination aus Schreibtisch und Kleiderschrank stand leer da, so, wie er sie zurückgelassen hatte.

Alles ist in funktionsfähigem Zustand, staunte er. Bei ihrer Abreise hatten sie die Kuppel mit Stickstoff gefüllt. Jetzt bestand die Luft aus einem Gemisch von Stickstoff und Sauerstoff wie auf der Erde, sodass sie sich in Hemdsärmeln oder weniger in der Kuppel aufhalten konnten.

Während der ersten Expedition waren sie von einem Meteoritenschwarm getroffen worden, fast mikroskopisch kleinen Steinchen, die die Kuppel an mehreren Stellen durchschlagen und sogar den Helm von Jamies Raumanzug gestreift hatten. Die Chancen für so etwas stünden eins zu einer Billion, hatten ihnen die Astronomen auf der Erde erklärt. Jamie nickte; er hoffte, dass diese Relation gleich geblieben war.