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»Es wäre sehr schwierig für sie gewesen, Wasser vom Grund des Canyons heraufzuschaffen«, meinte Fuchida.

»Falls da unten jemals welches geflossen ist«, sagte Jamie, während er vorsichtig wischte und seine wachsende Erregung im Zaum zu halten versuchte. Immer mehr Linien zierten die Felswand.

»Ich wette, wir finden Beweise dafür, dass es da unten einen Fluss gegeben hat«, sagte Dex.

»Aber wann hat es ihn gegeben?«, fragte Jamie. »Wie lange ist das her?«

»Schaut!«, rief Trudy. »Es ist ein Bild, glaube ich.«

Sie bürstete weiter an ihrem Wandabschnitt herum und legte dabei einen Kreis frei, von dem Pfeile ausgingen, wie es schien.

»Ein Sonnensymbol?« Jamie schnappte schockiert nach Luft. Das Bild ähnelte den Symbolen, mit denen die Navajos und andere Stämme die Sonne bezeichneten.

»Sie hatten Augen wie wir«, sagte Trudy. Ihre Stimme klang hohl. »Sie besaßen Sehvermögen, und sie haben eine Schrift erfunden.«

»Eine Inschrift«, hauchte Dex. Seine übliche nassforsche Art war verschwunden.

An der Wand war eine komplette Reihe bildähnlicher Symbole zu sehen. Piktogramme, dachte Jamie. Wie die frühesten Schriftformen in Ägypten.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Fuchida. »Was wollten sie uns sagen?«

Jamies Kehle war trocken. Er brauchte drei Versuche, bis er ein wenig Speichel gesammelt hatte und schlucken konnte.

»Kommt«, sagte er. »Machen wir den Rest sauber.«

Schweigend gingen sie an die Arbeit.

Jamie schaute noch einmal auf das Sonnensymbol. Nein, das ist unmöglich, sagte er sich. Diese Wesen können nicht unsere Vorfahren sein. Sie waren nicht menschlich. Sie hatten einen anderen Körperbau. Sie sind ausgestorben …

sie sind nicht zur Erde ausgewandert. Das ist lächerlich.

»Oh-oh«, grunzte Dex.

Sie drehten sich zu ihm um. Dex lag auf den Knien und hatte sich gebückt, um den Staub vom untersten Teil der Wand zu bürsten.

Die regelmäßigen Linien mit ordentlichen Abständen dazwischen endeten ungefähr einen Meter über dem Boden.

Darunter folgten weitere, unregelmäßigere Symbole, die im Vergleich mit denen darüber schief und krakelig wirkten.

»Wie Kinderschrift«, sagte Hall leise.

»Oder die von primitiven Erwachsenen«, meinte Fuchida.

»Diese regelmäßigen Linien hier oben« – Hall zeigte mit ihrer Hand darauf – »sind eingraviert worden. Sie haben Meißel oder irgendwelche anderen Werkzeuge benutzt und die Linien damit tief in den Stein gekerbt. Seht ihr? Aber die da unten …«

»Das sind nur oberflächliche Kratzer«, sagte Dex. »Wie Kritzeleien.«

»Graffiti«, sagte Fuchida.

»Kinder? Vandalen?«, fragte sich Hall.

»Touristen«, murmelte Jamie.

»Hier unten sind noch mehr Zeichnungen«, sagte Dex und bürstete wie wild. Um ihn herum wallte der Staub auf.

»Wer hat den Fotoapparat?«, fragte Jamie.

»Ich«, sagte Fuchida.

»Nicht die Schutzkappe vom Objektiv abnehmen, bevor sich der Staub gelegt hat!«, warnte Dex und wischte sich mit der freien Hand über die Sichtscheibe des Helms. »Zumindest pappt dieses Zeug nicht so wie der Staub auf dem Mond.«

»Der Staub auf dem Mond ist elektrostatisch aufgeladen«, sagte Fuchida. »Das kommt vom einfallenden Sonnenwind.«

»Wem sagst du das«, maulte Dex.

Die drei beugten sich näher heran, als Dex den letzten, untersten Abschnitt der Wand ganz am Ende abbürstete, wo sie im rechten Winkel an die andere Wand stieß.

»Bilder, ganz recht«, sagte Dex, der immer noch auf den Knien lag.

Jamie spähte durch die sich lichtende Staubwolke. Die Bilder ganz unten an der Wand wirkten primitiv, wie hastig hingeworfene Zeichnungen.

»Was ist das?«, fragte Trudy und zeigte auf das, was sie meinte.

Jamie sah ein schiefes, knolliges Gebilde, das auf eine holprige, geneigte Linie gekritzelt war.

»Eine Erektion«, kicherte Dex.

»Sei nicht so blöd«, fuhr Trudy ihn an.

»Was immer es sein soll, es ist eine ziemlich primitive Arbeit«, sagte Dex.

»Und das hier?«, fragte sie erneut. »Sieht aus, als hätte jemand einfach mit den Fingernägeln ein halbes Dutzend Striche auf den Stein gekratzt.«

Fuchida beugte sich so nah heran, dass seine Sichtscheibe beinahe den Stein berührte. »Seht mal, hier sind Punkte, da und da … das hier sieht aus wie ein Kreuz oder ein x.«

Dex tat es mit einem »Narben im Stein« ab.

»Nicht dieses x-Symbol«, beharrte Fuchida.

Jamie starrte konzentriert auf die primitiven Zeichnungen.

Er wusste mit der ganzen Gewissheit uralter Weisheit, dass der primitive Künstler ihnen etwas mitteilen wollte. Er hat nicht bloß irgendwelche Graffiti hingeworfen. Diese Symbole haben ihm etwas bedeutet. Sie bedeuten auch jetzt etwas.

Aber was? Was wollte er sagen? Was wollte er im Stein festhalten? Wie lautet die Botschaft, die er uns hinterlassen hat?

»Die Philologen werden sich prächtig damit amüsieren«, sagte Hall.

Dex richtete sich langsam auf. Die Gelenke seines Anzugs knarzten leicht. »Die drehen garantiert total durch.«

Jamie merkte, wie sein Rückgrat knirschte, als er ebenfalls aufstand. »Ja, vor Frustration. Sie haben keine Möglichkeit, diese Inschrift zu entschlüsseln. Die Bilder vielleicht, aber nicht die Inschrift.«

»Kein Stein von Rosette«, sagte Fuchida.

»Genau«, sagte Jamie. »Die Sprachen des Altertums konnte man nur übersetzen, wenn man bereits vorhandene Übersetzungen in bekannte Sprachen fand. Man braucht einen Schüssel.«

»Und den gibt es hier nicht«, erkannte Dex das Problem.

»Es ist alles marsianisch.«

»Keine Verbindung zu irgendeiner Sprache auf der Erde«, sagte Fuchida.

»Vielleicht helfen die Bilder«, meinte Hall.

»Vielleicht.«

»Ich würde nicht darauf wetten«, sagte Jamie.

Dex lachte. »Eins ist sicher.«

»Was?«

»Sie werden Myriaden unterschiedlicher Erklärungen für jedes Symbol an dieser Wand erfinden.«

»Und keine zwei davon werden übereinstimmen.« Fuchida brach in ein Kichern aus.

»Aber sie werden Unmengen von Abhandlungen darüber schreiben«, sagte Hall und begann ebenfalls zu lachen.

Jamie stand in seinem Anzug stumm da, während die anderen drei am Rande der Hysterie lachten. Sie lassen Dampf ab, erkannte er. Sie müssen lachen oder weinen oder es laut in die Welt hinausschreien. Ich kann's ihnen nicht verdenken. Es ist die größte Entdeckung aller Zeiten. Aber was bedeutet sie?

Was, in Dreiteufelsnamen, bedeutet sie?

Er starrte die Symbole an. So hübsch und ordentlich am Anfang. Professionelle Arbeit. Sie waren stolz darauf. Aber unten am Boden nur Gekritzel.

Was ist hier passiert? Was ist mit diesen Leuten geschehen?

Ihm war kalt, und er fühlte sich so schwach, als könnten ihn seine Beine nicht länger tragen. Der Weg endet hier, Großvater. Sie haben eine Botschaft hinterlassen, aber wir können sie nicht verstehen.

»Jamie? Alles in Ordnung?«

Es war Dex' Stimme. Jamie bewegte sich, richtete den Blick auf die drei anderen Menschen in ihren unpersönlichen Raumanzügen.

»Ja, ja. Alles okay.«

Dex sagte: »Ich hab grade gesagt, wir müssen DiNardo und seinen Ausschuss davon unterrichten.«

Jamie nickte in seinem Helm. »Und die ganze Welt.«

Sie hatten sich von ihrer ersten Reaktion erholt. Jetzt waren sie wieder sachlich und nüchtern. Fuchida belichtete ein Bild nach dem anderen.

»Wir sollten die Videoausrüstung herholen«, sagte Hall.

»Und das VR-Gerät«, ergänzte Dex. »Jeder Tourist auf der Welt wird das sehen wollen!«

Jamie drehte sich um und entfernte sich von den anderen.

Einen wahnwitzigen Moment lang dachte er, es wäre besser, das ganze Bauwerk mit Dynamit zu sprengen, es unter Tonnen von Gestein zu begraben, sodass niemand es jemals wieder fand, es in Frieden zu lassen und dafür zu sorgen, dass nie wieder ein Mensch seinen Fuß hineinsetzte.