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Die Vulkane sind erloschen! Setzen wir doch mal die richtigen Prioritäten, Herrgott noch mal!«

»Wer sagt, dass die Vulkane erloschen sind?«, fauchte Fuchida. »Das wissen wir nicht!«

Jamie holte Luft. »Unsere Prioritäten sind vor über zwei Jahren festgelegt worden, und unsere Finanziers waren mit ihnen einverstanden. Wir sind nicht hier, um ihnen eine Show zu liefern. Wir sind hier, um nach Möglichkeit herauszufinden, wie weit verbreitet das Leben auf diesem Planeten ist.«

Trumball sank in seinen Stuhl zurück. Sein Lächeln war fast schon ein höhnisches Grinsen. »Nach Möglichkeit«, äffte er Jamie nach.

Trudy Hall ergriff das Wort. »Ich möchte natürlich in den Canyon hinunter und die Flechte studieren«, sagte sie mit ihrem weichen Yorkshire-Akzent. »Aber ich will auch nachsehen, ob es woanders Leben gibt: die Vulkane, Possums Bohrkerne, die Eiskappe oben – wir haben eine ganze Welt zu erforschen.«

Bevor Trumball widersprechen konnte, sagte Jamie: »Hör zu, Dex … ihr alle: Wir werden anderthalb Jahre hier sein.

Wir müssen die Entscheidung über eine Verlegung der Basis nicht heute treffen.«

»Schon gar nicht, wenn die Toiletten nicht funktionieren«, meldete sich Deschurowa.

»Heißt das, du ziehst in Erwägung, die Basis später zu verlegen?«, hakte Trumball eifrig nach.

Jamie hatte die ganze Angelegenheit satt. Er nickte. »Ich werde es in Erwägung ziehen, je nachdem, was wir im Canyon und anderswo finden.«

Trumballs erwartungsvolles Grinsen verblasste. »Du klingst wie ein Vater, der zu seinem Kind sagt: ›Mal sehen.‹

Es bedeutet nein, aber man will nicht drüber diskutieren.«

»Ich bin nicht dein Daddy, Dex.«

Trumball schnaubte. »So viel steht fest.«

»Als eure pflichtbewusste Ärztin«, sagte Vijay Shektar mit einem strahlenden Lächeln auf dem dunkelhäutigen Gesicht, »bin ich befugt, euch zum gegenwärtigen Anlass eine gewisse Menge eines feierlichen Stimulans zu verschreiben.«

»Medizinischer Alkohol?« Stacy Deschurowas ernstes Gesicht hellte sich auf.

»Nein, australischer Champagner«, erwiderte Shektar.

»Ich habe zwei Flaschen mitgebracht.«

»Ich habe einen ausgezeichneten Scotch Whisky«, sagte Fuchida begeistert.

»Zum Teufel«, sagte Craig, »ich hatte nur 'ne Buddel Fusel mit.«

Jamie lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Vijay hatte den Streit entschärft, erkannte er. Sie war eine ziemlich gute Psychologin. Er erinnerte sich an den ersten Abend bei der ersten Expedition. Da Alkohol oder Drogen nach den damaligen Missionsvorschriften streng verboten gewesen waren, hatte jeder ein paar Fläschchen unter seine persönlichen Sachen geschmuggelt – jeder außer Jamie, der so spät ins Team aufgenommen worden war, dass er nicht einmal die Zeit gehabt hatte, an Alkohol zu denken.

Auch diesmal hatte er keinen dabei. Ich hätte welchen mitnehmen sollen, tadelte er sich. Das war ein Fehler.

Und natürlich fragte Trumball über den Tisch hinweg:

»Und was hat unser verehrter Chef zur Party mitgebracht?«

Jamie zwang sich zu einem Lächeln. Er spreizte die Hände. »Nichts. Tut mir Leid.«

»Nich mal 'n Sechserpack Bier?«, fragte Craig.

»Nicht mal eine Prise Peyote?«, setzte Trumball hinzu.

Jamie schüttelte nur den Kopf. Ihm fiel ein, dass sogar der mürrische Wosnesenski, der als Leiter des Bodenteams beinahe schon paranoid sicherheitsbewusst gewesen war, an jenem ersten Abend eine Flasche Wodka auf den Tisch gestellt hatte.

Jamie stand auf, und ihr fröhliches Geplauder verebbte.

»Okay, dann feiert mal schön. Ihr habt es verdient. Aber nur heute Abend. Ab morgen früh kein Alkohol mehr, bis wir sicher auf dem Heimweg sind.«

»Korrekt!«, sagte Deschurowa, und sie eilten alle in ihre Kabinen und zu ihren geheimen Vorräten.

Jamie blieb noch auf einen Schluck von Shektars Champagner und zog sich dann in seine Unterkunft zurück. Er arbeitete an seinem Tagesbericht und studierte die Pläne für die Traverse zum Canyon, wo die erste Expedition ein Rover-Fahrzeug zurückgelassen hatte, das in einem Krater voller trügerischem Sand versunken war.

Es fiel ihm schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, während die anderen aus vollem Halse Limericks zur Melodie von Cielito Lindo sangen.

»Ay, ay, ay, ay,

Deine Mutter streicht um die Kaserne!

Drum sing mir 'nen neuen Vers,

noch derber als der letzte Vers,

dreh mich im Kreis herum, Willy.«

Stacy Deschurowas Stimme – ein voller, klarer Sopran –

übertönte alle anderen. Sie hätte Opernstar werden können, erkannte Jamie. Madame Butterfly. Eine stämmige, mürrische Madame Butterfly.

Die Limericks wurden immer schlüpfriger, darunter einer, der, wie Trumball lauthals verkündete, von keinem Geringerem als Isaac Asimov stammte:

»Eine Hure aus South Carolina

spannte Saiten über ihre Vagina.

War ein Schwanz schön dick,

klang ein stinknormaler Fick

wie Bachs Duo für Flöte und Violina.«

Dann erhob sich Shektars unverkennbare Aussie-Stimme über das Gebrabbeclass="underline" »Kennt einer von euch ›Der kleine Stromer‹?«

Stille. Jamie spürte, wie sie alle den benebelten Kopf schüttelten.

Mit einem volltönenden Mezzosopran begann Shektar:

»Der kleine Stromer stromert

lustig dahin am Strand

den Rucksack auf der Schulter

den Pimmel in der Hand …«

Brüllendes Gelächter. Das Lied ging immer weiter und wurde immer schlimmer. Jamie fragte sich, ob sie am nächsten Morgen überhaupt arbeitsfähig sein würden.

TAGEBUCHEINTRAGUNG

Endlich haben wir's geschafft: Wir sind unten, nachdem wir fünf Monate in dieser Sardinenbüchse eingepfercht waren. Noch ein Tag in diesem Metallsarg, und ich hätte angefangen zu schreien.

Die Kuppel ist größer, geräumiger. Aber sie ist merkwürdig. Sie hat nicht den richtigen Geruch. Ich weiß, dass hier irgendwas nicht stimmt. Die Kuppel riecht schlecht.

ABEND: SOL 1

Jamie wartete, bis endlich Stille einkehrte, dann zog er sich aus und schlüpfte in Jockey-Shorts und ein T-Shirt aus seinem Kleidersack.

Ich sollte meine Klamotten auspacken und ordentlich verstauen, sagte er sich. Aber er war körperlich und seelisch erschöpft und so müde, dass er nur noch auf seine Liege niedersinken konnte. Ich stehe morgen ganz früh auf und tue es.

Er hatte seinen Laptop ans Stromnetz der Kuppel angeschlossen und neben die Liege gestellt, wo er gut an die Tastatur herankam. Er stieß auf eine Nachrichtensendung von der Erde, und ihm wurde klar, dass alles, was er sah und hörte, eine Viertelstunde zuvor von einem Satelliten ausgestrahlt worden war.

Die meisten großen Nachrichten- und Entertainment-Networks auf der Erde waren gern bereit gewesen, ihre Sendungen gebührenfrei zum Mars auszustrahlen. Die Expeditionsplaner hatten bereitwillig die Kosten für die Einrichtung der erforderlichen Sendeanlagen bezahlt; eine Verbindung mit der Heimat war wichtig für das seelische Wohlbefinden der Forscher, selbst wenn sie rein elektronischer Natur war.

Jamie sah sie alle acht in ihren hartschaligen Raumanzügen mit den leeren Gesichtern auf dem roten Sand des Mars stehen und ihre kleinen Reden halten. Dann folgten Szenen mit Schulkindern, die sich die Landezeremonie ansahen. Die zweite Marslandung lockte keine gewaltigen Scharen feiernder Menschen mehr an, wie die erste damals.

Jamie streckte sich wieder auf seiner Liege aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Na ja, das ist wohl auch ganz natürlich. Beim ersten Mal ist es für die Öffentlichkeit aufregend. Die zweite Landung sieht weitgehend genauso aus wie die erste. Für die Leute daheim wird es erst wieder aufregend, wenn wir in echte Schwierigkeiten geraten.