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Deschurowa meldete sich; wenn sie ihr gegenwärtiges Fahrtempo beibehielt, würde sie vor Einbruch der Dunkelheit bei ihnen sein. Gut.

Als Dex durch die Luftschleuse unten hereingestampft kam, saß Jamie in dem provisorischen Labor, das sie eingerichtet hatten, und beugte sich über den Computerbildschirm. Er hörte das dünne Summen des Handsaugers, als Dex seinen Anzug vom Staub reinigte.

Jamie schloss das Analyseprogramm und schickte die Daten zur Erde, dann tauchte er durch die Luke in die Kombüse. Dex war nicht da. Jamie fand ihn in der Kommandozentrale. Er saß an der Kommunikationskonsole und sprach offenbar mit Tarawa. Das Gesicht der Frau auf dem Bildschirm kannte Jamie nicht, aber die Szenerie draußen vor dem Fenster hinter ihr war unverkennbar die einer Südseeinsel.

»Kann's losgehen mit dem Mittagesssen?«, fragte Jamie.

Dex verabschiedete sich rasch und drehte sich auf seinem Sitz um. Jamie sah, dass sein Gesicht ungewöhnlich bleich war. Seine Augen waren groß, sein Blick starr.

»Was ist los?«, fragte Jamie. »Ist was passiert?«

»Sie haben eine vorläufige Altersbestimmung für das Gebäude bekannt gegeben«, sagte Dex. Seine Stimme schwankte ein wenig.

»Tarawa?«

»Es gab keinen Streit zwischen den Geologen und den Archäologen. Sie haben das Ergebnis einfach nicht geglaubt, deshalb haben sie die Arbeit mehrmals überprüft, bevor sie zu dem Schluss kamen, dass es stimmen musste.«

Jamie spürte, wie sich eine Ranke der Nervosität durch seine Eingeweide schlängelte. »Sie haben das Alter, das sie ermittelt haben, nicht geglaubt?«

»Es ist nur eine grobe Zahl. Eine sehr grobe.«

»Wie lautet sie?« Jamie glaubte, die Antwort bereits zu kennen.

»So weit sie es sagen können, ist das Gebäude vor ungefähr fünfundsechzig Millionen Jahren errichtet worden.«

»Fünfundsechzig Millionen?« Jamies Stimme klang hohl und wie aus weiter Ferne, selbst in seinen eigenen Ohren.

Dex nickte düster. »So ist es. Vor fünfundsechzig Millionen Jahren.«

Jamies Knie wurden weich. Er setzte sich auf den Stuhl neben Dex. »Die K/T-Grenze.«

»Der Meteoriteneinschlag, der die Dinosaurier getötet hat.«

»Hier ist auch etwas eingeschlagen«, sagte Jamie. »Es hat die Marsianer getötet.«

»Diese schiefe Zeichnung an der Wand … das ist eine Pilzwolke.«

»Von dem Meteoriteneinschlag.«

»Sie sind auf dieselbe Weise ausgelöscht worden wie die Dinosaurier«, sagte Dex mit zitternder Stimme.

NACHMITTAG: SOL 150

»So muss es gewesen sein«, sagte Jamie zu Vijay.

Sein Gesicht auf dem Bildschirm wirkte ernst und feierlich. Vijay hatte gerade Dienst im Kommunikationszentrum der Kuppel, Jamie befand sich in seiner Unterkunft an Bord des L/AV draußen beim Canyon, wie es schien.

»Ein Meteor?«, fragte sie und spürte, wie sich eine beklemmende alte Erinnerung, eine Kindheitsangst in ihrem Innern regte.

»Ein Meteorit«, verbesserte Dex und beugte sich über Jamies Schulter, um sein Gesicht ins Bildfeld zu halten.

»Vielleicht mehr als einer«, sagte Jamie. »Bei der Katastrophe, die die Dinosaurier auf der Erde ausgelöscht hat, könnte mehr als ein Meteorit eingeschlagen sein.«

Vijay fühlte, wie die alte, alte Furcht nach ihr griff.

»Es muss ein ganzer Schwarm gewesen sein«, sagte Dex mit seltsam ausdrucksloser, emotionsloser Stimme. »Und zwar ziemlich große Brocken.«

»Auf der Erde sind mehr als drei Viertel aller damals lebenden Arten auf dem Land, in den Meeren und in der Luft ausgerottet worden«, erklärte Jamie.

»Und hier auf dem Mars«, fuhr Dex fort, »hat nichts überlebt als die Flechten und die Bakterien tief im Boden.«

»Shiva«, flüsterte Vijay.

»Was?«

»Shiva, der Zerstörer.« Sie erinnerte sich an die Geschichten über die uralten Götter, die ihre Mutter ihr erzählt hatte.

Jamies Stirn fürchte sich ein wenig. »Ist das …«

»Shiva ist ein Gott«, erklärte Vijay. »Sein Tanz ist der Rhythmus des Universums. Er zerstört Welten.«

Dex schob sich wieder ins Bild. »Shiva ist also ein Haufen großer Steine.«

»Sein Avatar«, sagte Vijay. »Die Erscheinungsform seiner Anwesenheit unter uns.«

Jamie sah es mit den inneren Augen des Navajos: Die Marsianer arbeiten unter einer heißen Sonne, ihre blühenden Felder wogen in der Brise, ihre Dörfer tüpfeln das fruchtbare Land. Und dann kommt brüllend der Tod vom Himmel. Die Explosionen beim Aufprall der Meteoriten.

Der Boden erbebt. Pilzwolken türmen sich in den blauen Himmel. Die Marsianer fliehen in ihre Tempel und flehen ihre Götter an, diesem Regen der Zerstörung ein Ende zu machen.

Doch das schreckliche Bombardement aus dem Himmel geht immer weiter, unaufhörlich, gnadenlos. Die Luft des Planeten wird fast vollständig weggesprengt, bis nur ein vager Hauch übrig bleibt. Die Meere gefrieren. Die Marsianer sterben allesamt, ohne Ausnahme, ihre Feldfrüchte, ihre Herden, ja sogar die Erinnerung an sie wird von der Oberfläche des Planeten ausradiert. Bis auf einen einzelnen Tempel hier und dort, an einer geschützten Stelle, wo die letzten sterbenden Mitglieder der Rasse verzweifelt das letzte Kapitel ihrer Geschichte in die Steine kratzen.

Staub bedeckt die gefrorenen Meere. Nichts Lebendiges bleibt übrig, bis auf die widerstandsfähigen Flechten und die Bakterien tief unter der Oberfläche. Der Tod regiert den gesamten Mars.

Mit einem Frösteln zwang sich Jamie, seine Aufmerksamkeit wieder der Gegenwart zuzuwenden. Er sah Vijays ernste, beinahe angsterfüllte Miene auf dem kleinen Bildschirm des Laptops. Vielleicht sollten wir alle Angst haben, dachte er. Ein weiterer solcher Stein könnte uns ebenfalls auslöschen.

Du weißt das alles nicht genau, warnte ihn seine rationale Seite. Sie könnten sich bei den Daten um Millionen von Jahren vertan haben. Die Datierung ist vielleicht nur ein Zufall.

Aber er konnte nicht an einen solchen Zufall glauben.

»Das ist also mit den Marsianern geschehen«, sagte Vijay, ihre Stimme kaum lauter als ein Flüstern. »Shiva hat sie vernichtet. Ohne Gnade. Ohne Vorwarnung. Sie wurden weggefegt, als hätten sie nie existiert.«

Jamie nickte. »Aber sie haben diesen Tempel hinterlassen.

Vielleicht gibt es noch weitere …«

An seinem Computerbildschirm begann das gelbe Icon zu blinken, das den Eingang einer dringlichen Nachricht anzeigte.

»Bleib dran«, sagte Jamie und teilte den Bildschirm, um zu sehen, wer ihn so dringend sprechen wollte.

Deschurowas mürrisches Gesicht erschien. Sie saß offenbar im Cockpit des Rovers, und sie sah nicht sehr glücklich aus.

»Stacy, was ist los?«, fragte Jamie.

»Ich bin ungefähr fünfzig Kilometer von euch entfernt, aber ich kann nicht weiterfahren«, sagte die Kosmonautin.

»Wieso das?«

»Ein Rad ist defekt. Anscheinend ist Staub ins Radlager eingedrungen. Es ist stark überhitzt. Wenn ich weiterfahre, geht es wahrscheinlich ganz kaputt.«

»Ich sage der Kuppel Bescheid«, sagte Jamie. »Ich spreche gerade mit Vijay.«

»Gut. Sag Rodriguez, er soll mit Rover Nummer zwei und einem Ersatzradlager kommen.«

Jamie warf einen Blick auf die Digitaluhr, die in der unteren rechten Ecke des Bildschirms blinkte. »Du wirst dort über Nacht festsitzen.«

»Neh problemeh.«

»Wenn wir einen Rover hier hätten«, bemerkte Dex,

»könnten wir losfahren und dich noch vor Sonnenuntergang holen.«

»Schon möglich«, stimmte die Kosmonautin missmutig zu.

»Darüber sollten wir vielleicht mal nachdenken«, meinte Jamie. »Wir haben den zusätzlichen Rover …«