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Komisch, sinnierte Jamie, als er von seiner Liege aufstand.

Während des Fluges fand ich diese Blechbüchse zu klein, zu eng. Wie eine Gefängniszelle. Aber nachdem ich nun wochenlang in den Rovern gehaust habe, kommt sie mir wie eine Suite im Waldorf-Astoria vor.

Es war noch früh, sah Jamie. Im Modul war es still, bis auf das unvermeidliche Summen elektrischer Geräte. Außer ihm war noch niemand auf. Er aalte sich volle drei Minuten lang unter der Dusche, bis das warme Wasser automatisch nadelkalt wurde. Dann rasierte er sich rasch und dachte dabei an die Zeit auf dem College zurück, als er versucht hatte, sich einen Bart stehen zu lassen. Dünn, glatt und dunkel war der gewesen; er hatte damit eher wie ein bedrohlicher Mandarin aus einem alten Spionagefilm als wie ein knackiger Campus-Hengst ausgesehen.

Als er die Leiter zur Kombüse hochkletterte, sah Jamie zu seiner Überraschung, dass Dex bereits am Tisch mit den spindeldürren Beinen saß und einen Becher frisch gebrauten Kaffees in beiden Händen hielt.

»Du bist ja früh auf«, sagte Jamie und ging zum Gefrierschrank.

»Konnte nicht schlafen«, sagte Dex.

Jamie sah ihn genauer an. Dex' forsch-fröhliches Grinsen war verschwunden. Seine Augen wirkten trübe.

»Was ist los?«

»Rate mal, wer mit der nächsten Expedition herkommt.«

»DiNardo?«

»Schön wär's.«

»Wer dann?«

»Mein alter Herr.«

»Dein Vater?« Jamies Stimme war fast eine volle Oktave höher als sonst.

Dex nickte grimmig.

»Er kommt hierher? Zum Mars?« Jamie schob die Tür des Gefrierschranks zu und zog sich den Stuhl neben Dex heraus.

»Er hat gerödelt wie ein Wilder. Die dritte Expedition soll zwei Wochen vor unserem Abflug hier landen. Das IUK ist dabei, das Wissenschaftlerteam zu rekrutieren, und Dads Geldleute geben gerade das Raumschiff und die Ausrüstung in Auftrag. Sämtliche Archäologen und Paläontologen auf der Erde rennen ihnen die Tür ein, um mitfliegen zu dürfen. Kann sein, dass sie die Plätze versteigern, Himmel noch mal.«

»Aber er kommt mit?«

»Da kannst du deinen süßen kleinen Arsch drauf verwetten. Er kommt, und ich fliege nach Hause. Er wird persönlich das Kommando über die kommerziellen Operationen hier auf dem Mars übernehmen.«

Jamie merkte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte.

»Kommerzielle Operationen«, murmelte er.

»Vielleicht will er den Hotdog-Stand betreiben«, sagte Dex humorlos.

»Ist er nicht schon zu alt? Ich meine, es gibt doch Sicherheitsvorschriften und so weiter …«

Dex schüttelte den Kopf. »Gesund wie 'n Maultier. Zum Teufel, sie lassen ja jetzt schon gebrechliche alte Omas mit diesen Clipperships zum Mond gondeln. Wenn man mit einem normalen Flugzeug fliegen kann, kann man auch in den Orbit fliegen. Und wenn man in den Orbit fliegen kann, kann man auch zum Mond fliegen.«

»Oder zum Mars.«

»Oder zum Mars«, stimmte ihm Dex bedrückt zu. »Er wird in etwas über einem Jahr hier sein.«

Jamie sah ihn eine Weile stumm an. Warum ist Dex so deprimiert, fragte er sich. Er hat auf den Tourismus und die kommerzielle Erschließung des Mars gedrängt, und jetzt, wo sein Vater kommt, um die Sache entsprechend in Schwung zu bringen, sieht er so elend aus, wie ich mich fühle.

»Weshalb muss er persönlich herkommen?«, fragte Jamie.

»Kann er seine Ziele nicht auf der Erde verfolgen?«

Dex machte ein saures Gesicht. »Er will zeigen, dass normale Menschen zum Mars fliegen können. Er will die Tür zum Tourismus und zur kommerziellen Erschließung aufstoßen. Er wird hier ein Hotel bauen. Ein komplettes Touristenzentrum. Disneyland auf dem Mars.«

»Bloß das nicht«, stöhnte Jamie.

»Oh doch. Er muss Mr. Macho sein. Der große Zampano.

Muss der ganzen Welt zeigen, dass er zum Mars kommen und die Sache ins Rollen bringen kann. Machen Sie Ihr Vermögen auf dem Roten Planeten. Investieren Sie in die Darryl C. Trumball Enterprises.«

Jamie sagte: »Du scheinst nicht sehr glücklich darüber zu sein.«

»Warum, zum Teufel, sollte ich? Er kommt her, um den Ruhm einzuheimsen, um sich wichtig zu machen und mich beiseite zu schieben, raus aus dem Rampenlicht. Ich bin bloß der kleine Junge, der ein bisschen Wissenschaft getrieben hat, den er hat ein bisschen herumspielen lassen, er ist der große, bedeutende Scheiß-Milliardär.«

»Wie in aller Welt können wir ihn aufhalten? Und zwar jetzt, bevor er anfängt, dies hier zu ruinieren.«

»Indem wir ihm eine Kugel zwischen die Augen jagen.«

»Ich mein's ernst.«

Dex knallte die Faust auf den Tisch, sodass Kaffee aus seinem Becher schwappte.

»Wir können ihn nicht aufhalten! Niemand kann ihn aufhalten! Er hat die Kontrolle über das Geld, verdammt noch mal!«

»Es muss einen Weg geben«, sagte Jamie verzweifelt. »Es muss einen geben.«

Dex schüttelte langsam den Kopf. »Das ist die goldene Regel, Kumpeclass="underline" Wer das Geld hat, bestimmt die Regeln.«

Jamie schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Das muss verhindert werden, Dex. Ich spreche mit DiNardo und Li Chengdu. Und mit dem IUK-Vorstand.«

»Nur zu. Du hast genauso viel Chancen wie die Sioux gegen die U.S. Army.«

»Sie haben Custer geschlagen«, fauchte Jamie.

»Und sind anschließend ausgelöscht worden.«

Trudy Halls Kopf erschien in der Bodenluke. Ihr dunkelbraunes Haar wippte ein bisschen, als sie die Leiter heraufkletterte.

»Oh, da war ich wohl nicht die Einzige, die dachte, Morgenstund hat Gold im Mund«, sagte sie überrascht.

Jamie sah, dass sie ihren schweißfleckigen Jogginganzug anhatte. Sie wird jetzt wieder jeden Morgen joggen, dachte er und erinnerte sich an ihre dumpfen Schritte im Außenkorridor des Wohnmoduls. Dann werden wir keine Wecker brauchen.

»Tja, das Gold ist leider schon weg, Trudy«, sagte Dex mit einem bitteren Grinsen.

»Na, macht nichts. Wir haben heute Vormittag viel zu tun.

DiNardos Leute wollen noch einen Satz Mikroaufnahmen von den Wandinschriften.«

»Noch einen Satz? Was ist mit den Bildern, die wir ihnen letzte Woche geschickt haben?«, fragte Dex.

»Waren ihnen wohl nicht gut genug.« Trudy ging zum Gefrierschrank, ohne auch nur im Geringsten etwas von den Problemen zu ahnen, die in Jamies Eingeweiden brannten.

Ich muss jetzt da raus und die wissenschaftliche Arbeit machen, derentwegen ich hergekommen bin, dachte er. Vergiss Trumball und konzentriere dich auf die Arbeit. Das ist es, was zählt. Erledige deine Arbeit … solange du kannst.

MITTAG: SOL 147

»Keine Probleme?«, fragte Vijay.

Auf dem Kommunikationsbildschirm machte Trudy Hall ein etwas verdutztes Gesicht. Sie schüttelte den Kopf.

»Nein, überhaupt keine.«

»Das ist gut«, sagte Vijay.

»Es ist eher so, als wäre man die kleine Schwester unter drei großen Brüdern«, fuhr Trudy fort. »Meistens werde ich mit einer gewissen Nachsicht behandelt.«

Vijay saß an dem winzigen Schreibtisch in ihrer privaten Unterkunft. Sie zeichnete das Gespräch natürlich auf; ein weiterer Bestandteil ihrer fortlaufenden psychologischen Datensammlung.

»Und keiner hat irgendwelche sexuellen Annäherungsversuche unternommen?«

»Keiner.« Hall schmollte beinahe. »Vielleicht sollte ich ja enttäuscht sein?« Dann fügte sie rasch hinzu: »Kein Wort zu Tommy, dass ich das gesagt habe!«